„Drogengebrauchende Menschen zeigen bei der Beschaffung und Finanzierung von Drogen täglich ihr hohes Energiepotenzial – selbst unter schwierigsten Lebensbedingungen. Das Arbeits- und Qualifizierungsangebot der Zweiradwerkstatt 180 ° in Gremberg auf der Odenwaldstrasse 90 folgt der Idee, dieses Potenzial konstruktiv in eine berufliche Tätigkeit zu kanalisieren“, erklärte heute Gudrun Kirch, Zweigstellenleitung IB GmbH West, das Konzept der Zweiradwerkstatt.

Bestehen der Werkstatt
Der eingangs aufgezeigten Idee folgend wurde von den Trägern im Jahr 2002 die professionell ausgestattete Werkstatt mit dem Namen 180° eingerichtet. Der Name 180° bedeutet eine absolute Kehrtwendung. Dies soll sowohl für die dort arbeitenden Menschen als auch für die zur Reparatur abgegebenen Fahrrädern gelten. Den Menschen soll durch Arbeit und einen damit verbundenen strukturierten Tagesablauf  mitgeholfen werden, sich von ihrer Sucht zu befreien. Die meist defekten bzw. gebrauchten Fahrräder sollen durch eine in der Werkstatt  durchgeführte Generalüberholung wieder fit für den Alltag gemacht werden. Die Werkstatt bietet 15 Arbeits- und Qualifizierungsplätze in einem eingetragenen Handwerksbetrieb. Angeleitet durch einen Mechanikermeister und weitere Mechaniker werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei 180° für das Zweiradhandwerk qualifiziert. In der Werkstatt werden alle handwerklichen Dienstleistungen rund um das Fahrrad wie Fahrradinspektion und –wartung, Fahrradreparatur und Verkauf von generalüberholten Gebrauchtfahrrädern mit einer einjährigen Werkstattgarantie erbracht.

An wen richtet sich das Arbeitsangebot?

Das Arbeits- und Qualifizierungsangebot richtet sich an akut Drogengebrauchende, die ihren Wohnsitz oder ihren ständigen Aufenthalt in Köln haben. Interessenten können einfach telefonisch einen Termin vereinbaren. Dabei werden sie auf eine Warteliste gesetzt und müssen sich monatlich einmal melden, um auch weiterhin ihre Bereitschaft zu bekunden, diesen Weg der kleinen Schritte heraus aus der Drogenabhängigkeit gehen zu wollen. In insgesamt 5 verschiedenen Phasen werden die Ressourcen der Einzelnen festgestellt und es werden Grundlagen der Fahrradtechnik vermittelt. Danach lernen die Teilnehmer selbständig kleine Inspektionen durchzuführen und in einem weiteren Schritt das Montieren von Fahrrädern auf Kundenwunsch. In der letzten Phase können sich qualifizierte Teilnehmer nach entsprechender Berufspraxis im Arbeitsmarkt, extern zur Fahrradmonteurprüfung anmelden.

100 Räder jährlich
100 Fahrräder werden pro Jahr generalüberholt und im eigenen Geschäft auf der Odenwaldstrasse Nr. 53 verkauft. Ebenso werden Kooperationen mit anderen Kölner Fahrradfachgeschäften geführt und auch weiter ausgebaut. Zuschüsse des Jobcenters in Höhe von zur Zeit jährlich 176.000 Euro werden bereit gestellt. Das Land NRW war in der Probephase mitbeteiligt. Eine wissenschaftliche Begleitung erfolgt durch die Europäische Union. Weiter fördert die Fahrradwerkstatt 180° parallel zur beruflichen Integration die persönliche Stabilisierung. Dabei richtet sich die Integrationsbegleitung nach dem individuellen Hilfebedarf des Einzelnen.

Das insgesamt positive Resümee zur Idee der Werkstatt und deren Umsetzung wurde durch drei Mitarbeiter der Werkstatt unterstrichen und bestätigt. Der 44jährige Andreas, der 45jährige Mehmet und der 47jährige Uwe, nach eigenen Angaben über Jahrzehnte drogenabhängig, erklärten, dass sie ohne eine derartige Einrichtung wie die Fahrradwerkstatt 180° nicht von ihrer Sucht losgekommen wären. Heute seien sie stolz auf das hier Erlernte, auf den Respekt und die Achtung, die ihnen wegen der hier erreichten beruflichen Qualifikation entgegengebracht würde und die Möglichkeit vielleicht bald wieder dem ersten, dem normalen Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung stehen zu können. Negativ merkten die Mitarbeiter an, dass Zuschüsse, die sogenannte Motivationszulage, die bei erreichten Qualifikationen bis zum Dezember 2011 gezahlt wurde, gestrichen worden ist. Darum hatten sieben Mitarbeiter ihre Ausbildung vorzeitig beendet. Im Sommer sollen jedoch wieder alle Plätze besetzt werden.

hjr