Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner bei der Ernennungszeremonie der Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz Felor Badenberg (parteilos) im Roten Rathaus in Berlin am 27. April 2023. Foto: IMAGO / Emmanuele Contini

Von Christoph Mohr

Felor Badenberg, lange Zeit in Köln lebende Deutsch-Iranerin, ist neue Justizsenatorin in Berlin. Mit der „AfD-Jägerin“ gelingt dem neuen Regierenden Bürgermeister Kai Wegner ein Coup.

Es war wirklich kein geglückter Start für den neuen Regierenden Bürgermeister von Berlin. Erst im dritten Wahlgang bekam der CDU-Mann Kai Wegner die nötigen Stimmen zusammen, um sich zum Regierungschef des 3,7-Millionen-Einwohner-Landes wählen zu lassen, obwohl die Regierungsparteien CDU und SPD rechnerisch über eine ausreichende Mehrheit verfügen. Doch die Gelegenheit für die anonyme Ohrfeige war für den einen oder anderen Unzufriedenen in den eigenen Reihen offenbar doch zu groß. Eine Blamage, die noch dazu der AfD die Möglichkeit verschaffte, zu behaupten, erst mit ihren Stimmen sei Wegner zum Regierungschef gewählt worden (was sich nicht nachprüfen lässt und die meisten politischen Beobachter auch nicht glauben). Und bei dem Tohuwabohu ging auch eine spektakuläre Personalie weitgehend unter: die neue Justizsenatorin von Berlin ist die deutsch-iranische Kölnerin Felor Badenberg (47).

Abitur in Nippes

1975 in Teheran geboren, kam Felor Badenberg erst im Alter von 12 Jahren nach Deutschland. In Köln machte sie am Leonardo-da-Vinci-Gymnasium Köln-Nippes das Abitur und studierte anschließend an der Universität zu Köln Jura, wo sie dann auch promovierte. 2004 bis 2006 folgte dann das Referendariat, auch dies in Köln.

Ihre gesamte berufliche Karriere verbrachte Felor Badenberg dann beim Inlands-Geheimdienst, besser bekannt als Bundesamt für Verfassungsschutz. Die in Köln-Chorweiler beheimatete, dem Bundesinnenministerium nachgeordnete Behörde mit etwa 4000 Mitarbeitern gilt nicht gerade als Top-Arbeitgeber für promovierte Volljuristen. Doch Badenberg, so ist zu lesen, wollte unbedingt in Köln bleiben und bewarb sich auf gut Glück.

Vizepräsidentin des Verfassungsschutzes

Was dann in 17 Jahren beim Verfassungsschutz folgte, darf man durchaus als spektakuläre Karriere bezeichnen, nicht nur weil Badenberg zuletzt Vizepräsidentin der Behörde war.

Es gibt wohl wenige Beamte in deutschen Ministerien und Behörden, deren Arbeit so öffentlich geworden ist und so viel öffentliche, auch parteiübergreifende Anerkennung gefunden hat – die durch ihre CumEx-Ermittlungen deutschlandweit bekannte Kölner (Ober-)Staatsanwältin Anne Brorhilker einmal ausgenommen.

Nach der Cyberattacke auf den Deutschen Bundestag durch mutmaßlich russische Hacker 2015 baute Felor Badenberg beim Verfassungsschutz die Abteilung Cyberabwehr auf. Nach der Attacke auf eine jüdische Synagoge in Halle und der Ermordung des CDU-Politikers Walter Lübcke im Jahr 2019 bekam sie die Leitung der Abteilung Rechtsextremismus und Terrorabwehr übertragen. Gegen den damaligen Innenminister Horst Seehofer (CSU) setzte sie hier die Einstufung der AfD als „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ durch, wogegen die AfD klagte und im März 2021 vor dem Verwaltungsgericht Köln scheiterte. Spätestens jetzt hatte Felor Badenberg in der Presse das Etikett „AfD-Jägerin“ weg.

Mit Felor Badenberg ist dem Berliner CDU-Chef Kai Wegner zweifellos ein Coup gelungen. Frau, Migrationshintergrund und parteiübergreifend respektiert – besser geht es kaum. Klarer als mit dieser Ernennung kann man sich wohl auch nicht gegen die AfD absetzen. Deren Behauptung, nur durch ihre Stimmen sei Wegner zum Regierenden Bürgermeister von Berlin gewählt worden, konterte Felor Badenberg denn auch gleich ganz cool, dass die AfD wohl keiner „AfD-Jägerin“ ins Amt verhelfe…

Frischer Wind für Berliner Justizbehörden

Bei den Berliner Justizbehörden hingegen dürfte sich die Begeisterung in Grenzen halten. Die letzten Justizsenatoren kamen von der Linkspartei (Lena Kreck (2021-2023) bzw. Bündnis 90/Die Grünen (Dirk Behrendt (2016-2021). Die neue Behördenchefin sagte nun in einem ihrer ersten öffentlichen Statements: „Aus meiner Sicht hat die Justiz die Aufgabe, die Bürger zu schützen und darf die Arbeit der Sicherheitsbehörden nicht auch noch zusätzlich erschweren“. Das klingt eher nach Law & Order-Politik für die leicht chaotische deutsche Hauptstadt.

Das politische Berlin spekuliert auch bereits darüber, was denn eine Beamtin motiviert haben könnte in die Politik zu wechseln, noch dazu auf einen politischen Schleudersitz. Die Regierung Wegner-Giffey wird, wenn überhaupt, nur bis 2026 im Amt sein, keine drei Jahre also. Aber vielleicht hat Felor Badenberg, so munkelt man, längerfristige politische Ambitionen.

Das würde auch zu einem ganz anderen Phänomen passen. Denn Felor Badenberg gehört zu der bemerkenswert großen Zahl von Deutschen mit Wurzeln im Iran, die in Deutschland politisch engagiert sind. Tatsächlich gibt es prozentual viel mehr Deutsch-Iraner in politischen Spitzenämtern in Deutschland als Vertreter der großen Immigrantengruppen, etwa der Türken, Kurden oder Italiener.

Dazu gehört etwa Omid Nouripur, heute Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen. 1975 in Teheran geboren, kam Nouripur im Alter von 13 Jahren mit seinen Eltern nach Deutschland und begann seine politische Karriere in Frankfurt am Main. Hier, in Deutschlands fünftgrößter Stadt, schaffte es auch die Grüne Nargess Eskandari-Grünberg in höchste Ämter, zuletzt (kommissarisch) sogar als Oberbürgermeisterin. Über ihre Geburt im Teheraner Evin-Gefängnis machte ihre Tochter Maryam Zaree den mehrfach ausgezeichneten Dokumentarfilm „Born in Evin“ (2019). Auf der politischen Gegenseite gibt es Bijan Djir-Sarai, den Generalsekretär der FDP, der 1976 in Teheran geboren wurde und 1987 nach Deutschland gekommen ist.

Yasmin Fahimi, Ex-SPD-Generalsekretärin und heute Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), kam 1967 in Hannover als Tochter einer deutschen Mutter und eines iranischen Vaters zur Welt. Eine deutsche Mutter und einen iranischen Vater hat auch Sahra Wagenknecht, die 1969 in Jena in der damaligen DDR geboren wurde.

Kein Politiker, aber sicherlich ein politisch engagierter „public intellectual“ ist der Köln gut bekannte Navid Kermani. In und um Köln leben Schätzungen zufolge fast 20.000 Menschen mit Wurzeln im Iran.


Buchhinweis

Alexander Clarkson
Die Macht der Diaspora
Die unbekannte Geschichte der Emigranten in Deutschland seit 1945
Propyläen Verlag 2022 (28,00 €)
(Darin ein Kapitel über die Iraner in Deutschland)