Berlin | Die politische Debatte um die Frage des Umgangs mit der aktuellen Flüchtlingssituation wird spitzer geführt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble fordert die rasche Umsetzung eines europäischen Asylrechtes, die CSU thematisiert den Familiennachzug und auch in der SPD werden Stimmen laut, die sich für eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen aussprechen. Ein Auszug aus der aktuellen Debatte.

Schäuble will europäisches Asylrecht innerhalb von Monaten

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich für die Einsetzung eines europäischen Asylrechts innerhalb der kommenden Monate ausgesprochen. „Wir brauchen ein europäisches Asylrecht und eine europäische Asylpolitik – und zwar schnell“, sagte Schäuble der „Welt“. Diese Politik müsse die Frage beantworten, wie man den Zugang zu Europa auch an seinen Außengrenzen so gestalten könne, „dass wir Flüchtlinge zwar weiterhin großzügig aufnehmen können. Aber wir dürfen uns dabei nicht in einen Zustand bringen, in dem Europa sich selbst zerstört“, warnte der Minister. „Deshalb müssen wir den Zugang nach Europa kontrollieren“, forderte Schäuble. Die Frage, ob man den Zustrom an Flüchtlingen und Arbeitsmigranten erfolgreich meistere, entscheide sich an den europäischen Außengrenzen.

„Hier brauchen wir schnelle und wirksame Lösungen.“ Schäuble sagte auch: „Die Lage ist schwierig. Sie könnte noch schlimmer werden.“

Ein europäisches Asylrecht müsse „eher eine Frage von Monaten denn von Jahren sein“. Für die Schaffung eines europäischen Asylrechts brauche man keine Vertragsänderung, stellte Schäuble klar. „Dafür gibt es im Lissabon-Vertrag bereits die Grundlage. Nur man muss es nun auch endlich machen.“ EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker habe dies begriffen, so Schäuble weiter. „Frankreich und Italien lassen sich dafür sicherlich genauso gewinnen wie hoffentlich Griechenland. Natürlich müssen wir auch mit den Osteuropäern sprechen – und dürfen nicht Ungarn immer nur in die Ecke stellen“, warnte der CDU-Politiker. „Die Ungarn haben den Druck auf die Außengrenze des Schengen-Systems auszuhalten.“ Zäune zum Schutz der europäischen Grenzen lehnt Schäuble ab: „Europa wird nach außen hin klar machen müssen, dass es seine Zugänge kontrolliert. Ein Europa der Zäune aber ist undenkbar.“ Zugleich bleibe die Botschaft weiterhin gültig: „Als Wohlstandsregion sind wir verpflichtet, uns um die Verfolgten und auch Armen in der Welt zu kümmern.“

Flüchtlinge: CSU für Beschränkung des Familiennachzugs

Trotz des Appells von Unionsfraktionschef Volker Kauder, nicht ständig neue Forderungen zur Verschärfung des Asylrechts zu erheben, sondern den Bürgern zunächst das gerade vereinbarte Gesetzespaket zu erklären, hat die CSU schon wieder eine neue Forderung unterbreitet: Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CSU) sprach sich in der „Süddeutschen Zeitung“ (Freitagsausgabe) für eine Begrenzung des Anspruchs der Flüchtlinge auf Familiennachzug. Singhammer verwies darauf, dass bisher 200.000 Syrer in Deutschland Zuflucht gefunden hätten. Nach Angaben des früheren Präsidenten des Bundesamts für Migration, Manfred Schmidt, würden im Durchschnitt je Flüchtling drei Familienangehörige einen Anspruch auf Nachzug geltend machen.

Allein daraus würde sich ein „Nachzugspotenzial“ nach Deutschland von 600.000 Menschen ergeben. Singhammer sagte der SZ, die Regierung müsse deshalb prüfen, wie der gesetzliche Anspruch auf Nachzug reduziert werden könne. Ansonsten drohe „eine Überforderung Deutschlands“.

Ziel müsse „es sein, den Nachzugsanspruch und die Aufnahmefähigkeit Deutschlands – beispielsweise bei Wohnraum und Schulen – in Übereinstimmung zu bringen“. Die Kernfamilie von anerkannten Flüchtlingen hat nach dem Aufenthaltsgesetz einen Anspruch auf Nachzug. Ehepartnerinnen und Ehepartner, minderjährige ledige Kinder und in Ausnahmefällen auch sonstige Angehörige können grundsätzlich einem in Deutschland lebenden Ausländer nach Deutschland folgen, um hier die familiäre Lebensgemeinschaft zu leben.
Der Familiennachzug zu einem anerkannten Flüchtling ist gegenüber dem übrigen Nachzug aufgrund der besonderen Situation von Schutzberechtigten aber in vielerlei Hinsicht – etwa bei der Sicherung des Lebensunterhaltes – privilegiert. Außerdem wird bei einem Nachzug zu einem Schutzberechtigten – angesichts der Situation im Heimatland – von den sonst geforderten Sprachnachweisen vor der Einreise abgesehen.

Mitglied der SPD-Fraktionsspitze für Begrenzung der Flüchtlingszahl

Die anhaltend hohen Flüchtlingszahlen lassen in Deutschland den Ruf nach einer Kursänderung in der Asylpolitik lauter werden: Nachdem bisher vor allem die CSU auf eine Eindämmung des Zustroms gedrängt hatte, fordert nun ein erstes Mitglied der SPD-Fraktionsspitze ein Ende der ungesteuerten Zuwanderung. „Wir sind am Limit“, sagte Vizefraktionschef Axel Schäfer der „Süddeutschen Zeitung“. „Die EU-Außengrenzen müssen möglichst dichtgemacht, das heißt gesichert und kontrolliert werden.“
Alle europäischen Länder müssten für diesen „Kraftakt“ zusammenarbeiten. „Eine ungesteuerte Zuwanderung wird sonst für Flüchtlinge, Behörden und die Bevölkerung nicht mehr tragbar.“ Damit steigt innerhalb der Koalition der Druck auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Sie setzt bislang darauf, dass die Zahl der Flüchtlinge hierzulande verringert werden kann, indem in Griechenland und Italien Aufnahmezentren, sogenannte Hot Spots, eingerichtet werden. Diese werden aber frühestens im November in Betrieb genommen werden können. Zudem sollen die Fluchtursachen bekämpft und die Türkei zu einer Steuerung der Migrationsbewegungen ermuntert werden. Beide Instrumente dürften aber keine schnellen Ergebnisse hervorbringen.

Autor: dts