Soll der Godorfer Hafen weiter ausgebaut werden?
Bereits am 19. Juni 2011 will Kölns Oberbürgermeister eine Bürgerbefragung um weiteren Ausbau des Godorfer Hafens durchführen. Über 776.000 Kölner wären dann laut Stadt stimmberechtigt. Die Frage will Roters wie folgt formulieren: Soll der Godorfer Hafen weiter ausgebaut werden? Über diesen Vorschlag soll der Rat in seiner nächsten Sitzung am 1. März 2011 entscheiden. Danach soll der Rat „sich im Sinne einer freiwilligen Selbstverpflichtung das Ergebnis der Bürgerbefragung bei künftigen Entscheidungen dann zu Eigen machen, wenn sich in der Befragung eine Mehrheit ergibt, die mindestens 20 Prozent der 776.471 teilnahmeberechtigten Bürger ab 16 Jahren beträgt“. Können sich weniger als 20 Prozent der Wahlberechtigten einigen, soll der Ratsbeschluss von vor der Befragung gelten. Im Klartext bedeutet das: Stimmen weniger als 155.295 Bürger gegen den Ausbau wird ausgebaut. „Damit handelt es sich um ein offenes, Verfahren. Beide Seiten, ganz gleich ob Hafenbefürworter oder Ausbaugegner, müssen für ihre Position eine ausreichende Stimmenzahl bei den Kölner Stimmberechtigten einwerben“, so Oberbürgermeister Jürgen Roters.

Bürgerbefragung schon am 19. Juni?
Auf Vorschlag des Oberbürgermeisters soll sich so die erste Bürgerbefragung in der Geschichte der Stadt Köln eng an die Regelungen der Kölner Satzung zur Durchführung von offiziellen Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden anlehnen. Das heißt, alle Kölner, die kommunalwahlberechtigt sind und die am Stichtag 3. Juni 2011 das 16. Lebensjahr vollendet und in Köln seinen Hauptwohnsitz haben, dürfen mit abstimmen. Für die Wahl wird das Stadtgebiet wieder in 215 Stimmbezirke eingeteilt. Am 19. Juni könnten die Wähler dann in Befragungslokalen ihre Stimme abgeben. Das Votum kann aber auch per Briefbefragung ab dem 30. Mai 2011 oder auch in den Bürgerämtern und in der Organisationszentrale, Athener Ring 5 in Chorweiler, direkt abgegeben werden. Ab dem 23. Mai 2011 erhielten die Teilnahmeberechtigten ihre Unterlagen für die Befragung.

Außerdem erhielten alle Haushalte eine umfangreiche Informationsschrift. Darin werden alle Verfahrensschritte sowie Informationen zum Projekt und der aktuelle Sachstand dargestellt. Zudem können in der Schrift alle Fraktionen und Einzelmandatsträger im Rat ihre Position darstellen, ebenso die Befürworter und Gegner des Ausbaus. Oberbürgermeister Jürgen Roters erläutert die Haltung der Verwaltung. Insgesamt rechnet die Verwaltung mit Kosten von knapp über eine Million Euro für diese Bürgerbefragung.

Quorum soll Bürgerwillen sichern
Derzeit gibt es für derartige Bürgerbefragungen keine rechtlichen Vorgaben. Die Entscheidung der Bürger selbst kann daher den Ratsbeschluss auch noch nicht kippen. Der Rat kann vorab allerdings, wie von Oberbürgermeister Jürgen Rotes vorgeschlagen, sich freiwillig dazu verpflichten, der Mehrheit der Bürger zu folgen. Weil es keine rechtlichen Vorgaben gibt, kann die Stadt daher auch die Rahmenbedingungen selbst festlegen. Oberbürgermeister Jürgen Roters wirbt mit seiner Vorlage nun für ein so genanntes Qurom. So will er sicher stellen, dass sich eine verlässliche Willensbildung der Bürger herleiten lässt, so Roters. Verhindert werden soll so, dass bei der Befragung  "eine aktive Minderheit nicht gegen den Mehrheitswillen durchsetzt, weil insgesamt die Beteiligung zu gering ausgefallen ist", heißt es in einem Schreiben der Stadt.

Zum Hintergrund
Der Kölner Rat hatte im August 2007 sich in einem Grundsatzbeschluss für den Ausbau des Hafens Godorf ausgesprochen, ein entsprechendes Planfeststellungsverfahren wurde eingeleitet. Ende November 2007 wurde der Stadt ein Bürgerbegehren „Kein Ausbau des Godorfer Hafens“ zwar mit einem ausreichend Quorum übergeben. Da sich das Bürgerbegehren allerdings gegen ein planungsrechtliches Verfahren richtete, für das „Bürgerbegehren“ nicht zulässig sind, konnte das Verfahren nicht eröffnet werden. Das wurde auch durch das Verwaltungsgericht Köln bestätigt. Unabhängig von diesem Verfahren hat das Verwaltungsgericht Köln die Arbeiten zum Ausbau des Godorfer Hafens aus formellen Gründen vorläufig gestoppt und den Planfeststellungsbeschluss aufgehoben. Die Entscheidung stützte das Gericht darauf, dass die Bezirksregierung im Planfeststellungsverfahren sachlich nicht zuständig gewesen sei. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat im Juli 2010 den vorläufigen Baustopp bestätigt. Das Urteil in der Hauptsache steht noch aus. Dem Beschluss ist jedoch laut Stadt bereits jetzt eindeutig zu entnehmen, dass es aus Sicht des Gerichts für einen weiteren Ausbau des Hafens einer neuen Planfeststellung nach Wasserhaushaltsgesetz, einer Planfeststellung nach Allgemeinem Eisenbahngesetz, eines Bebauungsplanverfahrens sowie weitere Genehmigungsverfahren bedarf.

Stimmen zu der Ratsvorlage
Andreas Feld, Vorsitzender des FDP-Stadtbezirksverbands Köln-Süd/Rodenkirchen: „Die Ratsvorlage des Stadtvorstands ist eine große Enttäuschung. Die Forderungen nach einem fairen Verfahren werden ignoriert und damit eine einmalige Chance für echte Bürgerbeteiligung vertan. Alle Wählerstimmen sind gleich, manche Wählerstimmen sind gleicher. Nach diesem Motto ist die Bürgerbefragung jetzt leider konzipiert. Das Quorum gilt in Wahrheit nur für die Ausbaugegner, nicht aber für die Befürworter. So soll der Hafen selbst dann ausgebaut werden, wenn es keine einzige Stimme für den Ausbau gibt und 155.000 Kölner Bürger gegen einen Ausbau votieren. Dies ist der Fall, weil der Ausbaubeschluss des Rates von 2007 weiter gelten soll, wenn in der Befragung kein Quorum erreicht wird. Es ist absurd, ein solches Verfahren als offen und fair zu bezeichnen. Sein Ziel ist offensichtlich: Eine erfolgreiche Bürgerbeteiligung gegen den Hafenausbau soll verhindert werden.“

Alexander Slonka, Landesgeschäftsführer der Initiative „Mehr Demokratie“: „Die Übernahme des Verfahrens für Bürgerentscheide dokumentiert die Ernsthaftigkeit des Vorhabens. Die dafür in der Gemeindeordnung festgelegten Regeln sind für Großstädte wie Köln aber untauglich. Folge dieser Wirkung des Quorums ist, dass die Beteiligung an der Bürgerbefragung niedriger sein wird, als sie es ohne Abstimmungshürde sein würde.“ Kritik übt Mehr Demokratie auch am Abstimmungstermin noch vor den Sommerferien. „Weder ist die Klage gegen das Planfeststellungsverfahren vom Oberverwaltungsgericht in Münster abschließend behandelt, noch liegt das in Auftrag gegebene Logistik-Konzept für die Stadt den Bürgern als Entscheidungsgrundlage vor“, bemängelte Slonka.


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