London | Großbritanniens Premierministerin Theresa May hat am Dienstagmittag an ihrem Amtssitz in London überraschend angekündigt, vorgezogene Neuwahlen des Parlaments für den 8. Juni zu planen. Die sei die einzige Möglichkeit, um Stabilität in den kommenden Jahren zu gewährleisten, sagte May nach einer regulären Kabinettssitzung. Das Unterhaus soll am Mittwoch darüber abstimmen.

Für die Durchführung von Neuwahlen wird eine Zweidrittelmehrheit benötigt. Großbritannien hatte erst Ende März formell den Antrag zum Austritt des Landes aus der Europäischen Union gestellt. Die Verhandlungen dazu sollen bald beginnen.

Ausgangspunkt für den Brexit war ein Referendum vom Juni 2016, in dem 51,89 Prozent der britischen Wähler für den EU-Austritt des Vereinigten Königreichs stimmten.

Labour-Chef Corbyn begrüßt Mays Neuwahl-Pläne

Der Parteivorsitzende der britischen Labour Party, Jeremy Corbyn, hat die Pläne von Großbritanniens Premierministerin Theresa May begrüßt, Neuwahlen für den 8. Juni anzusetzen. Er unterstütze die Entscheidung, der britischen Bevölkerung die Chance zu geben, eine Regierung zu wählen, welche die Interessen der Mehrheit vertrete, teilte Corbyn am Dienstag über Facebook und Twitter mit. Zuvor hatte May ihre Entscheidung für vorgezogene Parlamentswahlen damit begründet, dass dies die einzige Möglichkeit sei, um Stabilität in den kommenden Jahren zu gewährleisten.

Gerade in Bezug auf die bevorstehenden Brexit-Verhandlungen benötige sie die Rückendeckung des Parlaments. Das britische Unterhaus soll am Mittwoch über die vorgezogenen Parlamentswahlen abstimmen. Für die Durchführung benötigt May eine Zweidrittelmehrheit. Mit der Zustimmung der Labour Party gilt die Zustimmung des Parlaments als wahrscheinlich.

Lambsdorff: May nutzt „eklatante Schwäche“ der Labour-Partei aus

Alexander Graf Lambsdorff (FDP), Vizepräsident des Europäischen Parlaments, hält die Ausrufung von Neuwahlen durch die britische Premierministerin Theresa May für nachvollziehbar. „Mit der Ausrufung von Neuwahlen strebt Theresa May eine Bestätigung des Brexit-Kurses an. Außerdem nutzt sie die eklatante Schwäche der Labour-Partei aus, die in einem desolaten Zustand ist“, sagte Lambsdorff der „Heilbronner Stimme“ (Mittwochsausgabe).

„Labour hat sich einen linksradikalen Vorsitzenden gegeben, quasi eine Mischung aus Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine. Das hat die Partei ruiniert.“ Der Europapolitiker fügte hinzu: „Theresa May versucht, die Herrschaft der Konservativen auf Jahre hinaus zu zementieren. Sie selber ist bisher nur vom Parlament bestätigt. Es ist also sehr nachvollziehbar, dass sie sich nun ein Mandat in einer Wahl geben lassen möchte.“

Gabriel ruft Briten nach Neuwahl-Entscheidung zu Berechenbarkeit auf

Außenminister Sigmar Gabriel hat Großbritannien nach der Neuwahl-Entscheidung von Premierministerin Theresa May zur Berechenbarkeit ermahnt. „Jede längere Ungewissheit tut den politischen und den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Europa und Großbritannien sicher nicht gut“, sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Hoffentlich können die von Premierministerin May heute angekündigten Neuwahlen zu mehr Klarheit und Berechenbarkeit führen in den Verhandlungen mit der Europäischen Union.“

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