Köln | Irgendwo auf der Kempener Straße in Köln, zwischen Nippes und Bilderstöckchen liegt das Handwerkerinnenhaus. Hier gehen tagtäglich Frauen ein und aus. Report-K hat nachgeforscht, was genau hinter den Kulissen geschieht und warum immer mehr Frauen über das Handwerkerinnenhaus reden.
Die Glühbirne zum Leuchten bringen
Neben einer Glühbirne liegt die dazugehörige Fassung. Daneben liegt ein abgeschnittenes Kabel. Zu guter Letzt gibt es noch einen einfachen Stecker ohne Kabel. „Bitte einmal zusammenbauen!“ heißt es von der Kurs Leiterin Antje. 8 Frauen haben sich hier heute zusammengefunden, um neben weiteren spannenden Reparaturen, eine Glühbirne zum Leuchten zu bringen. Manch einer mag sagen, dass sei doch einfach. Die Frauen müssen jedoch alle Einzelteile, inklusive Kabel, Stecker, Lüsterklemme und Fassung selbst zusammenbauen. Und zwar so, dass es am Ende keinen Kurzschluss gibt. Der 5-stündige Kurs wird vom Handwerkerinnenhaus mehrmals im Jahr angeboten und heißt „Reparaturen im Haushalt“. Hier können Frauen lernen, was sie im Haushalt so alles selbst reparieren können. Das Angebot ist vielfältig: Vom Anbringen einer Lampe, bis hin zum Fernseher an der Wand befestigen. An jedem Kurs können maximal 8 Frauen teilnehmen.
Es gibt neben den Reparatur-Kursen weitere Kurse, die von neugierigen Frauen entdeckt werden können. Es ist egal, wie lange gebraucht wird, um die Glühbirne zum Leuchten zu bringen oder wie oft der falsche Dübel ausgewählt wird. Die Kurse sind dafür da, um zu lernen handwerklich selbst zu arbeiten und um über sich hinauszuwachsen.
Der Arbeitsprozess zum Erfolgserlebnis
Jeder Reparaturkurs ist in 2 Teile aufgeteilt: Ein Teil beschäftigt sich mit „Bohren und Befestigen“. Hier können Teilnehmerinnen alles über Dübel, Bohrer, Materialien und Akkuschrauber lernen. Der zweite Teil heißt „Elektro“. Hier wird erklärt, was Frau zuhause selbst machen kann, ohne sich professionelle Hilfe zu holen. Die Frauen erhalten zu Beginn der Lerneinheit jeweils ein Handout, welches sie mit nach Hause nehmen können.
Es ist 14 Uhr und der letzte Teil des Kurses beginnt. Die Frauen, die an dem Kurs teilnehmen, bekommen alle ein abgeschnittenes Stück Kabel. Zunächst muss der Isoliermantel von den 3 Kabeln im Inneren getrennt werden. Ist das passiert, wird auch ein Stück der jeweils blauen, braunen und gelb-grünen Isolierung entfernt. Dies kann händisch oder mithilfe eines speziellen Geräts geschehen. Viele Frauen versuchen es zunächst händisch – mit Erfolg. Anschließend sollen die Kupferkabel mit einer Lüsterklemme verbunden werden. Das ist ziemliche Nervenarbeit, da die Kabel sehr klein und unhandlich sind und auch die Öffnungen der Lüsterklemmen sehr klein sind. Letztendlich schafft es aber jede Teilnehmerin.
Als nächstes teilt Antje Glühbirnen-Fassungen aus, die ebenfalls mit der Lüsterklemme verbunden werden sollen – Blaues Kabel zum Blauem Kabel und Braunes Kabel zu Braunem Kabel. Dieser Teil dauert bei den meisten Teilnehmerinnen am längsten, da hier viel Geduld und Fingerspitzengefühl gefordert ist. Antja steht jederzeit für Fragen zur Seite und beobachtet die Fortschritte der Frauen. Ist der Schritt geschafft, kommt nun der Teil dazu, der das Kabel mit der Steckdose verbindet: Der Stecker. Um die Glühbirne zum Leuchten zu bringen, muss das Kabel mit dem Stecker verbunden werden. Wichtig ist: Das Erdungskabel muss in die Mitte! Das haben sich alle schnell merken können. Die ersten, die fertig sind versuchen ihr Glück und stecken das Selbstgebaute in die Steckdose. Und siehe da: Der Stromkreis wird geschlossen, die Glühbirne leuchtet! Das Erfolgserlebnis wiederholt sich von Teilnehmerin zu Teilnehmerin.
Korinna, die zum ersten Mal bei einem der Kurse dabei ist, erklärt, dass sie vor Kurzem umgezogen ist und nicht mehr auf die Hilfe anderer angewiesen sein möchte. Sie wolle Dinge selbst in die Hand nehmen und habe sich daher dazu entschieden den Kurs des handerkerinnen Hauses zu besuchen. Eine andere Teilnehmerin, Fatemeh, möchte Männern zeigen, dass auch Frauen handwerklich geschickt sind und mit Werkzeugen umgehen können.
Neben den Reparaturkursen werden weitere Kurse wie etwa den Goldschmieden, das Weidenkorbflechten, KFZ-Pannenhilfe oder das Schrottschweißen angeboten.
Das Handwerkerinnenhaus Köln
Das Handwerkerinnenhaus wurde 1989 gegründet. Das Projekt startete damals als ein Stammtisch von Frauen mit handwerklicher Ausbildung. Die Frauen hatten Probleme einen Job zu finden, da vor allem in dieser Zeit Vorurteile gegen Frauen in Handwerksberufen sehr ausgeprägt waren. Schließlich fanden sie eine Möglichkeit ihrer Leidenschaft nachzugehen. Unter den damaligen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Agentur für Arbeit führte sie Renovierungsarbeiten in sozialen Einrichtungen, wie etwa Frauenhäusern in Köln durch. Mitte der 1990er Jahre zogen sie in das große Holzhaus auf der Kempener Straße ein, wo das Handwerkerinnenhaus bis heute seinen Sitz hat. Mit der Mission mehr Frauen für das Handwerk zu begeistern und selbst als Vorbilder gesehen zu werden, starteten die Handwerkerinnen die Projekte, die bis heute noch erfolgreich sind und eine hohe Nachfrage mit sich bringen.
Die Arbeit mit Jugendlichen als Hauptbestandteil
Die Frauen-Handwerks-Kurse sind im Handwerkerinnenhaus ein Nebenstandbein. Im Vordergrund steht ein Projekt zur Jugendhilfe mit dem Namen „Mädchenprojekt Zukunft“. Das Projekt besteht aus 3 Bausteinen.
Die Pfiffigunde
Der erste Teil nennt sich „Pfiffigunde“. Hier arbeitet das Handwerkerinnenhaus mit Mädchen, die die 5. Bis 10. Klasse besuchen und erste Anzeichen von Schulmüdigkeit aufweisen. Konkret sind es Schülerinnen, die etwa abwesendes Verhalten aufzeigen, im Unterricht stören oder unter Leistungsabfall leiden. Pro Schuljahr gibt es 5 Kurse mit je 8 Plätzen. Diese Kurse werden in festen Gruppen von einer Tischlerin mit pädagogischer Qualifikation und einer Sozialpädagogin angeleitet. Die Teilnehmerinnen lernen während des Kurses verschiedene Werkzeuge und Maschinen kennen und arbeiten anschließend an verschiedenen Werkstücken. Während des Prozesses lernen die Mädchen sich selbst zu reflektieren und neue Perspektiven zu entwickeln. Das Ziel des Kurses ist es, dass die Schülerinnen Schlüsselqualifikationen wie Ausdauer und Konzentration erlernen. Zusätzlich erhöht sich die Frustrationstoleranz und im bestmöglichen Fall baut sich eine Motivation zum Schulabschluss auf. Das Handwerkerinnenhaus arbeitet hier mit verschiedenen Schulen in Köln.
Die Kneifzange
Der zweite Baustein heißt „Kneifzange“. Das Angebot richtet sich an junge Mädchen im 9. Oder 10. Schuljahr aus Förder- oder Gesamtschulen, die aufgrund verschiedener Situationen über einen längeren Zeitraum den Schulbesuch verweigert haben. Der Kurs ist ausgelegt für 9 Mädchen. Die Teilnehmerinnen erhalten einen Stundenplan, der Grundbausteine wie etwa Mathe, Deutsch, Englisch und auch Werkunterricht vorsieht. Die Schülerinnen können hier ein Jahr lang Lernstoff nachholen, eine Lernbereitschaft aufbauen, ihr Konzentrationsvermögen steigern und neue berufliche und soziale Perspektiven entwickeln. Zu guter Letzt können die Mädchen beim Handwerkerinnenhaus den Hauptschulabschluss machen.
Holly Wood
Der letzte Teil nennt sich „Holly Wood“. Die Zielgruppe sind junge Frauen und Mädchen aus allen Schulformen und unterschiedlichsten Lebenssituationen, die sich beruflich umorientieren möchten. Hier gibt es verschiedene Kurse, je nach Alter und Dauer des Kurses. Die Vielfalt der Angebote reicht von einem ganzen Schuljahr bis zu eintägigen Kursen. In der praktischen Arbeit in den Kursen können Frauen und Mädchen ungeahnte Talente und eigene Stärken entdecken. Somit können die Teilnehmerinnen automatisch ihr Berufswahlspektrum erweitern.