Köln | Die Anzahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge für das am 1. August gestartete Ausbildungsjahr im Bezirk der Handwerkskammer zu Köln sank um rund sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Gleichzeitig steigt die Zahl der unbesetzten Lehrstellen in der Region Köln-Bonn. Nach Schätzungen der Kölner Handwerkskammer liegt sie derzeit bei 600 und 800 Stellen. Spezielle Angeboten wie eine Hotline oder auch eine Lehrstellenplattform im Internet sollen nun freie Stellen aufzeigen und an „Last-Minute“-Bewerber vermitteln. Auch im Hinblick auf den doppelten Abiturjahrgang in diesem Jahr bemüht sich die Kammer, die Ausbildung im Handwerk  bei Abiturienten als Alternative zum Studium zu bewerben.    

 Zum Thema doppelter Abiturjahrgang bemerkte Ortwin Weltrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer zu Köln, dass man seitens des Wissenschaftsministeriums im Vorfeld argumentiert habe, man sei auf den stärkeren Ansturm an Bewerbern vorbereitet, es würden keine Engpässe bestehen. Nun sei genau das eingetreten, was man aus Sicht der Handwerkskammer immer befürchtet und prognostiziert habe, so Weltrich. Fächer wie Rechtswissenschaften oder auch Betriebswirtschaftslehre seien nur für Abiturienten mit einem sehr guten Abiturschnitt von 1,3 oder besser vorbehalten. Die Erklärungen seitens des Wissenschaftsministeriums, man sei auf den höheren Andrang von Abiturienten vorbereitet, hätten sich nicht bewahrheitet. Nun sei es wichtig, Jugendlichen, die in diesen Tagen ihre Absagen von den Hochschulen erhielten, Alternativen aufzuzeigen.

Dabei versäumten es laut Weltrich viele Gymnasien im Vorfeld, bei der Beratung künftiger Schulabgänger auf das Handwerk als Alternative zum Hochschulstudium hinzuweisen. Er spricht in diesem Zusammenhang von einer Fehlsteuerung in Nordrhein-Westfalen. Obwohl man den Anteil an Abiturienten unter den Azubis in Handwerksberufen von 8,5 Prozent im Vorjahr auf 15,7 Prozent im aktuellen Ausbildungsjahr habe steigern können, genieße das Handwerk noch immer ein schlechtes Image bei Schülern an Gymnasien. Diese strebten mehrheitlich ein Hochschulstudium an. Dabei habe man, vor allem durch die Weiterbildung zum Handwerksmeister, die Chance auf Übernahme eines Betriebes beziehungsweise eine Beschäftigung in einer leitenden Position, was auch vom Verdienst durchaus lukrativ sei und mit dem Einstiegsgehalt eines Akademikers gleichzusetzen sei. Ebenfalls biete die Handwerkskammer zu Köln mit der trialen Ausbildung – einer Kombination aus Bachelor-Studium, Berufsausbildung und Meisterschule – eine echte Alternative zu einem Studium an einer Hochschule, bei dem hinterher nicht automatisch gesichert sei, eine gute Anstellung zu finden. Demgegenüber gebe es im Kölner Kammerbezirk so gut wie keinen arbeitslosen Handwerksmeister, so Weltrich.

Nachdem die Kölner und Bonner Hochschulen nun ihre Zusagen und Absagen für das kommende Wintersemester an die Bewerber versenden, soll dieser Mangel an Information beseitigt werden, indem man den Studienberatern der Hochschulen in der Region Berufsberater der Kölner Handwerkskammer zur Seite stellen will. Gespräche über das gezielte Vorgehen finden im Moment laut Arik Werle, Leiter der Ausbildungsberatung der Kammer, mit den jeweiligen Hochschulen statt, genauere Angaben zu Art und Umfang der Beratung könne er derzeit jedoch noch nicht machen. Die Hochschulen seien bisher mit der Bearbeitung der Bewerbungen beschäftigt gewesen.

Auch online will man auf noch unbesetzte Lehrstellen aufmerksam machen: In der Lehrstellenbörse der Handwerkskammer zu Köln sind derzeit rund 200 dieser Stellen gemeldet. Hiervon sind aktuell 46 freie Stellen im Bereich Sanitär-Heizung-Klima zu vergeben, 20 aus dem Bereich Elektronik und Elektrotechnik, ebenso wie 13 Frisörberufe sowie 13 Ausbildungsstellen im Beruf des Dachdeckers, sowie zahlreiche andere Berufsbilder. Da nur ein Teil der Unternehmen der Kammer ihre Angebote für diese Internet-Plattform mitteile, schätze man die Zahl der tatsächlich freien Lehrstellen auf das Drei- bis Vierfache. „Das wären dann 600 bis 800 freie Stellen“, so Weltrich.  Auch in den bei Abiturienten besonders beliebten Ausbildungsberufen wie Augenoptiker, Zahntechniker, Hörgeräteakustiker gebe es freie Ausbildungsplätze, so Weltrich.

Um die Ausbildungsvermittlung weiter zu intensivieren, wird die Kammer in der Zeit vom 15. bis 30. August eine Telefon-Hotline einrichten. Über die Hotline sollen Jugendliche, die noch auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz sind, mit der Ausbildungsvermittlung der Kammer Kontakt aufnehmen können. So will die Kammer noch kurzfristig nach Ausbildungsstellen für das laufende Ausbildungsjahr vermitteln. Für die Veranstaltung unter dem Namen „Tag des Handwerks“, die am 21. September auf dem Kölner Heumarkt stattfinden soll, plant die Kammer eine spezielle Abiturientenberatung anzubieten. So soll es auch denjenigen Studienbewerbern, die noch auf einen Studienplatz im sogenannten Nachrückverfahren warten, ermöglicht werden, noch bis in den Oktober hinein eine Ausbildung im Handwerk zu beginnen.

Neben den Abiturienten geht die Handwerkskammer zu Köln seit einigen Monaten gezielt auf eine weitere Zielgruppe, nämlich Jugendliche aus Familien mit Migrationshintergrund ein. Hierfür seien laut Weltrich bereits mehrsprachige Ausbildungsbörsen in Köln und Bonn durchgeführt worden. Im Frühjahr sei zudem die Fachstelle „Integration durch Ausbildung im Handwerk“ (IDAH) gegründet worden, die Jugendliche aus Zuwandererfamilien für eine Ausbildung im Handwerk gewinnen soll.
 
 

Autor: Daniel Deininger
Foto: Ortwin Weltrich und Arik Werle (vlnr.)