Berlin | aktualisiert | Politiker von Union und FDP haben laut eines Zeitungsberichts heftig auf Sozialismus-Thesen und Enteignungs-Ideen des Juso-Chefs Kevin Kühnert reagiert: Kühnert hatte dies gegenüber der „Zeit“ am Beispiel des Autokonzerns BMW erläutert.

„Zum Glück haben wir den Sozialismus überwunden, bei dem zwar alle gleich, aber alle gleich arm waren. Die Forderung, Betriebe wie BMW zu kollektivieren, zeigt das rückwärtsgewandte und verschrobene Retro-Weltbild eines verirrten Fantasten. Das kann ich alles gar nicht ernst nehmen“, sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) der „Bild-Zeitung“ (Donnerstagsausgabe). Die SPD müsse „dringend ihr Verhältnis zum Eigentum klären und Herr Kühnert das Godesberger Programm statt Karl Marx lesen. Wir Freien Demokraten werden die Soziale Marktwirtschaft gegen solche sozialistischen Auswüchse verteidigen“, sagte FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg der Zeitung.

Kritik kam auch vom stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Thomas Strobl, der Deutschlands Linke generell auf dem Irrweg sieht. „30 Jahre nach dem Niedergang der DDR wollen die Linken wieder den `demokratischen Sozialismus`. Erst spricht Grünen-Chef Habeck von Enteignungen, jetzt kommen diese Stimmen auch aus der SPD und von der kommunistischen Linken sowieso“, sagte Strobl der „Bild-Zeitung“.

Für die CDU sei die „soziale Marktwirtschaft kein Kapitalismus, sondern Teil unserer Erfolgsgeschichte und vor allem Teil der Lösung der vor uns liegenden Herausforderungen“. Man stehe „uneingeschränkt für Rechtsstaat, für parlamentarische Demokratie, für soziale Marktwirtschaft – schlicht: für unsere freiheitliche Staats- und Wirtschaftsordnung. Das gilt offensichtlich für Teile der Grünen und der SPD so nicht mehr“, so der CDU-Politiker weiter.

Verband der Jungen Unternehmer: Kühnert träumt von „DDR 2.0“

Die Bundesvorsitzende des Verbands der Jungen Unternehmer, Sarna Röser, hat den Sozialismus-Vorstoß des Juso-Bundesvorsitzenden Kevin Kühnert scharf kritisiert. „Der Vorstoß von Kevin Kühnert zeigt ganz klar, dass er von einer DDR 2.0 träumt“, sagte Röser am Donnerstag dem Fernsehsender n-tv. „Kühnert will ja 30 Jahre nach dem Ende der DDR, Schlagwörter wie `Enteignung` und `Kollektivierung` wieder populär machen und dabei klammert er wirklich die Geschichte komplett aus.“

Man wisse aus der Geschichte, dass Sozialismus und Planwirtschaft gescheitert seien. „Das sehen wir an der DDR damals, an Venezuela und wenn er wirklich so weiter macht, dann wird er vielleicht Schlagzeilenkönig in seiner Berliner WG-Küche, aber niemals ein seriöser Politiker“, so Röser weiter. Die Aussagen des Juso-Chefs machten deutlich, dass sie unqualifiziert seien.

Stattdessen zeigten sie die Notwendigkeit der Einführung eines bundesweiten Schulfachs Wirtschaft. „Wenn Kevin Kühnert ein solches Schulfach hätte genießen können, hätte er auch wirklich begriffen, was soziale Marktwirtschaft, was Freihandel und was Globalisierung zur Entwicklung unserer Gesellschaft beigetragen haben“, sagte die Verbandschefin.

SPD-Wirtschaftsforum fordert Parteiausschluss von Kühnert

Der Präsident des SPD-Wirtschaftsforums und langjährige Chef des TUI-Konzerns, Michael Frenzel, hat den Parteiausschluss von Juso-Chef Kevin Kühnert gefordert. Kühnerts Äußerungen zur Vergesellschaftung von Unternehmen und Wohnungseigentümern seien „eine Steilvorlage, die SPD in die Nähe der alten SED zu rücken und uns von der Mitte weiter zu entfremden“, sagte Frenzel dem „Handelsblatt“ (Freitagsausgabe). SPD-Chefin Andrea Nahles müsse dazu klar Stellung beziehen.

„Kühnert phantasiert und zerstört die Grundwerte des Godesberger Programms“, sagte Frenzel. „Es gibt nur eine Reaktion: ein Parteiausschlussverfahren“, ergänzte der Präsident des Wirtschaftsforums.

Linker SPD-Flügel verteidigt Kühnert

Der Chef der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion, Matthias Miersch, hat den Debattenvorstoß von Juso-Chef Kevin Kühnert zur Kollektivierung von Unternehmen verteidigt. „Wir müssen in Deutschland politische Debatten und Diskurse führen und aushalten“, sagte Miersch der „Rheinischen Post“ (Freitagsausgabe). Es müsse doch Markenzeichen von Nachwuchsorganisationen sein, frei zu diskutieren.

„Dass wir dem Markt stärkere Regeln geben müssen, liegt auf der Hand. Das sehen wir beim Thema Wohnungsnot genauso wie in der Arbeitswelt, zum Beispiel bei den Paketzustellern“, sagte Miersch.

Union verlangt nach Kühnert-Äußerungen „klare Worte“ von SPD-Spitze

Joachim Pfeiffer (CDU), wirtschaftspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, hat angesichts der Äußerungen von Juso-Chef Kevin Kühnert „klare Worte“ von der SPD-Spitze gefordert. „Wenn in diesem Land Leute wie Herr Kühnert mit der höchsten Qualifikation Abitur und Führerschein über Enteignungen und Verstaatlichungen herumschwadronieren und auch noch Resonanz finden, dann läuft etwas falsch“, sagte Pfeiffer dem „Handelsblatt“ (Freitagsausgabe). „Dem schleichenden Marsch in den Sozialismus, der hier hoffähig gemacht werden soll, gilt es entschieden entgegenzutreten“, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete.

„Privateigentum ist konstitutiv und der Erfolgsgarant für die Soziale Marktwirtschaft und die Demokratie in Deutschland“, ergänzte er.

Ziemiak: Kühnert hat „Boden des Grundgesetzes verlassen“

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak hat sich „fassungslos“ über die Äußerungen von Juso-Chef Kevin Kühnert zur Kollektivierung und zum Besitz von Mietwohnungen geäußert. „Kevin Kühnert hat den Boden des Grundgesetzes verlassen. Ich bin fassungslos über den Zustand der ehemaligen Volkspartei SPD“, sagte Ziemiak der „Rheinischen Post“ (Freitagsausgabe).

Man lebe in einer „sozialen Marktwirtschaft“ und müsse „darüber sprechen wie mehr Menschen zu Wohlstand kommen, und nicht darüber sprechen, wie man Menschen enteignet und dass sie keine vermieteten Wohnungen mehr besitzen dürfen“. Der Juso-Chef stehe für einen radikalen linken Kurs der SPD, der offensichtlich viel Unterstützung findet, kritisierte Ziemiak weiter. „Mir fehlt im 30. Jahr nach dem Fall der Mauer das Verständnis, wenn junge Menschen nicht verstanden haben, dass Sozialismus zu Unfreiheit, Misswirtschaft und Armut führt.“

IW-Wissenschaftsleiter bezeichnet Kühnert-Äußerungen als „Tabubruch“

Der Leiter des Wissenschaftsbereichs beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, Hans-Peter Klös, hat die Aussagen von Juso-Chef Kevin Kühnert zur Kollektivierung und zum Besitz von Mietwohnungen als einen „Tabubruch“ bezeichnet. „Es ist eine gesellschaftliche Polarisierungsdebatte, die in dieser Forderung nach Kollektivierung und auch Verstaatlichung eine neue Wegmarke zeichnet, die wir in dieser Form bislang nicht gehabt haben. Und die soziale Marktwirtschaft als Unterart des Kapitalismus zu bezeichnen verkennt dieses Leitbild für Deutschland seit 60 Jahren“, sagte Klös am Donnerstag dem Fernsehsender n-tv.

Auf die Frage, ob die Debatte zeige, dass man ein Problem habe, sagte er: „Ich glaube die Wahrnehmung der Bevölkerung der eigenen Situation ist eigentlich gut.“ Aber die Wahrnehmung dessen, „was drum herum passiert“, deute auf „Unzufriedenheitspotential“ hin. „In Frankreich haben wir eine Gelbwesten-Debatte, wir haben hier eine Debatte um die Enteignung im Wohnungsbau, die ja ein Vorbote der von Herrn Kühnert nun geführten Debatte ist“, so der IW-Wissenschaftsleiter weiter.

Auf die Frage, was Enteignungen für die deutsche Wirtschaft bedeuteten würden, sagte er: „Enteignung ist zunächst mal nicht kompatibel mit dem Grundgesetz.“ Man habe einen „grundgesetzlichen Schutz des Privateigentums“. Im Osten Deutschlands habe man „viele Jahre und Jahrzehnte Erfahrungen sammeln müssen mit der Abwesenheit von Privateigentum“, sagte Klös dem Fernsehsender n-tv.

Das Ergebnis habe man gesehen: „Ein ökonomisches Desaster“. Man müsse „diese Polarisierungsdebatte ernst nehmen“ und den „Ursachen nachgehen, warum das so ist“. Im Kern müsse man „wahrnehmen, dass Deutschland noch nie sozialer war als heute, weil der Anteil der Sozialausgaben am Inlandsprodukt noch niemals höher war“, so der IW-Wissenschaftsleiter weiter.

Autor: dts