Köln | Bundesweit – so der DGB – nahmen 400.000 Menschen an den Kundgebungen zum 1. Mai teil. 8.000 waren es danach in Köln auf dem Heumarkt – so viele wie lange nicht mehr. Die Hauptreden hielten Kölns DGB-Vorsitzender Witich Roßmann und der Düsseldorfer Professor und Arbeitsforscher Steffen Lehndorff. Der Tag stand unter dem Motto „Europa. Jetzt – aber richtig!“.

Kölns DGB–Chef Witich Roßmann war der Hauptredner bei der Kundgebung zum 1. Mai.

Kölns DGB-Chef Witich Roßmann blickte in seiner Rede – in Gewerkschaftskreisen nennt man den Vortrag wohl kämpferisch – zunächst auf ein erfolgreiches Jahr zurück. Dazu zählte er die Rückkehr zur paritätischen Krankenversicherung, aber auch die Tarifverhandlungen von Verdi für den öffentlichen Dienst der Länder und der Gewerkschaften IG BCE und IG Metall. Als besonders wichtig wertete Roßmann, dass Metaller und Eisenbahner künftig zwischen Geld und kürzeren Arbeitszeiten wählen können.

Kölns DGB-Chef fordert Mindestlohn von 12 Euro

Von der Öffentlichkeit weniger beachtet waren die erfolgreichen Streiks etwa bei Coca Cola oder Tuffi. Noch nicht abgeschlossen ist der Arbeitskampf in der Druckindustrie und bei den Gebäudereinigern. Ein Skandal sei es, dass immer noch keine gleiche Bezahlung für Männer und Frauen erreicht sei. Ebenso gelte es, die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen durchzusetzen sowie einen Mindestlohn von 12 Euro. Ein besonderes Augenmerk richtete der Gewerkschafter auf den Wohnungsmarkt.

„Wohnungen ist Menschenrecht, das weder dem Markt noch privaten Renditeinteressen großer Wohnungsbaukonzerne geopfert werden darf“, appellierte er auch an die Kölner Politiker und forderte unter anderem, dass im Neubaugebiet Deutzer Hafen 70 Prozent des Wohnraums bezahlbar und in öffentlich-rechtlichem oder genossenschaftlichen Eigentum liegen müsse. Angesichts des Mangels an bezahlbaren Wohnungen in Köln begrüßte er ausdrücklich die jüngsten Hausbesetzungen in Ossendorf. (Diese wurden inzwischen von der Polizei geräumt.)

8.000 Menschen füllten nach Veranstalterangaben den Heumarkt – so viele wie seit Jahren nicht mehr.

EU-Wahl 2019: Städtewettbewerb um die höchste Wahlbeteiligung

Steffen Lehndorff warnte vor der Zunahme eines rechten Nationalismus in Europa. Er machte dafür die bisherige EU-Politik verantwortlich, in der sich „pro-europäisch“ gebende Regierungen und Parteien in Wahrheit die internationale Solidarität untergraben und nationalistische Egoismen gefördert hätten. Er forderte ein EU-weites Programm zur Bekämpfung von Armut. Außerdem gerechte Handelsverträge mit afrikanischen Staaten statt subventionierter Lebensmittelexporte, die die dortige Wirtschaft zerstörten und Grund für die Flucht nach Europa seien.

Lehndorff und Roßmann riefen dazu auf, sich an der Europa-Wahl zu beteiligen und für ein soziales, solidarisches und gerechtes Europa zu stimmen. Roßmann griff den Vorschlag von OB Henriette Reker nach einem Städtewettbewerb um die höchste Wahlbeteiligung auf. Und ergänzte: „Köln soll am Ende die Stadt mit den wenigsten Stimmen für rechte Nationalisten sein.“

Weitere Reden hielten Vertreter der DGB-Jugend und der Initiative „Liefern am Limit“. Letztere kämpft für eine bessere Bezahlung der Essens-Botendienste und hatte am Vorabend zusammen mit Enthüllungsjournalist Günter Wallraf im Rathaus den diesjährigen Hans-Böcklerpreis erhalten. Außerdem traten die Kabarettisten Wilfried Schmickler und Robert Griess sowie die Band Kozmic Blues auf.

Vor der Kundgebung eine Demonstration durch die Innenstadt

Vor der Kundgebung waren – so der DGB – 5.000 vom Hans-Böckler-Platz in einem Demonstrationszug durch die Innenstadt zum Heumarkt gezogen (in einer gezählten Schätzung waren es eher um 3.000). Zu den Trägern des Motto-Transparents zählte auch OB Henriette Reker.

Die Demonstration begann mit zehn Minuten Verspätung. Grund war eine kurdische Gruppe, die verbotenen Fahnen mit dem Porträt des Ex-PKK-Führers Abdullah Öcalan mittragen wollte. Die Polizei zog die Fahnen ein. Unterwegs entfernte die Polizei ein bekanntes rechtes Pärchen aus der Demonstration. Diese waren mit einer SPD-kritischen Schrifttafel zunächst nicht aufgefallen, riefen dann aber antisemitische Parolen und erhielten eine Strafanzeige.

Autor: ehu
Foto: OB Henriette Reker (Mitte) ließ es sich nicht nehmen, bei der Demonstration durch die Innenstadt das Motto-Transparent zu tragen.