Köln | aktualisiert | Rund 2.500 Hooligans trafen sich heute Nachmittag auf dem Kölner Breslauer Platz, zogen durch das Kunibertsviertel und randalierten. Wasserwerfer, Pfefferspray und Schlagstöcke wurden von der Polizei eingesetzt. Am Ende durften die randalierenden Hooligans mit Bussen und Bahnen nach Hause fahren, nachdem sie noch ein Andenkenfoto vor einem umgestürzten Polizei-Bully gemacht hatten. Es gab Kritik an der Taktik der Polizei und mittlerweile auch an Innenminister Jäger. Die vorläufige Bilanz der Polizei, die um 22:11 Uhr veröffentlicht wurde: 44 verletzte Beamte von Landes- und Bundespolizei sowie 17 freiheitsentziehende Maßnahmen. Es wurden mehrere Einsatzfahrzeuge beschädigt.

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Zwei Demonstrationen rund um den Kölner Hauptbahnhof hatten sich heute angekündigt. Auf dem Breslauer Platz trafen sich die „Hooligans gegen Salafisten“. Und gegen diese Kundgebung gab es eine Gegenkundgebung der Aktion „Kein Veedel für Rassismus“ und diverser Gruppen vor und auf der Domtreppe. Diese Kundgebung blieb friedlich, setzte sich differenziert mit dem Islam, der aktuellen Situation der Kurden auseinander und zeigte den Hooligans die Rote Karte. Die Hooligans seien gewaltverherrlichende Rassisten, die einem sozialdarwinistischen Weltbild das Wort redeten, so eine Sprecherin auf der Gegendemo. Zwischen den beiden Gruppen, die A-Passage des Kölner Hauptbahnhofes. Eine direkte Konfrontation der beiden Gruppen fand nur dann statt, wenn sich die Hooligans dem Ausgang Domvorplatz näherten. Die Gegendemonstranten konnten den Hauptbahnhof nicht betreten, der gehörte heute den Hooligans. Als ein junger Mann aus der Türkei einer Gruppe Hooligans nachruft „Nazischweine raus“, wird er von mehreren Beamten der Bundespolizei ab und gegen eine Wand gedrängt. Später darf er wieder gehen. Der Hauptbahnhof gehört den Hooligans an diesem Sonntagnachmittag, dazwischen sichtlich verunsicherte Passanten die auf Reisen sind. Sind es an der Domtreppe rund 500 Gegendemonstranten, haben sich am Breslauer Platz rund 2.500 Hooligans zusammengefunden.

Die trinken reichlich Bier in der Nachmittagssonne und werden von der Polizei zu ihrer Veranstaltung mit Leuchtreklame geführt. Eine Auflage der Polizei war auch Alkoholverbot. Der Veranstalter hatte über Facebook zu einem friedlichen Aufzug aufgerufen und jede Form von Symbolen von Parteien oder politischer Gesinnung abgeraten. Letzteres haben die Hooligans eingehalten, dennoch sind viele Schwarz-Rot-Weiße Symbole und Farbkombinationen vor Ort. Die Hooligans halten nicht hinter dem Berg, das sie dem rechten politischen Spektrum näher stehen, viele von ihnen sind sicher auch der rechtsextremen Szene zuzuordnen, tragen eindeutige Marken-Klamotten. Die Rechten haben Einfluss, auch mehrere Anhänger von „Pro Köln“ waren zu sehen. Eines strahlen die Hooligans von Anfang an aus, ein hohes Aggressionspotential und Bereitschaft zur Gewalt. Man ist vereint in der Gemeinschaft der Kategorie C-Fans und singt die Hymne zur gleichnamigen Band mit Inbrunst. Und man hat neben der dritten Halbzeit ein neues Betätigungsfeld gefunden: Politische Demonstration – da bekommt man kein Stadionverbot. Es kommt wenig Politisches, eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Salafisten sucht man nicht, das Parolenwort heißt „Salafistenschweine“. Dazu kommt der Schlachtruf, das dumpfe „Ua“ und „Deutschland“-Rufe bis hin zu „Deutschland den Deutschen“.

Dann zieht man los. Einige Hooligans vermummen sich, haben Handschuhe dabei. Die Polizei greift nicht ein, obwohl eine Vermummung verboten ist. Polizeisprecher Gilles erläutert später, dass man zunächst eine Strategie der Deeskalation gefahren habe. Der Zug kommt flott voran und bereits an der Machabäerstraße sucht man die Antifa, aber die ist nicht zu sehen und so sucht man neue Haßobjekte und macht diese in Medienvertretern aus. Zwischen Machabäerstraße und Thürmchenswall werden Medienvertreter angegriffen, man randaliert am Thürmchenswall, wirft Fahrräder und Flaschen auf Beamte und Medienvertreter. An der Greesbergerstraße liefert man sich mit den Polizeibeamten eine Straßenschlacht, wirft Möbel, Absperrbaken und Flaschen. Ein Polizeibeamter wird am Kopf getroffen. Kurz bevor man dann die Wasserwerfer zum Einsatz bringt stehen nur wenige Beamte einer großen Masse Hooligans gegenüber. Der Einsatz der Wasserwerfer erfolgt spät, sehr spät, jetzt schwebt auch über der Demonstration der Polizeihubschrauber. Die Polizei erklärt per Lautsprecher die Versammlung für aufgelöst. Wenig später am Ebertplatz, dort verstreut sich ein Teil der gewaltbereiten Hooligans im Grün des Parks, erklärt die Polizei, dass man den Versammlungsweg fortsetzen dürfe. Es sind wenige Polizeibeamte, die den Zug begleiten, immer wieder große Lücken zwischen den einzelnen Verbänden. Einige der Hooligans mischen sich unter die Besucher des Antikmarktes am Rhein. Immer wieder schmäht man Medienvertreter und auch Polizeibeamte, die man als grüne Scheiße betituliert. Aber die Beamten sind hoffnungslos in der Unterzahl. Auch am Busbahnhof eskaliert die Lage, die Hooligans greifen die Polizei an, die drängt sie zurück zum Busbahnhof. Überall sind Hooligans, vor den Polizeilinien, hinter den Polizeilinien, die Situation ist ständig unübersichtlich. Zudem gelingt es immer wieder einzelnen Hooligans die Gruppe zu dirigieren und das direkt neben den Polizeibeamten. Am Breslauer Platz wird ein Polizeibully umgeworfen, bei einem zweiten Polizeiwagen gelingt es den Hooligans nicht. Die Polizeikräfte rücken langsam an, bilden einen Ring um die Hooligans. Aber auch darum herum gibt es Hooligans, die immer wieder Beamte anpöbeln oder Medienvertreter.

Hier am Breslauer Platz stabilisierte sich die Lage und erst als die Hooligans versuchen die Tür zur B-Passage zu stürmen und dort heftig randalieren, kommen wieder der Wasserwerfer, Pfefferspray und Schlagstöcke zum Einsatz. Die Hooligans zeigen der Polizei den nackten Hintern, werden aber zusammengedrängt. Am Ende sichert ihnen die Polizei freien Abzug ohne Feststellung der Identität zu. Die Hooligans posen immer wieder vor dem umgeworfenen Polizeibully und laufen „Deutschland“ skandierend durch den Kölner Hauptbahnhof. Polizeisprecher Gilles erklärte, dass man die Lage jederzeit im Griff hatte und das zehn Beamte schwer verletzt wurden. Nach den ersten Gewalttaten in der Turiner Straße, als Medienvertreter angegriffen worden seien, habe der Veranstalter, so Gilles, die Versammlung sofort abgebrochen. Man habe eine umfangreiche Videobeweissicherung und werde die begangenen Straftaten nachverfolgen, so Gilles weiter. Auf dem Breslauer Platz allerdings spricht der Veranstalter wieder zu den Hooligans. Die Situation war zu jeder Zeit unübersichtlich, ob und vom wem die Veranstaltung abgebrochen wurde oder nicht. Auch die Ansagen der Polizei aus den Wasserwerfern waren hier uneindeutig.

Die Vorfälle des heutigen Sonntagnachmittags, auch der Einsatz der Kölner Polizei, müssen untersucht und auch politisch aufgearbeitet werden. Wie stark ist die Hooliganszene von rechten Kräften unterwandert und wie konnte es zu einer solchen Gewalteskalation kommen und der ungleichen Verteilung der Kräfte. Die Polizei soll mit rund 1.800 Beamten zwei Demonstrationen mit annähernd 3.000 Menschen gegenüber gestanden haben. Zudem einer Gruppe mit 2.500 Personen die als extrem gewaltbereit gilt. Und nur weil diese Gruppe in einem Social Media Kanal zur Friedfertigkeit aufrief, konnte doch niemand so naiv sein und glauben, dass bei Strömen von Bier alle friedlich blieben. Noch dazu waren die Anzeichen der Gewaltbereitschaft schon am Nachmittag erkenntlich etliche Hooligans trugen offen Handschuhe und hatten sich vermummt. Die Hooliganszene aus ganz Deutschland wird diesen Sonntagnachmittag als Erfolg feiern, das deutete sich schon im Kölner Hauptbahnhof an. Köln war ein rechtsfreier Raum, trotz Polizeipräsenz bei Randale ohne Konsequenzen. Ein Gewalt-Ausflug mit Bus und Bahn nach Köln für die Hooligans von Emden bis in den Süden und Osten. Ob die Deeskalationsstrategie der Polizei die Richtige war, sollte aufgearbeitet werden. Zudem wurden mehrere Medienvertreter von Hooligans angegriffen, wie diese unabhängig berichteten, und oft griffen nebenstehende Polizeibeamte nicht ein. Eine Frage müssen sich die Verantwortlichen auch stellen: Am Stadion oder zu Karneval gilt Flaschenverbot. Hier nicht, warum?

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Reaktionen aus der Politik

Die Linke spricht von einer Verharmlosung der rechten Gewalt, und schreibt in einer Mitteilung: Eine völlig verfehlte Gefahrenanalyse und ein falsches Einsatzkonzept attestieren die Landessprecherin der Partei DIE LINKE in Nordrhein-Westfalen, Özlem Alev Demirel, und Landesvorstandsmitglied Jules El-Khatib NRW-Innenminister Jäger und der Polizei anlässlich der gewalttätigen Ausschreitungen rechter Hooligans in Köln. Özlem Alev Demirel erklärt hierzu: „Obwohl lange vorher bekannt war, dass über 2000 gewaltbereite Neonazis und Hooligans dem neofaschistischen Aufruf folgen würden, hatte die Polizei eine verharmlosende Gefahrenanalyse. Sämtliche Warnungen im Vorfeld wurden ignoriert und unzählige Bürgerinnen und Bürger insbesondere mit Migrationshintergrund der Gewalt des rechten Mobs ausgeliefert. Dabei hatte unter andrem das Bündnis ‚Kein Veedel für Rassismus‘ im Vorfeld des heutigen Tages vor dieser unkontrollierbaren Situation gewarnt.

Doch statt diese Warnungen ernst zu nehmen, wurde den rechten Hooligans zu Beginn ihrer Kundgebung durch den zurückhaltenden Polizeieinsatz geradezu signalisiert, dass sie nichts zu befürchten haben werden. Dieses zurückhaltende Einsatzkonzept hat die Orgie der Gewalt und die zahlreichen Angriffe auf Migrantinnen und Migranten entlang der Demonstrationsstrecke und auf Polizeibeamte mit ermöglicht. Landesinnenminister Jäger trägt die politische Verantwortung für eine Polizeistrategie, die die neofaschistische Gewaltbereitschaft völlig unterschätzt hat. Nun ist Innenminister Jäger in der Pflicht, Rechenschaft über diese verfehlte Einschätzung der Situation abzugeben und Konsequenzen daraus zu ziehen.“

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Autor: Andi Goral