Report-k.de: Die Stadt Köln hat Anfang 2012 ein Konzept zum Thema "Internetstadt" Köln vorgelegt. Welche darin vorgestellten Ideen befürworten Sie, welche nicht?
Thomas Hegenbarth, Vorstandsmitglied der Piratenpartei Köln: Angekündigt für Ende 2010 ist das 57 seitige Konzept nun durch die Verwaltung vorgestellt worden und da war unsere Erwartungshaltung auch entsprechend hoch. Vorweg möchten ich gleich am Anfang deutlich machen, das wir weite Teile des Konzeptes für richtig halten. Besondere Unterstützung gibt es unsererseits für die Vorschläge im Bereich der Bürgerbeteiligung, dem stadtweiten WLAN und den weitreichenden Vorschlägen zum Thema der öffentlichen Daten, die kostenfrei zugänglich und für alle ohne Einschränkungen nutzbar sein sollen. Zweifel sind allerdings berechtigt, wenn man die vielen ambitionierten Forderungen und Zielsetzungen des Konzeptes mit den Entscheider in Verbindung bringen muss die seit Jahren die Geschicke unserer Stadt leiten.

Welche Ideen vermissen Sie in dem Konzept? Ist dieses Konzept ausreichend, um Köln wie von der SPD gefordert als "Internethhauptstadt" in Deutschland zu positionieren?
Das Konzept wurde u.a. auch durch ein Barcamp geprägt das gemeinsam mit Politik und Kölner Netzaktiven Anfang 2010 mit auf den Weg gebracht wurde. Dieses Barcamp, durch uns Piraten unterstützt und mit initiiert, fand von uns von Anfang an Zustimmung. Es sind daher weniger die Ideen die wir hier vermissen sondern mehr der Glaube an eine umfassende Umsetzung des Konzeptes und damit auch eine starke Positionierung als Internetstadt. Das "Haupt"stadt wurde ja schon als erstes 2010 aufgrund von Druck der Grünen gestrichen. Aus unserem ausführlicher Realitätscheck auf unserer Webseite der Kölner Piraten hier kurz einige Beispiele: Themen wie ein Internetstream der Ratssitzungen sind immer noch nicht durch die Verwaltung oder durch den Rat entschieden. Ein schwacher Bürgerhaushalt mit nur noch der Hälfte an Anträgen im Vergleich zum Vorjahr. Die Aussagen unserer Stadtoberen lassen nach der Bürgerbefragung Godorf eher weniger als mehr Bürgerbeteiligung befürchten. Die TopLevelDomain Vergabe an Netcologne ist fragwürdig verlaufen. Und nicht zuletzt ist das Ratsinformationssytem immer noch altbacken, die Beteiligung an abgeordnetenwatch.de gering. Die Liste von Defiziten lässt sich problemlos fortführen.

2011 ist abgeordnetenwatch.de auch für Köln an den Start gegangen. Wie viele Kölner Politiker welcher Parteien machen denn mit?
Die Möglichkeit eines offenen Dialoges durch die renommierte überparteiliche Plattform abgeordnetenwatch.de wurde erst durch die Kölner Piratenpartei auf den weg gebracht. Die Plattform wird leider kaum durch die Ratsmitglieder angenommen. Die so oft beschworene Transparenz und Offenheit mit dem Bürger halten zwei Fraktionen auf dieser Ebene für unnötig. Nach unseren Kenntnisstand sind z.B. nur 4 von 25 Mitgliedern aus der SPD Fraktion (ohne den OB)  in der CDU Fraktion niemand und immerhin 7 von 20 Mitgliedern aus der Fraktion der Grünen bei abgeordnetenwatch.de freiwillig registriert.

Die Stadt erklärt in Ihrem Konzept, die Internetkompetenz in allen gesellschaftlichen Bereichen und Altersgruppen verbessern zu wollen. Wie könnte das Ihrer Meinung nach funktionieren?
Neben der im Konzept weitreichenden Analyse und der etwas einseitigen Betrachtung der Bereiche Ausbildung, Schule und Beruf gibt es aus unserer Sicht vor allem einen bemerkenswerten Punkt. Es wird empfohlen im Amt für Schulentwicklung eine zentrale Stelle einzurichten, zuständig innerhalb der Stadtverwaltung für Bestandsaufnahme und Koordinierung. So soll diese Stelle aktiv die Stadt in Bildungsnetzwerk und Netzwerkarbeit vertreten und in die städtische Schulentwicklung einbringen. Im weiteren Beratungs- und Wegweiserfunktionen wahrnehmen und zentraler Ansprechpartner für externe Organisationen sein. Wir fordern das diese Position genauso eingesetzt und mit entsprechenden Befugnissen ausgestattet wird. In Zukunft werden wir diesen Punkt aufmerksam verfolgen.

Ein weiteres Ziel im Konzept ist die Partizipation der Bürger an Politik mithilfe von digitalen Bürgerdiensten. Inwiefern könnte das Internet eine Beteiligung der Bürger an politischen Fragen ermöglichen?
Politische E-Partizipation ist leider auch in Köln kein selbstlaufendes Erfolgsmodell. Zum Beispiel der Kölner Bürgerhaushalt: Hier hat man eindeutig eine Spitzenposition verloren denn es reicht nicht sich auf Lorbeeren auszuruhen. Köln ist als eine der ersten deutschen Großstädte mit einem Bürgerhaushalt an den Start gegangen, hat aber seine führende Position völlig eingebüßt. 643 Vorschläge wurden beim letzten Bürgerhaushalt eingereicht. Das sind so wenig Vorschläge wie noch nie im Vergleich zu den 1245 Vorschläge im zweiten Verfahren. Die Gründe für die Entwicklung sind unter anderem eine unzureichende Öffentlichkeitsarbeit und ein viel zu kurzes Zeitfenster für Eingaben von nur wenigen Wochen. Und wir haben eine Verwaltung, die nur die Politik über die Fortschritte bei der Umsetzung von Bürgerhaushaltsvorschlägen informiert, aber keine laufenden Infos an die Öffentlichkeit geschweige den an die registrierten Antragssteller gibt. Konkret werden die 25 besten Vorschläge jetzt zunächst in den zuständigen Gremien in der Verwaltung und den Ausschüssen geprüft und anschließend Rat bzw. den Bezirken zur Abstimmung übergeben. So bleibt alles mehr oder weniger beim Alten, denn echte Bürgerbeteiligung würde eine eigenständige Haushaltshoheit durch den Bürger im Rahmen der Vorschläge voraussetzten. Der Bürgerhaushalt in dieser Form ist mutlos und voller Misstrauen gegenüber denen, für den er eigentlich geschaffen wurde. So darf man sich auch nicht über die nachlassende Beteiligung wundern

Ein erklärtes Ziel der Stadt ist es, die Internetwirtschaft in Köln zu unterstützen. Zugleich hat die Stadt Anfang des Jahres ihre Unterstützung für die Domain .koeln an NetCologne und nicht an ein privates Unternehmen vergeben. Besteht hier die Gefahr, dass mit NetCologne, einem 100-prozentigen Tochterunternehmen der GWE Köln, die wiederum zu 90 Prozent dem Stadtwerkekonzern Köln und zu 10 Prozent der Stadt Köln gehört, ein städtisches Monopol entsteht?
Wir haben den Eindruck das es starke politische Interessen gab, die Domains in städtischer Hand zu halten und nicht in der freien Wirtschaft. Daher ist es auch nicht anders zu erklären, das vor allem kleinere Unternehmen im Bewertungsverfahren ganz offensichtlich benachteiligt wurden im Vergabeverfahren mit einem Konkurrenten, der über die GEW der Stadt Köln gehört. Es gibt Annahmen, dass das Domaingeschäft .koeln & .cologne ein Verlustgeschäft in Millionenhöhe werden wird. Wir werden in diesem Zusammenhang die wirtschaftliche Entwicklung genau beobachten.

Ist eine Kommune Ihrer Meinung nach die richtige Stelle, um die private Internetwirtschaft zu fördern?
Gerade das vorherige Beispiel zeigt ja das es manchmal durchaus Interessenkonflikte zwischen Kommune und freier Wirtschaft geben kann, die es in der Zukunft zu verhindern gilt. Aus unserer Sicht ist es auch nichts besonderes und eine Selbstverständlichkeit wie in vielen anderen Kommunen, wenn IHK, Wirtschaftdezernat, Stadt und andere öffentlich-rechtliche Förderer der Kölner Wirtschaft die private Kölner Internetwirtschaft voran bringen wollen. Unsere Stärke liegt im Vergleich zu anderen Städten noch woanders, denn Köln besticht vor allem durch eine vielfältige und unabhängige Netz- und Gründerszene. Im letzten Jahr gab es hunderte Veranstaltungen an über 40 Orten in Köln von einfachen Stammtischen bis hin zu internationalen Messeveranstaltungen. Dieser Szene, und dem sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Faktor, muss auch die lokale Politik deutlich mehr Gehör geben. Gelegentliche Barcamps und Absichtserklärungen sind da einfach zu wenig. An dieser Stelle möchte ich beispielhaft gerne Werbung machen für eine Bewegung von Internet-Unternehmern und Bürgern die sich zum Ziel gesetzt haben, Twitter.de an den Rhein zu holen. Sie verbreiten u.a. Meldungen über Twitter, die sie etwa an den Account von Jack Dorsey den Chef von Twitter richten.
 
Wo steht Köln als Internetstadt derzeit im bundesweiten Vergleich?
Als FC Fan fühlt man sich nach jedem Sieg natürlich immer auf einem Champions League Platz… sobald man genauer hinsieht steht man doch nur auf einem Mittelfeldplatz.

Was muss in Köln in Bezug auf das Internet verbessert werden? Was ist in Köln schon erreicht?
Die zentrale Voraussetzung für eine Beteiligung am Netz ist der uneingeschränkte Zugang für alle. Im Konzept wird im Detail schwammig von einem öffentlichen und stadtweiten WLAN gesprochen das noch in der Kostenfrage und Technik überprüft werden muss. Eine deutliche Ansage und echter Durchbruch wäre ein kostenfreier Zugang zu allen öffentlichen WLAN Hotspots sowie der Aufbau eines unabhängigen Freifunknetzes, so wie wir Piraten dies auch in anderen Kommunen fordern. Wie vorhin an einigen Beispielen aufgezeigt, gibt es in Sachen Netzpolitik ganz erheblichen Nachholbedarf. Wir fordern weitergehend mit Nachdruck den im Konzept angestrebten Paradigmenwechsel das zukünftig alle Daten als öffentlich gelten, die nicht ausdrücklich als geheim gekennzeichnet sind. Alle Daten, die keiner berechtigten Datenschutz- oder Sicherheitsbeschränkung unterliegen, im vollen Umfang und zeitnah veröffentlicht werden müssen. Alle Daten sind grundsätzlich für jedermann und für jeden Zweck – sei es kommerziell, zur Weiterverarbeitung oder Weiterverbreitung – ohne Einschränkungen kostenfrei nutzbar.

Ein weiteres Beispiel ist unser altbackenes Ratsinformationssystem das auf den Prüfstand muss. Wie man es auch unabhängig, mit viel Engagement und wenig Ressourcen richtig machen kann zeigt das OpenDataProjekt  -OffenesKoeln- Dazu werden Dokumente und Daten, die im unübersichtlichen Ratsinformationssystem (RIS) der Stadt Köln veröffentlicht werden, gesammelt, aufbereitet und in einer nutzerfreundlichen Art und Weise dargestellt. Unser Pfund in Köln ist eine in Deutschland führende kreative, freie und unabhängige Netzwirtschaft und Netzszene auf dessen Ideen die Stadt stärker als in der Vergangenheit zurückgreifen muss.

Was würden Sie als erstes in Bezug auf das Internet umsetzen wollen, sollten Sie bei der nächsten Kommunalwahl in den Stadtrat gewählt werden?
Wo soll ich da anfangen? 😉 Der stadtweite, kostenlose und freie Zugang für alle in die öffentlichen WLAN Hotspots zum Beispiel… dies wird zur Überwindung des digitalen „Alters“Graben beitragen und für einen besseren Zugang sozial schwächerer Personen sorgen.

Herr Hegenbarth, vielen Dank für das Gespräch

[cs]