In einem Kölner Medium forderte Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers dazu auf, die Demonstrationen von der als rechtsextrem geltenden Bürgerbewegung "Pro Köln" nicht zu beachten. "Die Anwohner könnten die Fenster schließen, die Rollläden runterlassen und ihrem Protest durch andere passive Formen Ausdruck verleihen", wird Albers zitiert, und weiter: „Auch wenn das schwerfällt. Dann könnten wir davon ausgehen, dass wir zumindest im Stadtteil Kalk erst einmal Ruhe haben“. Ist dies der richtige Umgang mit Demonstrationen gleich ob aus der links- oder rechtsradikalen Ecke oder wie im Fall der Bürgerbewegung "Pro Köln", die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wird?
Hans-Peter Killguss, ibs: Die Polizei muss die Grundrechte der Bürger schützen und dabei verschiedenen Interessen gerecht werden. Die Perspektive der Polizei ist damit naturgemäß eine andere wie die der Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus, der es um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Gefahren des Rechtsextremismus geht. Diese können und dürfen von einer Gesellschaft nicht ignoriert werden. Das gilt nicht nur für die menschenverachtenden Anschläge der Zwickauer Terrorzelle, sondern auch für rechtsextreme Gewalt und neonazistische Propaganda, die sich in Köln und im Kölner Umland beobachten lässt. Für mich ist rassistische Hetze ebenso eine Gefahr für ein gleichberechtigtes Miteinander in einer Stadt – und damit auch eine Gefahr für die Demokratie. Diese Auseinandersetzung zu führen halte ich für eine große Herausforderung; egal ob dies im Rahmen einer Demonstration gegen Rechtsextremismus oder im (beruflichen und sozialen) Alltag von Menschen geschieht.

Sollte ein Polizeipräsident eine öffentliche Diskussion in dieser Form anregen, auch vor dem Hintergrund, dass diese Haltung von einer großen Kölner Zeitung aufgegriffen und für richtig befunden wurde?
Es steht einer städtischen Einrichtung nicht zu, dem Polizeipräsidenten Empfehlungen für seine Verlautbarungen zu geben.

"Pro Köln" nutzt intensiv die modernen Medien und schafft damit eine eigene Öffentlichkeit. Folgt man vor diesem Hintergrund der Logik des Polizeipräsidenten, dann gebe es auch keine unabhängige und einordnende Berichterstattung über die Inhalte und Ziele der Demonstrationen von "Pro Köln". Kann man einschätzen, welche Auswirkungen das auf die Wahrnehmung von "Pro Köln" hätte?
Rechtsextremisten wie auch die in Köln agierenden selbsternannten „Rechtspopulisten“ instrumentalisieren prinzipiell jedwedes Tun oder jede Äußerung wenn es in ihr Konzept passt. Demokraten – wie natürlich auch die Medien – sollten sich davon nicht ihr Handeln aufzwingen lassen. Medien müssen immer abwägen zwischen einem berechtigten Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über Inhalte und Ziele öffentlicher Veranstaltungen und der Gefahr damit ggf. der extremen Rechten zu viel Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Im Zweifelsfalle muss die Presse dieses Risiko eingehen. Eine kritische unabhängige und einordnende Berichterstattung über den Rechtsextremismus ist für die politische Meinungsbildung der Bevölkerung von großer Bedeutung.

Welche Einflüsse auch vor dem Hintergrund der historischen Erfahrungen und Ereignisse der Weimarer Republik könnte das Ignorieren von radikalen Positionen für den demokratischen Prozess haben?
Ich halte die Situation heute nicht mit Weimar vergleichbar. Das demokratische System als solches ist stabil. Das bedeutet nicht, dass es keine undemokratischen Haltungen, Meinungen und Handlung in unserer Gesellschaft gebe. Ganz im Gegenteil. Wissenschaftliche Studien zeigen die weite Verbreitung von Ungleichwertigkeitsvorstellungen gegenüber Migrant/innen, Homosexuellen, Roma und Sinti oder Sozialhilfeempfänger/innen. Dies darf nicht ignoriert werden – insofern muss Demokratie täglich erlebbar und argumentativ verteidigt werden. Ich habe jedoch das Gefühl, dass nach den Ereignissen um den „Nationalsozialistischen Untergrund“ die Gesellschaft sehr sensibilisiert für extrem rechte Positionen oder auch für rechtsextreme Propaganda ist. Ich hoffe, dass diese Sensibilität anhält.

Die Interviews finden Sie hier:
Hans-Peter Killguss (ibs) – "Demokratie muss täglich argumentativ verteidigt werden"

Volker Beck (Grüne) – "Wegschauen ist immer das falsche Signal"

Susana dos Santos (SPD) – "Die Straße darf nicht den Extremisten überalssen werden"

Winrich Granitzka (CDU) – "Man schadet am meisten, dass man sie nicht beachtet"

Jörg Frank (Grüne) – "Ein öffentliches Ignorieren kann zu falschen Schlüssen führen"

Ulrich Breite (FDP) – "Passiver Widerstand kann eine Form des Protestes sein"

Jörg Detjen (Die Linke) – "Wegschauen ist kein passiver Widerstand"

AKKU – "Weil man Rassismus ignoriert, hört er nicht auf"

Kommentar der Redaktion: Polizei kann keine inhaltliche Auseinandersetzung führen

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