Essen | aktualisiert 16:22 Uhr | Die nordrhein-westfälische Landesregierung will sich von der Jugend inspirieren lassen. Das Kabinett lud heute etwa 300 junge Leute nach Essen ein, um mit ihnen auf der Jugendkonferenz „#Jukon12“ über die Gestaltung der Zukunft zu diskutieren. In sieben verschiedenen Workshops, an denen jeweils auch ein Minister teilnahm, sollten die 16- bis 23-Jährigen ihre Visionen etwa zu den Themen Schule, Arbeit und Energie entwerfen.

Jugend diskutiert Fragen der Zukunft

Fast muss es für Sylvia Löhrmann wie vor zwei Jahrzehnten sein, als sie in Solingen noch Deutsch und Englisch unterrichtete: Sie sitzt vorne und schaut ab und zu in strenger Lehrerinnenmanier über ihre Lesebrille auf die ihr gegenübersitzenden jungen Leute. Eines aber dürfe doch anders gewesen sein als damals: Die Grünen-Politikerin und Schulministerin schreibt kräftig mit, was ihr die Schüler und Studenten, denen sie auf der Essener Jugendkonferenz „#Jukon12“ gegenübersitzt, mit auf den Weg geben.

Das Ziel von Löhrmann und ihren Kabinettskollegen ist klar definiert: Die Jugend fragen, wie sie sich die Zukunft vorstellt. Etwa 300 junge Leute zwischen 16 und 23 Jahren hat die Landesregierung dafür am Dienstag zur „#Jukon12“ eingeladen. In sieben verschiedenen Workshops, an denen jeweils auch ein Minister teilnimmt, soll die junge Generation ihre Visionen etwa zu den Themen Arbeit, Energie oder eben Schule entwerfen. Die Minister wollten das Expertenwissen der jungen Leute in ihre künftige Arbeit mit einbeziehen, sagt Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) bei der Auftaktveranstaltung. Schon in den Wochen vor der Jugendkonferenz war im Internet eifrig über die anstehenden Themen diskutiert worden. Vor allem das Thema Schule habe dabei hoch im Kurs gestanden, sagt der zuständige Organisator. 800 Stellungnahmen habe es allein zu diesem Komplex gegeben, aufgeteilt auf 80 Unterthemen. Überraschend: Am stärksten beschäftigte das Thema Schuluniformen die Internetgemeinde.

Junge Leute fühlen sich überfordert

In Essen ist es jedoch vor allem die verkürzte Schulzeit an Gymnasien, die die Jugendlichen im Workshop Schule umtreibt. Viele fühlen sich überlastet. „Es ist egal, wann die Schule anfängt und wann sie aufhört. Es ist einfach zu viel“, sagt etwa Johannes Schmidt, der ein Wuppertaler Gymnasium besucht. Er selbst wird zwar im kommenden Jahr noch nach dem alten Modell nach 13 Jahren sein Abitur machen. Doch er hat Mitleid mit den folgenden Schülergenerationen.

In einem anderen Workshop wenige Meter entfernt, streiten sie darüber, wer Ältere pflegen soll. „Der Staat seid Ihr mit Euren Steuern“, gibt Pflegeministerin Barbara Steffens (Grüne) zu bedenken, als ein junger Mann mehr Geld für die Pflege fordert. Doch die Pflege alter Leute den Familien und Ehrenamtlichen überlassen – das wollen die meisten der jungen Leute auch nicht. „Es ist sehr selten so, dass noch Hausfrauen zu Hause sind“, sagt ein Mädchen. Und sich neben der Arbeit auch noch um pflegebedürftige Eltern oder Großeltern zu kümmern, das sei doch wirklich zu viel verlangt. Kein Geld und keine Zeit investieren, das wäre wohl die angenehmste Lösung – wenn auch wohl kaum umsetzbar.

Widersprüche tun sich unterdessen auch im Schul-Workshop auf. Zum einen wollten die Jugendlichen mehr Zentralisierung und Vergleichbarkeit, zum anderen forderten sie mehr Raum für Wahlmöglichkeiten, stellt Löhrmann ein wenig verwundert fest. Doch mit der Veranstaltung insgesamt ist sie zufrieden: „Die Jugendlichen diskutieren genauso leidenschaftlich über die Schule wie der Landtag“, sagt sie und verzieht das Gesicht zu einem breiten Grinsen. Auch Johannes Schmidt ist erst einmal zufrieden. Er habe sich auf jeden Fall ernst genommen gefühlt, sagt er. „Ich weiß aber nicht, ob das nachhaltig ist und ob unsere Ideen angenommen werden“, schiebt er hinterher. Sein wichtigstes Anliegen sei es, dass sich einmal die Werte in der Schule verschöben, „dass nicht nur wichtig ist, welchen Notendurchschnitt man am Ende hat“, wie er sagt. Schließlich komme es doch auch auf die Persönlichkeit an.

Autor: Tonia Haag/ dapd