Die Bühne für den FDP-Parteitag in Berlin am 27. April 2024. | Foto: via dts nachrichtenagentur

Berlin | In Berlin hat am Samstagvormittag ein zweitägiger Parteitag der FDP begonnen. Auf dem Programm steht unter anderem ein „Rechenschaftsbericht“ von FDP-Chef Christian Lindner und eine Rede von Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die als Spitzenkandidatin für die Europawahl antritt.

Bereits im Vorfeld hatte sich die FDP-Spitze mit einem 12-Punkte-Plan für den Parteitag warmgemacht, der dort von den Delegierten abgesegnet werden soll. Das Papier enthält klassische FDP-Forderungen und könnte dementsprechend noch für Zündstoff in der Ampel-Koalition sorgen. Dazu gehören Forderungen nach einem höheren Renteneintrittsalter und Leistungskürzungen für Arbeitslose.

In Umfragen zur Bundestagswahl steht die FDP derzeit bei vier bis sechs Prozent und müsste aktuell um einen Wiedereinzug in den Bundestag bangen. Ein Realitätscheck droht auch bei der Europawahl im Juni, dann gilt allerdings keine Fünf-Prozent-Hürde.

FDP-Vize Vogel fordert Änderungen am Rentenpaket II

Vor Beginn des FDP-Parteitages fordert FDP-Vize Johannes Vogel eine Überarbeitung des Rentenpaketes II, mit dem die Bundesregierung eine Aktienrente einführen und das Rentenniveau stabil halten will.

Das Rentenpaket II werde „dem Koalitionsvertrag noch nicht gerecht“, sagte Vogel dem „Tagesspiegel“. Dieser nämlich sehe vor, „dass die sogenannte Haltelinie generationengerecht abgesichert sein muss“. Hier müsse Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) „nachbessern“, sagte Vogel: „Ich beantrage daher auf dem Parteitag, dass wir Korrekturen einfordern.“

Heil und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatten das Rentenpaket II Anfang März vorgestellt. Vogel forderte eine generelle Reform der Alterssicherungssysteme. „Unser Rentensystem muss reformiert werden“, sagte er: „Wir geben über ein Viertel des Bundeshaushaltes für die Rente aus, mehr als 100 Milliarden im Jahr. Wir stehen vor steigenden Beiträgen. Zugleich muss unser Anspruch sein, dass das Rentenniveau steigt, statt es nur stabil zu halten.“ Die Aktienrente wie in Schweden schaffe all das.

Das Generationenkapital, für das Christian Lindner verantwortlich sei, sei „ein historischer Einstieg“. In Deutschland gebe es „traditionell keine gute Aktienkultur, viele haben ja geradezu Angst vor Aktien“, sagte Vogel: „Dabei liefern global gestreute Aktienanlagen über lange Zeiträume immer Gewinne. Und Rente ist Anlage über Jahrzehnte. Davon sollen endlich alle profitieren. Schweden macht vor, wie das geht.“ Die Ampel dürfe „nicht eine ganze Legislaturperiode verschenken, obwohl jeder weiß, dass die Rente Strukturreformen verlangt“.

Vogel forderte den Koalitionspartner SPD zu einem Umdenken bei der Rente mit 63 auf und verwies auf die Haltung von Ex-SPD-Chefin Andrea Nahles, inzwischen Chefin der Bundesagentur für Arbeit. „Andrea Nahles hat recht, wenn sie sagt, dass die Rente mit 63 aus der Zeit gefallen ist. Als Arbeitsministerin und SPD-Chefin hat sie sie einst eingeführt“, sagte Vogel: „Als Chefin der Bundesagentur für Arbeit hält sie sie heute für schädlich. Die Anreize des Sozialstaates, möglichst früh in Rente zu gehen, auch mit Schreibtisch-Jobs, passen nicht mehr. Ich wünsche mir, dass die SPD auf Andrea Nahles hört. Am besten lassen wir sie gleich in einem flexiblen Renteneintritt aufgehen, auch wie in Skandinavien.“

Wissing warnt FDP vor Ampel-Bruch

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat seine Partei ermahnt, nicht mit einem Ausstieg aus der Ampelkoalition zu liebäugeln. „Ich kann nur davor warnen, in einer komplexen Gesellschaft immer weiter zu vereinfachen nach dem Motto: Die Ampel ist blöd“, sagte Wissing der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS).

„Was sollte denn in anderen Koalitionen grundsätzlich besser sein? Bei Jamaika müsste ein CDU-Kanzler viel mehr Rücksicht auf die Grünen nehmen. Und wer sich an Schwarz-Gelb vor 2013 erinnert, der weiß: Auch mit der CDU allein ist es nicht konfliktfrei“, erklärte er.

Die Wähler hätten der Politik den Auftrag gegeben, lagerübergreifend zusammenzuarbeiten, so Wissing. „Dann sollten wir aufhören zu diskutieren, ob der Souverän richtig entschieden hat, sondern den Auftrag annehmen, eine Art Clearingstelle für gesellschaftliche Konflikte zu sein.“ Eine Demokratie lebe vom mehrheitsfähigen Kompromiss.

Zugleich wandte sich Wissing gegen den Eindruck, dass die FDP mit den geplanten Wirtschaftswende-Beschlüssen auf ihrem Parteitag an diesem Wochenende womöglich einen Ausstieg aus der Koalition vorbereite. „Das ist der Parteitag der FDP, nicht der Ampel“, erklärte der Minister. „Wir beschließen das, was wir als Partei der Sozialen Marktwirtschaft für die Gesellschaft für richtig halten.“ Das sei auch ein Beitrag, unzufriedene Wähler zurückzugewinnen, bevor sie aus Protest die Ränder stärkten. „SPD und Grüne stellen als Partei auch Forderungen auf, die sie nicht im Voraus mit uns abstimmen.“

Die Führungsgremien der FDP hatten am vorigen Montag einen Antrag beschlossen, der zur Ankurbelung der Wirtschaft unter anderem Einschnitte im Sozialen fordert, und damit teils heftige Kritik bei den Koalitionspartnern SPD und Grüne hervorgerufen. Wissing selbst hatte in einem Interview von einem Ende der Koaliton gesprochen, allerdings nur für den hypothetischen Fall, dass SPD und Grüne gemeinsam mit den oppositionellen Unionsparteien und unter Umgehung der FDP eine Aufweichung der Schuldenbremse beschließen sollten.


Das Archivbild zeigt Saskia Esken. | Foto: via dts Nachrichtenagentur

Esken warnt FDP vor Infragestellen der Ampel

Vor dem FDP-Parteitag hat SPD-Chefin Saskia Esken die Liberalen davor gewarnt, Zweifel am Bestand der Ampelkoalition zu nähren. „Angesichts der gegenwärtigen internationalen Krisen widerspräche es staatspolitischer Verantwortung, die deutsche Position zu schwächen, indem man die Koalition infrage stellt“, sagte Esken dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Samstagausgaben) auf die Frage nach der Positionierung der FDP.

„Wir haben noch einiges gemeinsam vor. Und man darf bei allen Differenzen nicht vergessen: Vieles wird ohne jeden Streit beschlossen und umgesetzt.“ Man habe „diese Koalition mit viel Mut geschlossen – und auch aus staatspolitischer Verantwortung“, so Esken. „Die Idee war, dass sehr unterschiedliche Partner das Land genau dadurch voranbringen können, dass sie ihre unterschiedlichen Ideen zusammenfügen.“

Jusos verlangen von SPD härtere Gangart gegenüber FDP

Juso-Chef Philipp Türmer fordert von seiner Partei eine schärfere Auseinandersetzung mit der FDP. „Die Gangart ihr gegenüber muss härter werden – das sind wir insbesondere jungen Menschen schuldig“, sagte Türmer dem „Stern“.

„Sie ist gegen eine angemessene Anpassung der Mindestlöhne, blockiert bereits vereinbarte Maßnahmen zur Senkung der Mieten – und am meisten schadet unserer Generation das krampfhafte Festhalten Lindners an der Schuldenbremse.“ Anstatt in Infrastruktur, Daseinsvorsorge und klimafreundliches Wirtschaftswachstum zu investieren, halte die FDP „gegen jede ökonomische Vernunft“ an der Schuldenbremse fest, so Türmer.

Die „neoliberale Politik“ der FDP sei genau das Falsche in der aktuellen Situation und verschärfe die soziale und wirtschaftliche Krise. Mit einem solchen Kurs würde man den Rechtspopulisten nur noch mehr Wählern „in die Arme treiben“, hielt der Chef der SPD-Nachwuchsorganisation den Liberalen vor. „Der 12-Punkte-Plan hat deshalb richtigerweise auch keinerlei Aussicht darauf, in der Ampel umgesetzt zu werden.“