Karlsruhe | Das Bundesverfassungsgericht hat das sogenannte OMT-Programm („Outright Monetary Transactions“) der Europäischen Zentralbank (EZB), das vorsieht, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenstaaten zu kaufen, unter Auflagen gebilligt: Mehrere Verfassungsbeschwerden gegen den Beschluss wies das Gericht am Dienstag ab.

Das Unterlassen von Bundesregierung und Bundestag in Ansehung des Grundsatzbeschlusses der EZB vom 6. September 2012 über das OMT-Programm geeignete Maßnahmen zu dessen Aufhebung oder Begrenzung zu ergreifen, verstoße nicht gegen das Recht, wenn die vom Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 16. Juni 2015 formulierten, die Reichweite des OMT-Programms begrenzenden Maßgaben eingehalten werden, hieß es zur Begründung des Urteils. Unter diesen Voraussetzungen beeinträchtige das OMT-Programm gegenwärtig auch nicht die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages.

Die Deutsche Bundesbank darf sich am OMT-Programm unter anderem nur dann beteiligen, wenn die Ankäufe nicht angekündigt werden, das Volumen der Ankäufe im Voraus begrenzt ist, die Ankäufe begrenzt oder eingestellt werden und erworbene Schuldtitel wieder dem Markt zugeführt werden, wenn eine Fortsetzung der Intervention nicht erforderlich ist und nur Schuldtitel von Mitgliedstaaten erworben werden, die einen ihre Finanzierung ermöglichenden Zugang zum Anleihemarkt haben. Bundesregierung und Bundestag müssen dabei beobachten, dass diese Grenzen nicht verlassen werden. Das OMT-Programm ist noch nie zum Einsatz gekommen, nach Ansicht von Experten hatte allein die Ankündigung die Märkte beruhigt.

Wirtschaftsweiser Feld lobt Karlsruher EZB-Urteil als „äußerst klug“

Der Wirtschaftsweise Lars Feld hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur EZB-Krisenpolitik gelobt: „Das Bundesverfassungsgericht hat heute eine äußerst kluge Entscheidung getroffen, weil es die Europäische Union vor einer institutionellen Krise bewahrt und zugleich Grenzen für das Handeln europäischer Institutionen, in diesem Fall der EZB, aufzeigt“, sagte Feld der „Rheinischen Post“ (Mittwochsausgabe). Allerdings werde das Urteil „kaum zu mehr Vertrauen der Bundesbürger in die EZB-Politik führen, obwohl es den umstrittensten Teil der Krisenpolitik der EZB, nämlich das OMT-Programm nicht als verfassungswidrig einstuft“, sagte Feld. „Die EZB hätte daher ruhig mehr Vertrauen verdient“, meinte Feld.

Auf das laufende Kaufprogramm (QE) habe das Urteil keinen Einfluss. „Das QE-Programm ist von vornherein so ausgestaltet, dass es den bereits im Vorlagebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom März 2014 enthaltenen Anforderungen genügt“, sagte das Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR).

Gauweiler kritisiert Abweisung der Klagen gegen OMT-Programm der EZB

Der CSU-Politiker Peter Gauweiler hat die Zurückweisung seiner und weiterer Klagen gegen das Staatsanleihenkauf-Programm OMT der EZB durch das Bundesverfassungsgericht scharf kritisiert. Er frage sich „wann eine evidente Kompetenzüberschreitung vorliegen soll, wenn nicht beim OMT-Programm“, sagte Gauweiler der „Welt“ und fügte hinzu: „Aus meiner Sicht handelt es sich um ein krasses Fehlverhalten der EZB und eine ganz klare Kompetenzüberschreitung.“ Gauweiler wertete es zwar als positiv, dass das Bundesverfassungsgericht der Auffassung des Europäischen Gerichtshof (EugH) widersprochen habe, er sei alleine für die Auslegung des EU-Rechts zuständig.

Allerdings bedauerte der Kläger, die Karlsruher Richter fänden „jetzt nicht den Mut, sich dem EuGH entgegenzustellen“. „Es war aber nicht unsere erster und auch nicht unser letzter Besuch in Karlsruhe“, sagte Gauweiler der „Welt“. Er erwarte, dass die Verfassungsrichter noch in diesem Jahr eine Entscheidung zum laufenden Anleihenankaufprogramm im Rahmen des Quantitative Easing fällen.

Im Gegensatz zum OMT-Programm, das bisher noch nicht eingesetzt wurde, kauft die EZB im Rahmen des Quantitative Easing (QE) bereits heute monatlich für 80 Milliarden Euro Anleihen auf. Das QE-Volumen ist im Gegensatz zum OMT aber beispielsweise nicht unbeschränkt. Gleichwohl sagte Gauweiler: „Nach dem heutigen Urteil, wird Karlsruhe nichts anderes übrig bleiben, als das Quantitative Easing zu stoppen.“

Autor: dts | Foto: Kristan/Fotolia.de