Die Judendeportation in den Karnevalszügen öffentlich zur Schau gestellt
„Däm han se op d´r Schlips getrodde“ – so der Wagen Nummer 13 des Kölner Rosenmontagszuges 1936 als Kommentar zu den 1935 erlassenen Nürnberger Gesetzen. Der Kölner Stadt-Anzeiger lobte den Wagen: „gelungene politische Satire“ und als „recht witzig“. Durch die Nürnberger Gesetze durften Juden auch nicht mehr am Kölner Karneval teilnehmen, denn der Festausschuss Kölner Karneval und die ihm angeschlossenen Gesellschaften hatte beschlossen „Nichtarier“ auszuschließen. 1934 führte man den so genannten „Palästina“Wagen mit, der so vermutet man aus den Veedelszöch stammt. Als orthodox gekleidete Juden fahren Jecken mit langen Bärten auf dem Wagen mit. Auf einer weiteren Tafel steht: „Wir maachen nur e kleines Ausflügche nach Liechtenstein und Jaffa.“ Auch in Koblenz und Mainz gab es antisemitische Wagen. In Nürnberg, wo 1938 ein sogenannter „Schembartlauf“ abgehalten wurde, zeigte man einen Motivwagen mit dem Titel „Todesmühle“. An den Flügeln einer Windmühle hängen aufgeknüpfte Puppen. An einer eine Puppe mit Judenstern und auf dem Flügel steht „Jud“. Zeitzeugen berichten, dass der Wagen bejubelt wurde. Das Buch von Carl Dietmar und Marcus Leifeld, das sieht man an diesen wenigen Beispielen widmet sich nicht nur dem Kölner Fastelovend, sondern auch dem Münchner und Nürnberger Fasching, der allemannischen Fasnacht und dem Karneval im Rheinland. Es stellt Zusammenhänge her, erklärt die Gründung des Bundes Deutscher Karneval 1937 in München, die Entstehung der Feierlichkeiten von Weiberfastnacht, wie wir sie heute kennen oder das von der „Kraft durch Freude Organisation“ gestaltete Bordfest mit 9.000 Gästen in der Rheinlandhalle.

Der Buchtitel ist nicht von den Autoren frei gewählt, sondern ein Zitat einer Postkarte aus dem Jahr 1939, die mit dem Satz endet „Alaaf und Heil Hitler, dein Gerhard“ und es hat den Autor Carl Dietmar fasziniert. Mit dem Buch geht man eines der letzten Kölner Tabuthemen an. Bezeichnend findet es Dietmar, dass kein Kölner Verlag nach seiner Dokumentation „Heil Hitler und Alaaf“ im WDR auf ihn zukam, sondern ein Münchner Verlag. Dietmar macht aber deutlich, dass seit dem Jahr 2000 ein Generationswechsel im Kölner Karneval stattfindet, der eine Aufarbeitung auch dieser Zeit ermöglicht, ja ihn sogar fordert. Vor allem in den großen Chroniken, wie etwa der Roten Funken wird die NS-Zeit aufgearbeitet und nicht mehr wie früher ausgeklammert.

Marcus Leifeld verdeutlichte, dass es den nationalsozialistischen Machthabern schon früh drauf ankam den Karneval gleichzuschalten, ihn aber auch „reichsweit“ nach der schweren Krise der Weimarer Republik wiederzubeleben. Man habe sogar viel Geld dafür in die Hand genommen. Nicht nur die Inszenierung von Weiberfastnacht, auch die Prinzenproklamation wurde 1936 in dieser Zeit erfunden. Schon damals besuchten die Rosenmontagszüge rund 1,5 Millionen Menschen. Die Nationalsozialisten hatten schnell erkannt, dass dies dem Tourismus und damit der Wirtschaftsförderung dient. Dabei ging es den Herrschenden nicht so sehr um Brauchtumspflege, exportierte man doch rheinischen Frohsinn in die Alemannische Fasnacht oder Cowboys und Indianer frei nach Karl Mai. Leifeld sieht hierin eine „Verkitschung des Karnevals und die Etablierung des Karnevalsrummels.“

Schon damals Feste mit 9.000 Menschen
Der Karneval sollte aber auch zur Darstellung und Propaganda genutzt werden, da er in das ideologische Bild der Volksgemeinschaft passte die gerne gemeinsam singt. Dazu spannte man die „Kraft durch Freude“ Organisation ein. Wie etwa für das „Grosse Bordfest in der Rheinlandhalle“. Zivile Preise und billige Eisenbahntickets lockten Menschen aus dem gesamten Reichsgebiet an, ohne dass diese etwas vom Kölner Karneval verstanden. Darum wurden die Veranstaltungen auch nicht immer ein Erfolg. Ausführlich berichtet das Buch über die Narrenrevolte aus dem Jahr 1935, die Rolle des Beigeordneten Ebel und von Thomas Liessem, über die Zeit des „Schunkelverbotes“ während des Krieges und vieler Themen mehr.

Imposant gelingt übrigens der Einstieg in das Buch in dem die Fahrten Hitlers durch die jubelnden Menschenmengen, mit der Fahrt des Prinzen Karneval an Rosenmontag verglichen werden. Einen Vergleich den die von den Nationalsozialisten verfolgte Schriftstellerin Irmgard Keun schon 1937 in ihrem in Amsterdam erschienen Roman „Nach Mitternacht“ zog. Irmgard Keuns Beobachtungen: „Von weitem schwollen Rufe an: Heil Hitler, näher kamen der Mengen Ruf herangeschwellt, immer näher… Und langsam fuhr ein Auto vorbei, darin stand der Führer wie der Prinz Karneval im Karnevalszug. Aber er war nicht so lustig und fröhlich wie der Prinz Karneval und warf auch keine Bonbons und Sträußchen, sondern hob nur eine leere Hand.“

Das Fazit von Carl Dietmar ist für Köln ernüchternd. Der Kölner Karneval habe nicht viel Widerstand geleistet, da er schon immer auch unpolitischer als etwa der Mainzer Karneval war. Der Kölner Oberbürgermeister Adenauer habe schon1946 den Kölnern in seiner Rede in der Uni-Aula den kollektiven „Persilschein“ erteilt, den diese begierig aufgegriffen haben. Die Autoren sprechen in ihrem Kölner Epilog, dass das Thema „Fastelovend in der NS-Zeit“ das „kölsche Tabuthema“ schlechthin sei und auch eine Aufarbeitung nur schwer möglich ist. In den Archiven des Festkomitees und auch so mancher Gesellschaft fehlen die Dokumente aus dieser Zeit, wie etwa auch der frühere Festkomitee Archivar Gerhard Wilczek festgestellt hatte. Zeitzeugen haben „kriegsbedingte Erinnerungslücken“, die Bilder der „Palästina“-Wagen im Kölnischen Stadtmuseum waren lange Jahre mit einem „Gesperrt“-Stempel versehen. Hoffen lässt, was der amtierende Festkomiteepräsident Markus Ritterbach zur WDR-Dokumentation sagte: „Man muss sich wirklich schämen, wenn man sieht, was in der NS-Zeit etwa im Kölner Rosenmontagszug den Leuten präsentiert wurde.“

Für Menschen die sich für den Karneval interessieren ist dieses Buch ein Muss!


Carl Dietmar / Marcus Leifeld
„Alaaf und Heil Hitler – Karneval im Dritten Reich“
F.A. Herbig-Verlagsbuchhandlung GmbH, München
ISBN 978-3-7766-2630-8

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