9.20 Uhr geht der Flug
Gestern befand sich Wolfgang Strahl, EU-Koordinator der Hilfsorganisation für Einsätze im Ausland, noch im Ski-Urlaub in Bayer. Ein Anruf holte ihn von der Piste runter. Heute steht er in der Kölner Zentrale der Johanniter und bereitet sich auf seinen wohl schwersten Einsatz bislang vor. Morgenfrüh um 9.20 Uhr wird er zusammen mit zehn weiteren Hilfskräften in die Dominikanische Republik fliegen. Im Gepäck: so viel medizinisches Material wie sie tragen können. Von der Dominikanischen Republik aus werden sie dann mit Lastwagen und Bussen nach Port-au-Prince fahren.

Schnell musste heute alles gehen. Denn es blieb nur ein Tag, um sich auf den Einsatz vorzubereiten. Strahl verschaffte sich per Fernsehen, Internet und einem Portal der Hilfsorganisationen einen Überblick über die Lage vor Ort. Darüber hinaus steht er in engem Kontakt mit den Hilfskräften, die bereits in Haiti sind. Erst heute Abend wird er auf sein Team treffen – unter ihnen sind Ärzte, Rettungssanitäter und Logistiker. Ihre erste Aufgabe wird in der medizinischen Versorge der Menschen bestehen. Besonders dringend benötigt werden derzeit Medikamente, Verbandsmaterial und eine Grundausstattung an chirurgischen Instrumenten.

“Der schwierigste Einsatz meines bisherigen Lebens“
Wolfgang Strahl ist ein wenig unruhig. „Was kommt auf mich zu? Was wird zu tun sein?“, fragte er sich heute immer wieder. Denn die Lage auf Haiti spitzt sich zu. Aus Hunger und Not plündern immer wieder Menschen Häuser und Lager. Hilfskräfte seien bislang jedoch noch nicht angegriffen worden, erklärt Strahl. Dennoch ist er angespannt. Denn er selbst wird das Hilfsteam aus Deutschland leiten und damit für 12 Menschen die Verantwortung schultern müssen. Derzeit wurde die Sicherheitsstufe drei ausgerufen. Normalerweise überlegen Hilfsorganisationen bei dieser Sicherheitslage, ob sie das Land verlassen. Jetzt reisen sie erst hin. Darum müssen sie besondere Sicherheitsmaßnahmen beachten. So werden sie immer in Dienstkleidung unterwegs sein, um für alle als Hilfstätige erkennbar zu sein, und nur tagsüber arbeiten.

Doch sein Team ist gut ausgebildet. Jahrelang hat man sich schließlich auf derartige Einsätze vorbereitet. Strahl war bereits etwa im Kosovo, im Balkan und in Sri Lanka tätig. Dennoch glaubt er, dass er in den nächsten Tagen vor besondere Hindernisse gestellt wird. „Das wird der schwierigste Einsatz meines bisherigen Lebens“, meint der Kölner. Denn die komplette Infrastruktur in Haiti ist zusammengebrochen. Es gibt kein fließendes Wasser und keinen Strom. Derzeit werden Handy-Masten aufgestellt, um mit der Welt in Kontakt bleiben zu können. Zudem ist der Transport von Hilfsgütern zu dem Inselstaat erschwert, da alles per Schiff oder Flugzeug verschickt werden muss.

“Die Helfer werden sicherlich an ihre Grenzen geführt“
Darüber hinaus erwarten die Hilfskräfte auch seelische Herausforderungen. Darum wird Wolfgang Strahl von seinem Kölner Kollegen Joachim Müller-Lange begleitet. Müller-Lange ist Landespfarrer für Notfallseelsorge. „Die Helfer werden sicherlich an ihre Grenzen geführt oder auch weit darüber hinaus“, so der Seelsorger. Daher erhalten alle Helfer während und nach dem Einsatz psychologische Betreuung. Doch auch im Vorfeld bereiten sich Hilfskräfte auf ihre Einsätze gut vor. Sie lernen, wie man die Bilder, Gerüche und Geräusche der Katastrophen aufnehmen und verarbeiten kann.

Cornelia Schlößer für report-k.de/ Kölns Internetzeitung