Köln | Am kommenden Samstag gibt es in Köln wieder Probealarm mit 77 städtischen Sirenen. Das Innenministerium in NRW nennt dies Weckruf. Und was machen Sie dann als Bürger? Wo informieren Sie sich? Das Innenministerium Nordrhein-Westfalen hat klare Vorstellungen. Dann holen im Not- oder Katastrophenfall die Bürger ihr Transistorradio raus, legen vier frische Batterien ein, die man immer im Haus hat und lässt sich vom Innenminister instruieren. Das statistische Bundesamt hat zuletzt 2001 die Dichte der in der Regel Netzstrom abhängigen Radiorecorder und Stereoanlagen erfasst. Grund für den Wegfall der Erfassung: Sie spielen keine Rolle mehr, vom Transistorradio ganz zu schweigen

Das Innenministerium NRW, geführt von SPD Mann Jäger, hat einen Erlass aus dem vorigen Jahrhundert. Dort heißt es, dass die Bevölkerung über Sirenen zu warnen sei und der WDR 2 zu informieren. Dann haben alle Bürger brav WDR 2 anzuschalten, dass sagt der Erlass eindeutig aus. Verbreitung von WDR 2 nach eigenen Angaben des WDR am 7. März 2012 mit einer Tagesreichweite in ganz Nordrhein-Westfalen von 19,9 Prozent. Jetzt im April wird der analoge Rundfunk abgeschaltet und es gibt nur noch die digitalen Kanäle. Im Gegensatz dazu haben in Nordrhein-Westfalen 74,4 Prozent der Menschen einen Internetzugang. Das mobile Internet nutzen 26,4 Prozent der Deutschen, Tendenz stark steigend, leider gab es hier noch keine Werte für NRW. (Daten Internetnutzung n-Onliner Atlas 2011)

Innenminister Jäger setzt aufs Transistorradio

Im Katastrophenfall sind die Kommunen oder Landkreise und das Land zuständig. Dazu schreibt das Innenministerium Nordrhein-Westfalen zu einer Anfrage von report-k.de: „Bei Einsätzen der Feuerwehr obliegt die Aufgabe der Warnung bei der Gemeinde. Bei Großereignissen und im Katastrophenfall ist es Sache der Kreise, die Bevölkerung zu warnen. Jeder Kreis und jede kreisfreie Stadt hat nach den dortigen Besonderheiten und Risiken aus den denkbaren Warnmitteln eine angemessene Mischung zu entwickeln und zu verantworten. Dazu gehören auch Lautsprecherdurchsagen. Die Gefahrenabwehrbehörde kann auch weitere Festlegungen treffen, wie sie die Anwohner im Gefahrenfall warnt, z.B. über das Internet. Das Radio als Informationsquelle ist seit Jahrzehnten im Bewusstsein der Bevölkerung fest verankert. Es ermöglicht eine umfassende Information begleitet von Handlungsanweisungen. Mit der Nutzung sind alle Altersschichten vertraut. Ein Transistorradio bietet überdies den Vorteil, dass es auch bei längeren Stromausfällen netzunabhängig und ortsungebunden seinen Dienst versieht. Der Empfang des Radioprogramms ist häufig auch über Internet bzw. mobile Endgeräte möglich.“ Und genau hier wird es kniffelig und so richtig schön Behördendeutsch. Denn diese Stellungnahme des Innenministeriums geht über den bestehenden Erlass weit hinaus. Der lediglich eine Warnung über Radio vorsieht. Warnt der Brandmeister also nur via WDR 2, dann hat er gesetzlich richtig gehandelt.

Kölner Feuerwehr denkt schon weiter

Immerhin hat man sich bei der Kölner Feuerwehr schon darüber hinaus Gedanken gemacht, so schreibt der leitende Branddirektor Johannes Feyrer: „Der Hinweis auf die Nutzung des Mediums Radio in den Warntexten fußt tatsächlich auf einer Erlaßlage des Innenministeriums NRW und liegt somit nicht in unserer Entscheidungskompetenz. Das Problem der flächendeckenden Erreichung der Bevölkerung wurde bereits im Jahr 2008 von uns erkannt. Mit der VA „Warnung und Information der Bevölkerung über Rundfunk“ von 01.2009 wird diesem Umstand Rechnung getragen. Durch die Vereinbarung der Nutzung des Verkehrsfunks über die Polizei erreichen wir innerhalb weniger Minuten alle Radiosender und somit auch viel mehr Hörer, als die des WDR2. Die Stadt Köln wird bei einem (Groß)schadensereignis alle nutzbaren Medien für die Information der Bevölkerung einsetzen. Das Radio stellt wegen der Batterieversorgung Heim- oder KFZ-Nutzung) weiterhin eine wichtige Komponente dar, es ist aber nicht die ausschließliche. Die Internetredaktion von stadt-koeln.de erabeitet derzeit eine Technik, mit der die Feuerwehr Warn- und Informationstexte in einer Maske oberhalb der städtischen Homepage legen kann. In der zweiten Ausbaustufe ist angedacht, von dieser Maske aus durch einen Automatismus weitere Kanäle zu bedienen (z. B. Online-Auftritte Kölner Zeitungen, Smartphones durch die Stadt Köln-App oder Facebook-Seiten).“

Das Innenministerium erklärt zudem dass man in Gesprächen mit dem Bund nach neuen Satellitengestützten Systemen suche und entwickle. Unter anderem denkt man darüber nach Autos im Katastrophenfall hupen zu lassen, eine Entwicklung des Fraunhofer Instituts. Weiter heißt es dazu „Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich daneben auch mit Fragen der Rahmenbedingungen, z. B. einheitlichen Warnsignalen und Mustertexten. Das künftige Warnsystem muss zu landesweiter Warnung ebenso in der Lage sein wie zu kleinräumigen Warnungen, z. B. bei Schadstoffaustritten. Bis solche Systeme erprobt und – auch im Bewusstsein der Bevölkerung – etabliert sind, wird es bei den bisherigen Verfahren bleiben. Die zielgerichtete Information und Warnung der Bevölkerung wird auch zukünftig über die Medien sicher gestellt.“

Minister Jäger und sein Ministerium leben in der Informationssteinzeit

Köln liegt im Chemie-Speckgürtel und denkt man an den Brand bei INEOS zurück, dort wurden die meisten Medien erst drei Stunden nach dem Brand informiert, von der Bevölkerung ganz zu schweigen, die Messfahrzeuge des LANUV blieben im NRW Feierabendverkehr stecken, fragt man sich warum Behörden gerade in der Frage der Notfallvorsorge so langsam und eindimensional denken. Auch das jüngste Schadensereignis in Marl zeugt davon. Das Ministerium des SPD Mannes Jäger ist in der Notfallalarmierung und Planung in der Steinzeit der Informationstechnik stehen geblieben. Sollen Sie Satellitensysteme entwickeln, die Autos hupen lassen, aber in der Notfallalarmierung müssen die naheliegenden Techniken voll ausgenutzt werden. Da reicht eine prompte SMS an alle Online-Medien in einer Stadt oder einem Kreis, oder ein Anruf in den entsprechenden Redaktionen und schon erreiche ich eine Vielzahl von Menschen, als die Besitzer von Transistorradios. Denn die meisten Menschen schauen in solchen Fällen im Internet nach, eine Technik mit der wie die Zahlen sagen 74,4 Prozent der Menschen in Nordrhein-Westfalen vertraut sind. Eine Änderung des Erlasses ist übrigens sehr billig zu haben, wenn nicht sogar annähernd kostenneutral: Nachdenken, Zahlen richtig lesen und interpretieren, formulieren und den ministeriellen Erlass der Gegenwart anpassen und mal ausnahmsweise nicht auf Pfründe oder althergebrachte Vorrechte öffentlich-rechtlicher Anstalten achten. Aber genau hier sperrt sich SPD Mann Jäger und sein Ministerium und nimmt damit billigend in Kauf, dass in echten Notfällen in Nordrhein-Westfalen die Bevölkerung nicht maximal optimal informiert wird und damit eine Gefährdung nicht auszuschließen ist.

Hinweise zum Kölner Sirenentest am Wochenende:

Der nächste Probelauf für die Sirenen auf Kölner Stadtgebiet findet am Samstag, 14. April 2012, statt. Dann werden die Systeme wieder auf Funktionalität überprüft, außerdem soll der Probealarm den Bürgerinnen und Bürgern vermitteln, wie sie sich im Notfall verhalten sollen. Um 12 Uhr löst die Berufsfeuerwehr alle 77 Kölner Sirenen aus. In Köln sind die Warnsignale probeweise vier Mal im Jahr zu hören.

Der Probealarm beginnt mit einem einminütigen Dauerton, der im Ernstfall „Entwarnung“ bedeutet. Danach folgt eine fünfminütige Pause. Anschließend ist ab 12.06 Uhr ein einminütiger auf- und abschwellender Heulton zu hören. Dabei handelt es sich um das eigentliche Warnsignal, das bei einem echten Notfall auf eine Gefahrenlage hinweist. Nach einer weiteren fünfminütigen Pause schließt um 12.12 Uhr ein einminütiger Entwarnungsdauerton den Probealarm ab.

Die Bürger sollen im Ernstfall bei einer Auslösung der Sirenen geschlossene Räume aufsuchen, Passanten bei sich aufnehmen, Türen und Fenster geschlossen halten und sich informieren.

Autor: Andi Goral | Foto: fotolia, bildpix