Duisbug/Düsseldorf | Viele kleine Fahrräder parken vor dem roten Klinkerbau des Evangelischen Kindergartens in Duisburg-Neudorf. Die gläserne Eingangstür steht einladend offen. Schon bald wird hier noch mehr Betrieb herrschen, denn mehr Eltern suchen Betreuung für ihren Nachwuchs bis zum dritten Lebensjahr. Ab August 2013 gilt bundesweit ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder zwischen dem ersten und dritten Lebensjahr. Die NRW-Landesregierung rechnet eigenen Angaben zufolge mit einem Bedarf von 32 Prozent oder 144.000 Plätzen – bis zum kommenden Jahr fehlen damit also noch 27.000 Angebote.

Der Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen spricht von einer machbaren Kraftanstrengung. „Fast in jeder Kommune sind neue Kitas geplant oder schon im Bau“, erklärt Sprecher Martin Lehrer in Düsseldorf auf dapd-Anfrage. Die Eltern, die einen Betreuungsplatz für ihr Kind wollten, würden auch einen bekommen. „Vielleicht nicht vor der Haustür und vielleicht privat bei einer Tagesmutter“, räumt er ein. Die Kommunen könnten die Kitas schließlich nicht aus dem Boden stampfen. „Wir müssen uns auf Aufweichungen von Ausstattungsstandards und Provisorien einstellen“, stellt er klar.
Ruhrgebietsstädte bei Betreuungsquote im unteren Mittelfeld.

Auch Engpässe beim Personal seien zu erwarten: „Die erforderliche Zahl an ausgebildeten Betreuungskräften werden wir zunächst nicht bekommen“, weiß der Städtebundsprecher. Tagesmütter sollten solange die Betreuung mit übernehmen. Der Verband setze dabei auf ehemalige Kindergärtner und Beschäftigte aus dem Gesundheitswesen. „Es gibt genug tüchtige Personen, denen man die Arbeit zutrauen kann“, sagt er. Gefragt sei auch der gute Wille der Eltern. „Natürlich können diese auf einen Betreuungsplatz klagen. Das ist aber reine Selbstbefriedigung“, urteilt Lehrer. Die Kommunen verlören so Gerichtsprozesse und Geld, das wieder beim Ausbau fehle.

„Wir schaffen das nicht“

Der bald geltende Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Unter-Dreijährige bereitet den Fachleuten in Duisburg Sorge. Das Jugendamt fürchtet, von vorneherein an der Vorgabe der Landesregierung zu scheitern. „Wir schaffen das nicht“, sagt Leiter Thomas Krützberg etwas hilflos. Mit Ausnahme von Düsseldorf und einiger Städte in der Umgebung stelle der Kita-Ausbau die Kommunen vor eine „unlösbare Aufgabe“. Nach Angaben der Landesregierung liegt die Betreuungsquote in Duisburg derzeit bei 23,2 Prozent – ähnlich wie in anderen Revierstädten. Am besten ist die Betreuung in Leichlingen (Rheinisch-Bergischer Kreis) mit 47,7 Prozent, das Schlusslicht in NRW ist Hückelhoven (Kreis Heinsberg) mit 13,0 Prozent.
Kindergartenleiterin will Kinder nicht aufbewahren
„Wir wollen bis August 2013 28 Prozent erreichen“, kündigt der Duisburger Jugendamtsleiter an. Damit verfehle die Kommune das Ziel der Landesregierung immer noch um vier Prozentpunkte. „In Duisburg gilt Qualität vor Quantität“, erklärt Krützberg und fügt hinzu: „Ich werde nicht wahllos Gruppen vergrößern und Provisorien aus dem Boden stampfen.“ Wenn der Qualitätsstandard in der Betreuung erst einmal gesunken sei, werde dieser schnell zur Regel. „Duisburg ist seit Jahren finanziell gebeutelt“, gibt der Jugendamtsleiter zu bedenken.

Auch die Leiterin des Kindergartens in Duisburg-Neudorf ist beunruhigt. „Wenn ich höre, dass ungelernte Kräfte eingestellt werden sollen, ist das der helle Wahnsinn“, schimpft Irmtraud Thummes und fügt hinzu: „Die Kinder sollen gefördert werden. Wir bewahren sie nicht auf.“ Der Kindergarten habe für das Jahr 2012/2013 bereits 30 Anmeldungen für Kinder unter drei Jahren, im laufenden Betreuungsjahr seien es nur etwa 25 gewesen. Dennoch könne die Einrichtung beim nächsten Mal gerade einmal knapp zehn Sprösslinge aufnehmen. Denn viele Kinder vom Vorjahr seien noch sehr jung, sie blieben deshalb in ihren Gruppen, erklärt Thummes.

Und dennoch: Der Duisburger Kindergarten ist für die Neuankömmlinge gewappnet. „Wir haben erweitert, zwei neue Räume bekommen, die extra für die ganz Kleinen möbliert ist“, erklärt die Leiterin. Der 22.000 Euro teure Anbau habe die Einrichtung zu 20 Prozent selbst finanziert, die restlichen Kosten habe das Land übernommen.

Autor: dapd