Berlin | Die Koalition hält auch nach dem jüngsten Anschlag in Kabul an Abschiebungen nach Afghanistan fest. „Es gibt Provinzen und Distrikte, in denen die Lage vergleichsweise sicher und stabil ist und in denen Millionen Menschen ihrem Alltag nachgehen“, sagte Unionsfraktionsvize Stephan Harbarth der „Rheinischen Post“ (Donnerstagsausgabe). So lange seien auch innerstaatliche Fluchtalternativen vorhanden.

Auch SPD-Innenexperte Burkhard Lischka sieht „relativ sichere“ Gegenden in Afghanistan. Er forderte zugleich die Bundesländer dazu auf, ihre Rückführungspraxis zu vereinheitlichen. „Wir sollten uns – auch im Interesse unserer eigenen inneren Sicherheit – darauf beschränken, Gefährder und schwere Straftäter abzuschieben“, sagte Lischka der Zeitung.

Nouripour ruft Bundesregierung zu Umdenken in Abschiebepolitik auf

Der Verteidigungsexperte der Grünen, Omid Nouripour, fordert die Bundesregierung zum Umdenken ihrer Abschiebungspolitik auf. „Der schlimmste Anschlag seit dem Fall der Taliban zeigt die Dramatik der Sicherheitslage in Afghanistan“, sagte Nouripour der „Heilbronner Stimme“ (Freitagsausgabe). „Es ist nur noch zynisch, wenn die Bundesregierung ihre für Abschiebungen geschönte Einschätzung der Sicherheitslage nicht endlich korrigiert.“

Bei einem Anschlag in der afghanischen Hauptstadt Kabul waren am Mittwoch mehr als 80 Menschen ums Leben gekommen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte eine Sammelabschiebung nach Afghanistan abgesagt, zugleich allerdings betont, an der grundsätzlichen Haltung der Bundesregierung werde sich nichts ändern.

Sieling: Regierung muss Sicherheitseinschätzung zu Afghanistan überprüfen

Nach dem schweren Anschlag in Kabul hat Bremens Regierungschef Carsten Sieling (SPD) Zweifel an der Abschiebepraxis der Bundesregierung geäußert: „Der grausame Anschlag in Kabul macht es aus meiner Sicht zwingend, dass die Bundesregierung ihre Sicherheitseinschätzung überprüft“, sagte Sieling den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstag). Er verwies zudem auf einen Bericht des Flüchtlingshilfswerks UNHCR, der die Sicherheitslage in Afghanistan überall im Land als unsicher bewertet. „Nicht zuletzt der UNHCR-Bericht hat sehr deutlich gemacht, dass es eine Reihe offener Fragen hinsichtlich der Sicherheitslage in Afghanistan gibt“, sagte der Bürgermeister.

„Bremen hat sich deshalb wie andere Länder auch, nicht an den Abschiebungen in das Land beteiligt.“ Zuvor hatte bereits Bundesratspräsidentin Malu Dreyer (SPD) die Bundesregierung aufgefordert, ihre Haltung zu Abschiebungen nach Afghanistan auf den Prüfstand zu stellen. Die Regierung müsse „die Sicherheitslage in Afghanistan überprüfen und damit die Voraussetzungen, unter denen Abschiebungen dorthin stattfinden können“, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin den Funke-Zeitungen.

Herrmann: Abschiebung nach Afghanistan „immer noch zumutbar“

Nach dem schweren Anschlag in Afghanistan hat sich Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) gegen Forderungen gewandt, die Abschiebepraxis zu verändern. „Der jüngste Anschlag in Kabul war fürchterlich. Aber man muss nicht deswegen die Abschiebungen stoppen“, sagte Herrmann den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstag).

„Eine Rückkehr nach Afghanistan ist immer noch zumutbar.“ Er betonte, Bayern habe nicht die Absicht, die Abschiebepraxis „auf Dauer zu stoppen“. Bei einem Anschlag in der afghanischen Hauptstadt Kabul waren am Mittwoch mehr als 80 Menschen ums Leben gekommen.

Autor: dts
Foto: Flüchtlinge an der Drehscheibe Köln im Jahr 2015