Köln | KOMMENTAR | Es war Demo in Köln gegen Rechts und nicht nur dort. Viele sind gekommen. Das ist gut. Damit ist noch nicht alles gut: Es gibt ein Aber. Ein Kommentar von Andi Goral.
Es sind hunderttausende Menschen, die in dieser Woche und am Wochenende auf die Straße gehen. Die schnell mobilisiert werden konnten. Die Netzwerke wie in Köln von Arsch huh, Köln stellt sich quer, Köln gegen Rechts, Omas gegen Rechts und all die anderen funktionieren und können mobilisieren. Sie rufen und wie heute am Sonntag kamen viele Kölnerinnen und Kölner. Das ist die gute Nachricht. Es sendet ein Signal an Menschen mit internationaler Familiengeschichte, die hier leben und an die Welt: Schaut her, viele Menschen in diesem Land und in Köln sind nach wie vor an Eurer Seite. Dies schafft Vertrauen. Ein wertvolles Signal.
Politikerinnen und Politiker loben daher, weil sie um den Wert dieser Solidarität wissen. Es ist auch eine Selbstvergewisserung derer, die dort hingehen. Dieses Wir funktioniert. Die Gleichgesinnten sind noch da. Es ist kuschelig, wenn die Bläck Fööss das Stammbaum-Lied anstimmen. Das war auch in den letzten Jahren nicht immer so. Die Gruppe derer, die sich gegen Rechts mobilisieren ließ war zeitweise deutlich kleiner. Aktuell ist der Protest in aller gutbürgerlicher Munde. Bei gutbürgerlichen Freunden bei Rotwein und politischer Debatte fällt die Frage: Gehst Du auch zur Demo?
Das alles ist gut und aller Ehre wert. Dieses Signal wird verstanden und kommt an, wenn Organisationen wie der Zentralrat der Juden in Deutschland davon sprechen, dass damit Vertrauen entstehe. Schwieriger wird es allerdings schon auf der persönlichen Ebene, etwa bei der Frage, wie gehe ich mit jemandem in meinem Umfeld um, wenn dieser rechte Positionen vertritt?
Aus diesem und weiteren Gründen gibt es ein Aber. Öffentlicher Protest, wie aktuell, schaffte es in den 1990er Jahren, nachhaltig die Debatte zu beeinflussen und Rassismus öffentlich zu ächten. Gleichwohl gab es auch damals eine Verschärfung des Asylrechts. In den 1990er Jahren gab es rechtsextreme Parteien in Deutschland, wie die Republikaner, die DVU und die NPD. Das Parteienspektrum der Rechten war zersplittert. Rechtsextreme und Nationalkonservative bekriegten sich. Ihr politischer Einfluss gering und ihre besten Wahlergebnisse waren auf Landes- und Bundesebene einstellig. Die klassischen Medien waren in Deutschland meinungsführend. Wer glaubt, so wie 1992 auf dem Chlodwigplatz, Pappschild hochhalten und jetzt ist alles gut und man könne zur Tagesordnung übergehen, dürfte falsch liegen. Es ist ja überaus bemerkenswert, dass sich an diesem Wochenende die Werteunion gründete.
Denn zu viele Parameter haben sich verändert. Mit der AfD gibt es eine Partei die 22 Prozent in Umfragen erringt und die damit zweitstärkste Kraft in diesem Land wäre, wenn sie dies in der nächsten Bundestagswahl umsetzen könnte. In den ostdeutschen Bundesländern, in denen dieses Jahr gewählt wird, wäre sie stärkste Kraft.
Die AfD und die Neue Rechte sind zudem anders als in den 1990er Jahren heute strategisch aufgestellt. Wer dies ignoriert ist naiv.
Die AfD und die neue Rechte – auch international durch Trumps Fake News Kampagne – haben die klassischen Medien als „Mainstream-Medien“ oder „Lügenpresse“ mittlerweile ein Jahrzehnt lang verunglimpft und in konservativen Kreisen geschrumpft. So schreibt Maximilian Krah, der Spitzenkandidat für die Europawahl der AfD in seinem Buch „Politik von rechts“: „Von daher ist es Kernbestandteil jeder rechten Medienpolitik, auf die politische Voreingenommenheit der Medien hinzuweisen, die Doppelstandards ihrer Berichterstattung zu problematisieren, ihre Lügen zu benennen und generell davor zu warnen ihnen zu glauben.“ Wie war das nochmal mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung, die etwa für Medien gesetzlich im Landespressegesetz NRW geregelt ist?
Die AfD und die neue Rechte nutzen die Digitalisierung. Krah empfiehlt auf alternative Medienangebote zu verweisen und diese nach Kräften zu unterstützen. Diese sind heute wirkmächtig und reichen von Blogs, Zeitschriften bis hin zu Social Media. In dieser Blase wird die eigene Klientel bereits intensiv zu den aktuellen Demonstrationen bespielt mit Headlines wie „Die Wahrheit über die Anti-AfD-Demos“. Was dann folgt ist Lug und Trug. So wird davon geschwafelt dort fänden sich nicht die Bürgerinnen, sondern nur NGOs, die am Tropf der Regierung hingen. Alle, die heute auf der Demo in Köln waren, immerhin mehrere Zehntausend wissen, das dies nicht stimmt. Also weitersagen.
Vor diesem Hintergrund dürfte es die Klientel, die offen oder nur in der Wahlkabine mit den Positionen der AfD sympathisiert, wenig beeindrucken was gerade auf den deutschen Straßen passiert. Das muss allen klar sein.
Aber es braucht den Einsatz aller Demokraten jetzt eine klare Sprache zu sprechen. Das heißt im Klartext: Es ist nicht mit den Demos getan. Sie können nur der Impuls als Selbstvergewisserung sein, wir die Demokraten sind mehr und wir sind stark. Alle sind gefordert, dauerhaft gegen die Unglaubwürdigkeit und die Lügen der AfD gegenzuhalten uns sie zu entlarven. Als Verbände, als Organisation, als Verein, als Politikerin und Politiker, als Mensch. Zustimmung zu den Positionen der AfD oder der Neuen Rechten führt zu gesellschaftlicher Ächtung. Die Demonstrationen sollten Demokratinnen und Demokraten darin bestärken, Rassisten im Alltag zu ächten. Politikerinnen und Politiker sollten sich klar machen, dass sie gerade in diesem Jahr gefordert sind, die Demokratie an allen Enden und Ecken sturmfest zu machen. Ein Signal, das auch die Demos senden: Wir gehen für unsere Demokratie auf die Straße und ihr habt unsere Unterstützung, wenn ihr sie vor rechten Umtrieben schützt. Wir alle sind weiter täglich gefordert für diese Demokratie einzustehen und die Demos schenken das Vertrauen das Richtige zu tun.