Köln | Die amtierende Oberbürgermeisterin Henriette Reker wird bei ihrer Kandidatur von CDU und Grünen unterstützt. Die SPD stellt mit Andreas Kossiski einen eigenen Kandidaten auf. Die Linke will einen eigenen Kandidaten nominieren, die FDP Rekers Kandidatur nicht unterstützen und es gibt etwa mit Thor Zimmermann von der Ratsgruppe Gut einen Kandidaten aus dem Umfeld der kleinen Gruppierungen. Auch weitere Kandidaten kündigen an, sich um das Amt zu bewerben. Die OB-Wahl ist das eine, die Zusammensetzung des Rats das andere. Eine Analyse politischer Optionen und Kommentar von Andi Goral.

Die Ausgangslage

Nach der Europawahl 2019 ist mit einer Verschiebung der politischen Kräfte in Köln auch bei der Kommunalwahl zu rechnen. Auch wenn Kommunalwahlen sicher nicht mit überregionalen Wahlen vergleichbar sind, lohnt der Blick auf das letzte Ergebnis vor allem vor dem Hintergrund des Erstarkens der Grünen. Vergessen werden sollte hier zudem nicht, dass bei den Umfragen im Bund die Grünen zweitstärkste Kraft sind. Die Grünen holten bei der Europawahl in Köln fast 33 Prozent und ließen CDU mit rund 20 und SPD mit 17 Prozent weit hinter sich. Die AfD, die Linke und die FDP erreichten knapp über 6 Prozent bei der Europawahl. Unter den Sonstigen sticht vor allem Die Partei hervor mit mehr als 3 Prozent.

Bei der letzten Kommunalwahl war die SPD mit fast 30 Prozent die stärkste, die CDU knapp dahinter die zweitstärkste und die Grünen mit unter 20 Prozent die drittstärkste Kraft. Die Linke lag bei rund 7 Prozent, die FDP erreichte 5 und die AfD bei 3,6 Prozent. Allerdings erreichte die mittlerweile aufgelöste rechte Bürgerbewegung „Pro Köln“ 2,59 Prozent.

Mit einem ähnlichen Ergebnis ist bei den aktuellen politischen Vorzeichen, also mit einer SPD als stärksten Kraft nicht zu rechnen. Da die SPD für ein gutes Abschneiden eine hohe Wahlbeteiligung benötigt und diese bei Kommunalwahlen eher immer gering war bisher, dürfte es für die Sozialdemokraten sehr schwer werden ihren Spitzenplatz zu verteidigen.Spannend dürfte es sein, wo sich die Grünen positionieren können und ob es Ihnen gelingt sich noch vor der CDU an die Spitze zu setzen. Welche Mehrheiten könnte eine Oberbürgermeisterin oder Oberbürgermeister hinter sich vereinen können. CDU und Grüne könnten ihre Machtbasis im Rat ausbauen und gemeinsam eine Mehrheit erreichen. Gewänne Reker die OB-Wahl könne sie sich darauf verlassen.

Spekuliert die SPD auf die Stichwahl bei der OB-Wahl?

Die Wahl um das Amt der Oberbürgermeisterin oder des Oberbürgermeisters von Köln dürfte für die Amtsinhaberin aber nicht so glatt laufen, wie bei ihrer ersten Wahl – Gewinn in der ersten Runde. Denn das Rekerbündnis hat an Power verloren. Die FDP ist ausgeschert, stellt zwar keinen eigenen Kandidaten/in auf, aber hier werden Reker Stimmen fehlen. Und mit der Ratsgruppe Gut, hervorgegangen aus Deine Freunde, stellt Thor Zimmermann einen eigenen Kandidaten. Rein rechnerisch bringen CDU und Grüne, die Reker unterstützen zwar mehr als 50 Prozent mit (Ergebnis Europawahl), aber es gibt in beiden Lagern, das zeigte auch das Nominierungsergebnis der Mitgliederversammlung der Grünen oder des Kreisparteitags der CDU von Reker Enttäuschte. Damit steigen die Chancen auf eine Stichwahl.

Andreas Kossiski dürfte aus seiner Zeit als DGB-Vorsitzender noch vielen in der Region Köln bekannt sein, von 1. Mai Kundgebungen und seinen politischen Aktivitäten auch gegen Rechts. Die Gewerkschaften erreichen immer noch viele Menschen und können diese mobilisieren. Auch seine klare Haltung gegen Rechts und sein Engagement gegen Rechts dürften für ihn Pluspunkte sein. Kossiski steht als ehemaliger Polizeibeamter für eine konservative Law and Order-Politik und dürfte für CDU-Wähler attraktiv sein, die sich nicht mit Reker identifizieren können und die ihr die Armlänge Abstand nicht vergessen haben. Kossiski kann populistisch formulieren und Themen populistisch zuspitzen. Das dürfte spannend werden, ob er damit beim Wahlvolk punkten kann. Bei seiner letzten Wahl im Wahlkreis Köln IV bei der Landtagswahl NRW gewann er allerdings nur sehr knapp gegen seinen Herausforderer Christian Möbius mit 62 Stimmen Vorsprung.

Es könnte also durchaus sein, dass Kossiski als Herausforderer von Henriette Reker eine Chance hat, in die Stichwahl zu kommen. Die Linke könnte dann in der Stichwahl Kossiski unterstützen, Teile der CDU auch. Bei den Grünen dürfte Kossiski, mit seiner aktuellen Positionierung, eher nicht punkten.

Welche politischen Optionen ergeben sich für den Rat?

Nicht vergessen werden sollte, dass, wer auch immer Oberbürgermeisterin oder Oberbürgermeister von Köln wird, auch eine stabile Mehrheit im Rat braucht. Hier ist das Signal, dass die SPD mit der Nominierung von Kossiski sendet, spannend. Kossiski, wie auch Reker, stehen beide nicht für Innovation, Fortschritt, Digitalisierung, erneuerbare Energien – also das neue Jahrhundert der Chancen mit neuen Technologien, sondern für die fossile Vergangenheit. Könnten die Grünen – auch und gerade nach den Erfahrungen mit OB Jürgen Roters, ebenfalls ein Vertreter der fossilen SPD – sich für einen Kandidaten Kossiski erwärmen, wenn ihre eigene Kandidatin scheitern würde?

Schwer anzunehmen, vor allem nachdem Kossiski beim Thema Grüngürtel sich schon so eindeutig positioniert, wahrscheinlich in der Hoffnung auf viele Wähler aus den Reihen des 1. FC Köln und der Konservativen in der CDU, die Rekers Haltung in dieser Frage sicher nicht eindeutig genug finden. Ein Signal in Richtung Grüne sendet Kossiski hier ganz klar nicht. Ganz im Gegenteil. Und dass, obwohl das jüngst von den Grünen verabschiedete Kommunalwahlprogramm durchaus rot-grüne Pflänzchen enthält. Und es dürfte bei den Grünen viele Freunde der „Fridays for Future“-Bewegung geben, die mit einer solchen Haltung nichts anfangen können. Wie viele gibt es bei der SPD, die auf Linie von „Fridays for future“-Linie ticken? Gerade in Bezug auf den Kölner Grüngürtel, der eine hohe Symbolkraft vor dem Hintergrund der Klimadebatte und -notstand hat, sind sich CDU, SPD und FDP näher.

Scheitert Reker und gewinnt Kossiski dürfte es fraglich sein, ob die Grünen für Rot-Grün oder Rot-Rot-Grün zu gewinnen wären. Hier darf Köln auf den Wahlkampf gespannt sein und wie populistisch Kossiski Themen wie den Grüngürtel ins Spiel bringen und die SPD positionieren wird. Eine andere Option wäre, dass vielleicht die Grünen die meisten Stimmen erhalten, aber bei einem Scheitern von Reker sich SPD und CDU zusammentun und eine Große Koalition bilden werden. Allerdings dürfte die CDU mehr Stimmen erreichen als die SPD in der Ratswahl zumindest unter den aktuellen Vorzeichen. Ob es dann mit dem Ego der CDU vereinbar sein wird unter einem SPD Oberbürgermeister Kossiski als Juniorpartner zu agieren, dürfte spannend werden und wirft die Frage auf, warum die CDU es sich nicht zugetraut hat eine/n eigene Kandidatin, Kandidaten zu nominieren.

Mit Kossiski als Kandidat sendet die SPD ein Signal der Stärke und des Machtwillens in Köln. Das mag gegen eine angeschlagene – der Pitch um die IAA ging gerade verloren, die FC-Diskussion und viele andere offene Themen – Oberbürgermeisterin Reker den SPD-Kandidaten in die Stichwahl bringen. Ein politisches Konzept, eine politische Strategie oder eine politische Vision, wie und wohin Köln in den 20er Jahren des neuen Jahrhunderts gelenkt und geführt wird, ist dahinter nicht sofort zu erkennen. Es mutet aktuell eher an, wie der kleinste gemeinsame Nenner, in der Hoffnung, dass Kossiski die verstrittene Kölner SPD wieder zusammenführen kann und zeigt, dass die SPD immer noch politischen Machtanspruch hat. Ein Signal für einen Aufbruch zu den Herausforderungen der Jetztzeit und der Zukunftsthemen Neue Mobilität, erneuerbare Energien, Klimanotstand oder Digitalisierung, die drängend und wichtig sind vor allem für die nächsten Generationen, ist es nicht. Hier orientiert sich das politische Machtkalkül entlang der Demographie. Denn die Älteren sind in der Überzahl und die meisten von ihnen, Kinder des fossilen Zeitalters mit all seinen Annehmlichkeiten, wollen keine Veränderung. Die Veränderungen sind aber schon da und sie werden rasant und disruptiv voranschreiten. Wäre es da nicht besser, Köln wäre darauf vorbereitet?

Autor: Andi Goral
Foto: „Fridays for Future“-Proteste in Köln – Verschreckt der SPD-OB-Kandidat Kossiski mit seinen Aussagen zum Grüngürtel die Aktivisten?