Die Malerin Maf Räderscheidt in ihrem Atelier. Foto: Sven Nieder

Köln | Die Malerin Maf Räderscheidt entstammt einer bekannten Kölner Künstlerdynastie – Anton Räderscheidt und Marta Hegemann waren ihre Großeltern. Sie studierte an den Kölner Werkschulen als Meisterschülerin von Marianne Kohlscheen-Richter. In den 80er Jahren war sie Dozentin an der FH Köln sowie Mitgestalterin der Zeitschrift Emma, 2000 veröffentlichte sie mit Stephan Everling den Krimi „Mitternachtsmosaik“. 2017 gibt sie mit ihrem Buch „Die Küsse der Farben“ Einblicke in ihre Arbeit als Künstlerin. Im Juli 2021 zerstört die Jahrhundertflut ihre Räume in Gmünd und damit ihr gesamtes Lebenswerk. Entmutigen ließ sich Räderscheidt davon nicht und begann mit 70 Jahren ihr Lebenswerk neu aufzubauen. Auch ihr Buch ist gerade als Taschenbuchausgabe neu erschienen. Wir haben mit der Malerin gesprochen.

Wie ist die Idee zum Buch „Die Küsse der Farben“ entstanden?

Maf Räderscheidt: Es gibt viele gute Biografien von Maler, aber das sollte es gerade nicht sein. Es geht nicht um Lebensdaten, sondern um einen Einblick in mein Atelier. Viele Menschen wissen nicht, was in einem Menschen vorgeht, der sein gesamtes Leben den Farben und Formen weiht. Deshalb habe ich es aufgeschrieben und mit Sven Nieder einen Verleger gefunden, der bereit war, das Buch auch zu veröffentlichen. Allerdings war eine Bedingung, dass ich die Lagerung der 5000 Exemplare selbst übernehme. Dafür musste ich neue Räume finden, die ich dann in Gmünd in der Eifel gefunden habe. Diese lagen sehr schön direkt am Fluss und so habe ich dort nicht nur die Bücher, sondern auch mein gesamtes Lebenswerk aus 50 Jahren eingelagert. Ich wollte dort zum Beispiel auch Lesungen veranstalten. Dazu kam in den renovierten Räumen auch eine kleine Galerie. Doch dann kam Corona und nichts ging mehr.

Eine 3,50 Meter hohe Flutwelle zerstörte alles

Und dann kam im Juli 2021 die Jahrhundertflut?

Räderscheidt: Eine 3,50 Meter hohe Flutwelle der Urft hatte den Ort erfasst und alles zerstört. Das Wasser war mit Fäkalien, Chemikalien und Treibstoff total verseucht. Da konnte man nichts mehr retten. Das meiste wurde sowieso in den Urftsee gespült. Ich war am Boden zerstört, 50 Jahre harte Arbeit waren einfach weg. Beim Versuch doch noch etwas zu retten, habe ich mir auch noch die Augen verätzt und war fast blind. Erst mehrere OPs haben mein Augenlicht gerettet. Das erste Bild, das ich nach der Dunkelheit wieder gemalt habe, findet sich auf dem Cover des Taschenbuchs. Ich war sehr erfreut, als Sven Nieder die Idee hatte, das Buch neu aufzulegen. Für mich war dieses Projekt ein echter Mutmacher. In den inzwischen wieder aufgebauten Räume war ich nicht mehr, ich könnte das auch gar nicht mehr sehen, nach all dem Schrecklichen, was dort passiert ist. Ich hatte zwischenzeitlich Räume in Vogelsang angemietet, um Abschied zu nehmen von dem, was von meinen Bildern übrig geblieben ist. Das war ein harter Schlag für mich. Die Nazis haben das Werk meiner Großeltern zerstört und die Flut hatte mein Werk vernichtet. Die Räume in Vogelsang waren leider nicht wirklich geeignet, inzwischen habe ich ein kleines Malerhäuschen in Schleiden gemietet. Dort gibt es aber extrem wenig Platz. Seit der Flut sind schon wieder fast 1000 Bilder entstanden. Darunter auch viele sehr gute.

Den Lebensmut haben Sie trotz allem nicht verloren.

Räderscheidt: Ich habe meinen Humor und auch meinen Mut nicht verloren. Anderen Menschen ist es noch viel schlechter ergangen als mir. Und ich habe von wildfremden Menschen nach der Flut viel Unterstützung erfahren. Künstlerkollegen haben mich mit Aquarellfarben und einer Staffelei versorgt und von einem Unternehmen gab es das Papier für meine Arbeit. Und der Traum von einer großen Halle für mein Werk ist auch noch da.

Das Atelier, um das es in dem Buch geht, gibt es aber noch?

Räderscheidt: Ja, das eigentliche Atelier gibt es zum Glück noch. Darin arbeite ich fast ununterbrochen. Entweder male ich oder schlafe ich. Ich lasse mich bei der Arbeit auch von niemanden stören. Für mich ist das ein doppeltes Geschenk: Ich habe die Flut überlebt und ich habe den Mut und die Kraft, um als Künstlerin weiterzumachen. In einer Kölner Galerie gab es eine Ausstellung mit meinen Werken. Ich wusste gar nicht, womit ich diese bestücken soll. Dann haben mir Sammler plötzlich Bilder zurückgeschenkt und Frauen, die mir vor 20 Jahren Modell gestanden sind, kamen als Überraschungsgäste zur Vernissage. Das war zauberhaft.

In ihrem Blog präsentierte Räderscheidt täglich ein neues Bild

Sie nutzen auch die digitale Welt als Künstlerin.

Räderscheidt: Natürlich kann die digitale Welt die reale Begegnung mit Kunst nicht ersetzen. Ich muss Kunstwerke riechen und schmecken können und ihre Haptik spüren. Aber ich habe schon früh die Bedeutung der digitalen Welt erkannt und hatte meinen Daily Painting Blog „A Painting a Day keeps the Doctor away“, wo ich täglich ein neues Bild vorgestellt habe. Das Internet ermöglicht es mir, mit Künstlerkollegen überall in der Welt in Kontakt zu treten, auch solche, die in der Türkei oder in China im Hausarrest sind.

War der berühmte Name Räderscheidt für Sie als Künstlerin mehr Segen oder mehr Fluch?

Räderscheidt: So einen großen Namen zu tragen, war für mich als junge Künstlerin die Hölle. Da musste ich mich wirklich durchkämpfen. Aber ich bin im Atelier meiner Großmutter groß geworden und wollte nie etwas anderes machen als Kunst. Meine Großeltern waren unter den Nazis genauso wie meine Onkel und Tanten entartete Künstler. Beide hatten später einen öffentlichen Scheidungsprozess, der sich lange in Köln hinzog. Da mit 17 Jahren als Kunststudentin in der Stadt unterwegs zu sein, hat manche in der Kunstszene entsetzt. Da gab es viele Restriktionen wegen meines Namens. Ich wollte diesen aber auch nie ablegen. Dafür war ich zu stolz.

„Meine Großmutter war nicht die nette Oma“

Wie wichtig war ihre Großmutter für ihren Weg als Künstlerin?

Räderscheidt: Meine Großmutter hat eine große Bedeutung für mich gehabt. Als ich 1952 geboren wurde, war Frauen noch nicht einmal ein eigener Job erlaubt. Da kam meine Großmutter mit ihren großen Hüten als intelligente Femme fatale. Meine Mutter dagegen war eher eine Frau, die zu Hause am Herd stand und kochte. So bin ich mit ganz unterschiedlichen Frauenbildern aufgewachsen. Meine Großmutter war aber nicht die nette Oma, sie konnte sehr kalt und hart sein und hatte einen hohen Anspruch an das Leben. So wollte ich nie werden, mir sind Humor und Herzlichkeit sehr wichtig.

Sie leben heute in der Eifel. Welche Beziehung haben Sie zu Ihrer alten Heimat Köln?

Räderscheidt: Als Kunststudentin wollte ich in Köln immer besser sein, als alle anderen. Ich wusste, wie schwer der Kunstjob ist. Ich stamme aus einer alten Kölner Malerfamilie, habe aber auch längere Zeit in Italien gelebt. Köln habe ich verlassen, als mein Vater gestorben ist. Nach seinem Tod fand ich die Stadt nicht mehr schön. Das hat sich aber wieder geändert, seitdem meine Tochter dort lebt. In der Eifel gab es in der Vergangenheit spannende Künstler. Außerdem hatte ich mein Kölner Atelier an der Alteburger Straße und habe dort auch ein Hochwasser erlebt. In der Eifel dachte ich, ich sei davor sicher. Außerdem ist das ein Ort, an dem man einfach produktiver sein kann. Aber ich bin inzwischen auch wieder gerne in Köln, wenn ich mit meiner Tochter zu einer Ausstellung oder ins Restaurant gehe. Allerdings bin ich selig, wenn es danach wieder zurück in mein Atelier geht.

Maf Räderscheidt: Die Küsse der Farben, Eifelbildverlag, 192 Seiten, 16,90 Euro