Brüssel/Berlin/Aachen | aktualisiert| Deutschland und Frankreich werden nach den Worten der Bundeskanzlerin im NSA-Skandal getrennt mit den USA verhandeln. Man werde unabhängig voneinander mit den US-Sicherheitsbehörden sprechen, sagte Merkel am Rande des EU-Gipfels vor Journalisten. Natürlich werde man sich aber im Laufe dieser Verhandlungen untereinander austauschen. Zuvor hatte es Meldungen gegeben, wonach Frankreich und Deutschland die NSA-Affäre gemeinsam aufklären wollten. Beim nächsten Gipfel sollten Merkel und Hollande dann der EU offiziell Bericht erstatten, zu welchen Ergebnissen sie gekommen wären.

Sie wolle eine feste Grundlage für eine Zusammenarbeit der deutschen und US-Geheimdienste, sagte Merkel weiter. Diese müsse klar und transparent sein und dem „Charakter von Bündnispartnern“ entsprechen. Zu Berichten, wonach nicht nur die USA, sondern auch Schweden Daten gesammelt haben soll, sagte Merkel, sie haben von diesem Vorgang noch nicht ausreichend Kenntnis.

Ihre Beziehung mit Schwedens Ministerpräsident Frederik Reinfeldt sei nach wie vor gut: „Ich vertrage mich bestens mit ihm“, so Merkel am Freitagmittag.

Der Start des EU-Gipfels in Brüssel wurde von am Mittwochabend publik gewordenen Informationen überschattet, wonach die US-Geheimdienste möglicherweise Merkels Handy direkt abgehört hatten. Am Donnerstag wurde bekannt, dass dutzende weitere Staats- und Regierungschefs rund um den Globus direkt abgehört worden sein könnten.

Ströbele wirft Verfassungsschutz Versäumnisse vor

Der Geheimdienst-Experte der Grünen, Hans-Christian Ströbele, hat dem Verfassungsschutz in der Ausspäh-Affäre um das Handy von Kanzlerin Angela Merkel unterdessen Versäumnisse vorgeworfen. „Das Bundesamt für Verfassungsschutz muss endlich seiner Aufgabe der Spionageabwehr nachkommen“, sagte Ströbele der „Rheinischen Post“ (Freitagausgabe). Die Behörde könne sich nicht länger auf den Standpunkt stellen, „dass Freunde wie die Amerikaner nicht abgeklärt werden müssen“, so der Grünen-Politiker weiter.

EU-Abgeordneter Voss: Wir werden alle abgehört

Nach Ansicht des EU-Abgeordneten Axel Voss (CDU), der die Verhandlungen zur Datenschutzreform im Europäischen Parlament für die konservative Mehrheitsfraktion (EVP) führt, gehen die Abhöraktionen der US-Geheimdienste weiter als bisher angenommen. „Ich gehe davon aus, dass die Handys der Abgeordneten des EU-Parlaments auch abgehört werden. Ich denke, wir sind ein interessantes Ziel“, sagte Voss der „Welt“.

Voss forderte, eine eigene europäische Spionageabwehr aufzubauen, um Mobiltelefone besser schützen zu können. „Im Abschlussbericht des Parlaments zur NSA-Affäre wird auch die Forderung nach einer technologischen Offensive stehen, um uns unabhängiger zu machen von amerikanischen Unternehmen und um unsere Privatsphäre besser schützen zu können“, kündigte der Abgeordnete an.

BITMi-Präsident Grün: Totalüberwachung verletzt Grundrechte

Der BITMi-Präsident Oliver Grün sieht in der Totalüberwachung der USA die Grundrechte der Deutschen verletzt. Er fordert eine sofortige Einstellung der Überwachung.

„Seit Wochen betonen wir, dass die NSA-Affäre noch längst nicht ausgestanden ist. Sofern aber immer neue Vorfälle weiterhin nicht zu einer energischen und nachhaltigen Aufklärung führen, droht die Affäre im Sande zu verlaufen“, so Grün. Dies sei keine bloße Daten-Sammelwut mehr, so Grün, sondern eine Totalüberwachung, die gegen deutsches Recht verstoße und ein Angriff auf die Privatsphäre der Bürger sei. Er dringt auf eine Einbestellung des US-amerikanischen Botschafters, um die Einstellung der Überwachung zu fordern.

CSU: USA haben womöglich auch Bundesminister ausgespäht

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller, rechnet damit, dass neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch die Bundesminister vom US-Geheimdienst NSA ausgespäht wurden. „Wenn eine Regierungschefin überwacht wird, liegt die Vermutung nahe, dass es den weiteren Regierungsmitgliedern auch so ergeht“, sagte Müller der „Welt“. Gleichzeitig stellte er klar, dass Spitzenpolitiker weiterhin auf den Umgang mit Handys angewiesen sind.

„Ich wüsste nicht, wie die Kanzlerin und die Minister ihr Kommunikationsverhalten ändern sollen. Sie können ja nicht nur noch von Angesicht zu Angesicht Gespräche führen.“ Einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss lehnte der CSU-Politiker ab.

Es sei richtig, dass das Parlamentarische Kontrollgremium bereits eingebunden sei, sagte er. Darüber hinaus sehe er keinen Handlungsbedarf für eine Parlamentsbefassung. „Auch für einen Untersuchungsausschuss gibt es keine ausreichende Grundlage“, so Müller.

Autor: dts, xk