Berlin/Köln | aktualisiert | Die Bundesregierung hat bestätigt, dass es Hinweise darauf gibt, dass das Mobiltelefon der Kanzlerin möglicherweise von US-Diensten überwacht wird. Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien haben sich bereits kritisch geäußert. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die Bundeskanzlerin habe in einem Telefonat mit US-Präsident Obama am Mittwoch deutlich gemacht, „dass sie solche Praktiken, wenn sich die Hinweise bewahrheiten sollten, unmissverständlich missbilligt und als völlig inakzeptabel ansieht.“ Unter engen Freunden und Partnern dürfe es solche Überwachung der Kommunikation eines Regierungschefs nicht geben. Obama dementiert. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) wird offenbar den US-Botschafter John B. Emerson ins Auswärtige Amt einbestellen.

Zudem betrachte die Kanzlerin dies als gravierenden Vertrauensbruch. Merkel äußerte laut Seibert zudem in dem Telefon die Erwartung, dass die US-Behörden Aufklärung über den möglichen Gesamtumfang solcher Abhörpraktiken gegenüber Deutschland geben werden „und damit Fragen beantworten, die die Bundesregierung bereits vor Monaten gestellt hat“. Weiter heißt es in der vergleichsweise deutlichen Mitteilung: „Als enger Bündnispartner der Vereinigten Staaten von Amerika erwartet die Bundesregierung für die Zukunft eine klare vertragliche Grundlage über die Tätigkeit der Dienste und ihre Zusammenarbeit.“

Der Chef des Bundeskanzleramtes, Bundesminister Ronald Pofalla sei heute Nachmittag mit dem Vorsitzenden des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Thomas Oppermann, und dem stellvertretenden Vorsitzenden, Michael Grosse-Brömer, zu einem Gespräch zusammengekommen und habe sie über die im Raum stehenden Behauptungen informiert. Daneben fanden in Berlin bereits hochrangige Gespräche mit Vertretern des Weißen Hauses und des US-Außenministeriums statt, mit dem Ziel, die Sachverhalte aufzuklären, so Seibert.

Merkel: „Ausspähen unter Freunden geht gar nicht“

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat zu Beginn des EU-Gipfels ihre Kritik an den Praktiken der US-Geheimdienste wiederholt. „Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht“, sagte Merkel vor der Sitzung des Europäischen Rates am Donnerstag in Brüssel. Sie habe Obama ihre Haltung bei dessen Besuch im Sommer in Berlin und am Mittwoch am Telefon deutlich gemacht – „und zwar aus dem Interesse für die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland“.

„Da geht es nicht vordergründig um mich, sondern da geht es vor allen Dingen um alle Bürgerinnen und Bürger“, so Merkel weiter. „Wir brauchen Vertrauen unter Verbündeten und Partnern. Solches Vertrauen muss jetzt wieder neu hergestellt werden.“ Das Bündnis mit den USA könne nur auf Vertrauen aufgebaut sein.

Westerwelle bestellt US-Botschafter ein

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) wird in der Affäre um eine mögliche Ausspähung des Handys von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) offenbar den US-Botschafter John B. Emerson ins Auswärtige Amt einbestellen. Das Treffen solle am Donnerstagnachmittag stattfinden, wie „Spiegel Online“ unter Berufung auf Kreise des Auswärtigen Amtes berichtet. Westerwelle werde den US-Botschafter demnach persönlich treffen, hieß es weiter.Der Bundesaußenminister solle „das Unverständnis und die Empörung der deutschen Seite über die berichteten Vorgänge der Abhörung unter engsten Partnern“ deutlich machen. Die Bundesregierung hatte am Mittwochabend mitgeteilt, es gebe Hinweise darauf, dass das Mobiltelefon der Kanzlerin von US-Diensten überwacht wird. US-Präsident Barack Obama hatte der Bundeskanzlerin in einem gemeinsamen Telefonat am Mittwoch mitgeteilt, dass die Vereinigten Staaten Merkels Handy „nicht überwachen und nicht überwachen werden“, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney.Über mögliche Überwachungen in der Vergangenheit sagte er nichts.

Obama: Merkels Handy wird nicht überwacht

US-Präsident Barack Obama hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem gemeinsamen Telefonat am Mittwoch mitgeteilt, dass die Vereinigten Staaten Merkels Handy „nicht überwachen und nicht überwachen werden“. Das sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, am Mittwoch Journalisten. Über mögliche Überwachungen in der Vergangenheit sagte er nichts.

Die Zusicherung, die Obama der Kanzlerin telefonisch gemacht hat, dürfte sie nicht besonders überzeugt haben. Über ihren Sprecher Seibert ließ Merkel am Mittwochabend nach dem Telefonat eine Erklärung verbreiten, die von einem vergleichsweise empörten Tonfall geprägt war. So äußerte Merkel laut der Mitteilung in dem Gespräch die Erwartung, dass die US-Behörden Aufklärung über den möglichen Gesamtumfang solcher Abhörpraktiken gegenüber Deutschland geben werden „und damit Fragen beantworten, die die Bundesregierung bereits vor Monaten gestellt hat“.

EU-Parlament will Bankdatenaustausch-Abkommen mit USA kippen

Das EU-Parlament hat sich mit einer Resolution dafür eingesetzt, dass `Swift`-Abkommen zwischen den USA und der Europäischen Union auszusetzen. Mit den Stimmen von Sozialdemokraten, Grünen, Linken und Liberalen stimmte das Parlament am Mittwochmittag dafür, den legalen Transfer von Bankdaten an die USA zur Terrorbekämpfung auszusetzen. „Wir brauchen die USA in vielen Bereichen als Partner, aber wir dürfen uns nicht alles gefallen lassen“, sagte Birgit Sippel, Innenexpertin der SPD im Europaparlament „Spiegel Online“ mit Blick auf die weitere Enthüllungen im Rahmen der NSA-Affäre.

Man habe nun ein Zeichen gesetzt. Allerdings ist die Resolution nicht bindend, dafür müssten zwei Drittel der nationalen Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten für eine Aussetzung des Abkommens stimmen.

Bosbach fordert von USA zügige Beantwortung von Fragenkatalog

In der Affäre um das Abhören des Handys von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat unterdessen der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach die Vereinigten Staaten aufgefordert, den Fragenkatalog der Bundesregierung zügig zu beantworten. „Es geht zunächst einmal darum, dass die USA jetzt zügig, umfassend und wahrheitsgemäß den langen Fragenkatalog beantworten, der schon vor Monaten abgesandt worden ist“, sagte Bosbach am Donnerstag im „Deutschlandfunk“. Mit Blick auf mögliche Reaktionen auf die Abhöraffäre erklärte Bosbach, er fürchte, „dass es mit der routinemäßigen Einbestellung“ des US-Botschafters „nicht getan ist“.

Der CDU-Innenexperte betonte zudem, dass die EU geschlossen gegenüber den USA auftreten müsse. „Wenn ein Land nach dem anderen nebeneinander unabgestimmt bei den USA vorstellig werden, dann werden wir nicht eine solche Schlagkraft erzielen, als wenn sich die 28 Staaten der Europäischen Union in diesem Punkt einig sind.“

Autor: dts