Die beiden Elfenbeinreliefs wurde für das Museum Schnütgen erworben. Foto: Eppinger

Köln Das Kölner Museum Schnütgen kann sich über zwei besonders wertvolle Neuerwerbungen aus der Blütezeit der Elfenbeinkunst zwischen 1250 und 1350 freuen. Damals entstanden die großen gotischen Kathedralen wie der Kölner Dom. Möglich wurde der Erwerb der etwa eine halbe Million Euro teuren Elfenbeinschnitzereien, durch die Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung und der Peter und Irene Ludwig Stiftung in Aachen.

Die nun in einer kleinen Sonderausstellung im Schnütgen präsentierten Elfenbeinreliefs waren Teile von zweiteiligen Reise- und Hausaltärchen, die als Diptychen der privaten Andacht dienten. Ein gotisches Relief stellt den rechten Teil eines Diptychons dar, der vermutlich zwischen 1280 und 1300 in einer Pariser Werkstatt entstanden ist. Zu sehen sind darauf Szenen aus der Leidensgeschichte Christi wie eine Verspottungsszene vor Pilatus, die Kreuzigung, die Kreuzabnahme sowie zwei Frauen am leeren Grab und Christus, der Adam und Eva aus der Vorhölle befreit. Der dazugehörende linke Flügel mit weiteren Passionsszenen befindet sich heute im Musée Louve de Paris.

Pariser Werkstätten beeinflussten die Kölner Elfenbeinschnitzer

Das zweite kleinere Elfenbeinrelief ist wohl in Köln Mitte des 14. Jahrhunderts entstanden und stellt den linken Flügel eines Diptychons dar, dessen Gegenstück verlorenen gegangen ist. Zu sehen ist darauf die Krönung Mariens. Unter einer als feierlichen Rahmung eingesetzten Spitzbogenarchitektur steht die Muttergottes mit ihrem Kind. Flankiert wird sie von zwei Leuchter tragenden Engeln. Von oben herab schwebt ein weiterer Engel, der Maria die Krone auf ihr Haupt setzt. De verlorenen Flügel dürfte vermutlich eine Kreuzigung gezeigt haben.

Die besonderen Materialeigenschaften des Elfenbeins, die es für sehr feine Schnitzarbeiten gut geeignet machten, und seine seidig glänzende Oberfläche, sorgten schon in der Antike für die Beliebtheit des Werkstoffs. Gewonnen wurde dieser aus den Stoßzähnen von Elefanten, aber auch von anderen Tieren wie dem Walross. Er gelangte in der Regel von Ostafrika über das Rote Meer und Ägypten nach Europa.

Auch private Luxusartikel wurden aus Elfenbein hergestellt

Die antike Tradition des Schnitzens, Gravierens, Drechselns, Bohrens, Feilens und Polierens lebte in der altchristlichen und byzantinischen Kunst fort. Von Italien gelangten die Kunstwerke in der Zeit der ottonischen und karolingischen Herrscher auch über die Alpen in den Norden Europas. Gefertigt wurden in dieser Zeit vor allem Reliquienkästchen und Reliefplatten für wertvolle Bucheinbände.

Gegen Ende des 13. Jahrhunderts erweiterte sich das Spektrum um die Reise- und Hausaltärchen sowie um profane Luxusartikel wie Prunkhörner, Dolchgriffe, Schachfiguren, Kämme und Spiegelkapseln. Führend für die Produktion und Stilbildung der Elfenbeinkunst waren die Pariser Werkstätten. Ihr Einfluss reichte aber auch bis Köln, wo in der Zeit der Gotik eigene Werkstätten entstanden. Diese orientierten sich beim Motivrepertoire und bei der schnitzerischen Gestaltung an den Pariser Arbeiten, wie die beiden Neuerwerbungen eindrucksvoll zeigen.

Diese besonders feine Elfenbeinschnitzerei stellt den Marientod dar. Foto: Eppinger

Zu sehen sind diese noch bis zum 7. Juli im Kontext mit anderen, in dieser Zeit entstandenen Elfenbeinschnitzereien aus der Sammlung des Museums. Dazu gehört ein vermutlich in Frankreich angefertigtes, in besonders feinen Formen geschnitztes Elfenbeinrelief mit der Darstellung des Marientods. Der barocke, mit Putten verzierte Rahmen entstand im 18. oder 19. Jahrhundert, als das kleine Kunstwerk Teil der Sammlung der Markgrafen und Großherzöge von Baden war. Es wurde dem Museum 2023 aus süddeutschem Privatbesitz geschenkt.

Diese Spiegelkapsel stammt aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Foto: Eppinger

Gezeigt werden bei der kleinen Schau auch zwei Spiegelkapseln aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Ihre Darstellungen stammen aus dem Themenkreis der höfischen Liebe und zeigen zum Beispiel ein reitendes Liebespaar im Rahmen eines Jagdausflugs. Vom späten 13. bis zum frühen 15. Jahrhundert gehörten solche Spiegelkapseln neben Kämmen, Haarnadeln, Messergriffen oder Schmuckkästchen zu den besonders beliebten Luxusartikeln aus Elfenbein. Der runde Spiegel war als polierte Metallscheibe oder als mit Bleifolie hinterlegtes Glas in die Rückseite des Elfenbeinreliefs eingelassen.

Zur mittelalterlichen Kunst in der Zeit der Gotik und dem Bau des gotischen Kölner Doms um 1300 ist beim Museum Schnütgen Ende 2026 eine große Sonderausstellung geplant, die Kunstwerke unter anderem aus Bereichen wie der Glas- und Buchmalereien und der Skulpturen zeigen wird.

“Paris und Köln um 1300” bis zum 7. Juli im Museum Schnütgen, Cäcilienstraße 29-33; Öffnungszeiten: Di-So 10-18 Uhr, Eintritt: 6 (ermäßigt 3,50) Euro.

www.museum-schnuetgen.de