Berlin | Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat die Erwartungen an den Einsatz neuer Polizeimethoden zur Vorhersage von Tatmustern auf der Grundlage von Massendaten („Predictive Policing“) gedämpft. „Das Predictive Policing ist kein Blick in die Glaskugel mit 100-prozentiger Vorhersage“, sagte GdP-Chef Oliver Malchow dem „Handelsblatt“ (Mittwochausgabe). „Geeignet scheint es bei der Bekämpfung von Seriendelikten mit wechselnden Tatorten zu sein“, sofern, wie bei Wohnungseinbrüchen, große Datenmengen vorlägen.

„Es bleiben also weiterhin zwingend nötig die Personen- und Sachkenntnisse sowie das Erfahrungswissen der Polizeibeamten“, erklärte Malchow. Der Polizeigewerkschafter reagierte damit auf eine aktuelle Einschätzung der Bundesregierung. Die Erfahrungen in einzelnen Bundesländern zeigten, „dass große elektronisch generierte Datenmengen, wenn diese systematisch analysiert und verarbeitet werden, ein zusätzlicher Baustein im Rahmen einer Gesamtstrategie zur Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls sein können, insbesondere als wirkungsvolle Ergänzung der kriminalpolizeilichen Einsatzplanung und Ermittlungstätigkeit“, schreibt das Innenministerium in einer dem „Handelsblatt“ vorliegenden Antwort auf eine FDP-Anfrage.

Vor allem für die Beurteilung der „Kriminalitätslage“ könnten die aus polizeilicher Prognosesoftware erlangten Vorhersagen hilfreich sein. Unter Innenpolitikern ist der Nutzen der neuen Technologie umstritten. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Burkhard Lischka sieht darin ein „absolut probates Mittel“ für die Kriminalitätsbekämpfung.

„Diese technische Möglichkeit und die dazu nötige zentrale Erfassung von Daten aus Straftaten bieten die Chance, etwa international und organisiert agierenden Diebesbanden das Handwerk zu legen“, sagte Lischka dem „Handelsblatt“. Der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz hält den Nutzen von Vorhersagesystemen für „höchst zweifelhaft“. Denn ein Computer könne die Wahrscheinlichkeit für einen Einbruch anhand bestimmter Parameter eben nur dort vorhersagen, wo Täter rational handelten.

„Insgesamt kann Technik gute Polizeiarbeit, wenn überhaupt, nur ergänzen, nicht aber ersetzen“, sagte von Notz dem „Handelsblatt“. „Statt uneinlösbare Heilsversprechen zu machen, sollte die Politik auf gut ausgebildete und bestmöglich ausgestattete Polizistinnen und Polizisten setzen.“ Das erhöhe die Sicherheit am effektivsten.

Bundesregierung will softwaregestützte Verbrechensbekämpfung

Die Bundesregierung befürwortet beim Kampf gegen Einbrecher auch den Einsatz softwaregestützter Prognosetechnologien zur Verbrechensvorhersage („Predictive Policing“). Das geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums (BMI) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hervor. Das „Handelsblatt“ berichtet in seiner Mittwochausgabe darüber.

Die Erfahrungen in einzelnen Bundesländern zeigten, „dass große elektronisch generierte Datenmengen, wenn diese systematisch analysiert und verarbeitet werden, ein zusätzlicher Baustein im Rahmen einer Gesamtstrategie zur Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls sein können, insbesondere als wirkungsvolle Ergänzung der kriminalpolizeilichen Einsatzplanung und Ermittlungstätigkeit“, heißt es in der Antwort. Vor allem für die Beurteilung der „Kriminalitätslage“ könnten die aus polizeilicher Prognosesoftware erlangten Vorhersagen hilfreich sein. „Gewonnene Erkenntnisse über Tatortschwerpunkte bzw. Tatserien könnten somit als Entscheidungsgrundlage für schlicht-hoheitliche Maßnahmen dienen“, schreibt das Ministerium.

In den Sicherheitsbehörden des Bundes wird das Predictive Policing laut BMI derzeit weder genutzt noch entwickelt. Das Bundeskriminalamt (BKA) beobachtet lediglich im Rahmen seiner Zentralstellenfunktion die unterschiedlichen Länderprojekte zur „Kriminalitätsvorhersage“ und bietet eine „Plattform für den Erfahrungsaustausch“ zwischen Bundes- und Länderpolizeien. Für die in den jeweiligen Bundesländern angewandten Verfahren werden personenbezogene Daten nach Aussage des Ministeriums weder genutzt noch von der Vorhersagesoftware gespeichert.

Als Basis für die Berechnungen dienen den Angaben zufolge „phänomenbezogene historische Daten“. Die Prognoseerstellung bezieht sich zudem auf „konkrete, abgegrenzte Gebiete“. Der FDP-Innenexperte Benjamin Strasser kritisierte, dass gerade die Länder versäumt hätten, trotz der anstehenden Pensionierungswelle ausreichend Polizeibeamte auszubilden. Und er betonte in diesem Zusammenhang, dass kein Computerprogramm die Beamten vor Ort mit ihren Erfahrungswerten ersetzen könne. „Nur Polizisten fangen Einbrecher, keine Software“, sagte Strasser dem „Handelsblatt“. „Ich habe große Zweifel, ob Predictive Policing eine sinnvolle Investition ist oder ob das Geld nicht besser in anderen technischen Neuerungen wie Tablets oder verschlüsselten Messenger-Diensten für eine digitale Fahndungsarbeit gesteckt werden sollte.“

Autor: dts