Dortmund | aktualisiert 12:26 Uhr, 14:17 Uhr, 15:57 Uhr, 17:03 Uhr | Nach einer Familientragödie mit drei getöteten Kindern in der Dortmunder Nordstadt gibt es noch keinen Hinweis auf die Ursache. Die Obduktion der Kinder nach dem Wohnungsbrand am Freitag dauere derzeit noch an, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit. Es lägen Hinweise auf ein Kapitalverbrechen vor, sagte Staatsanwältin Barbara Cuntze. Einzelheiten nannte sie mit Verweis auf das laufende Ermittlungsverfahren nicht.

Geborstene Fensterscheiben und schwarzer Ruß an der mattgrünen, mit Graffiti verunstalteten Hauswand zeugen von der Tragödie, die sich am frühen Freitagmorgen im Reihenendhaus in Dortmund abgespielt hat. Drei Geschwister sind tot. Eine Obduktion ergab, dass mindestens ein Kind gewaltsam getötet wurde. Ein vier Jahre alter Junge und ein zwölf Jahre altes Mädchen starben in der Wohnung im Erdgeschoss. Ihr zehnjähriger Bruder kam zunächst schwer verletzt in ein Krankenhaus, wo er seinen Verletzungen erlag. Er wurde laut Polizei umgebracht. Die Feuerwehr fand die Kinder, als sie in der Wohnung die Flammen löschen wollte.

Möglicherweise könnte das Feuer gelegt worden sein, um die Gewalttat zu verschleiern. Der Vater war zum Tatzeitpunkt nicht zu Hause, die ist Mutter seit längerer Zeit tot, wie Polizeisprecher Wolfgang Wieland berichtet. Der Mann wird seelsorgerisch betreut, wie auch die Männer, die die Kinder beim Löschen entdecken. „Es handelt sich wahrscheinlich um eine Familientragödie“, sagt Wieland. Der Vater steht nicht unter Tatverdacht. Der 41-Jährige sei nach einer ersten Befragung in die Obhut seiner Angehörigen übergeben worden.

Anwohner berichten, der Mann habe eine Lebensgefährtin gehabt. „Eine Frau wurde am Morgen mit Handschellen abgeführt“, berichtet Nachbarin Eleni Arvanetedou. Sie habe zudem gesehen, wie Ärzte den Jungen ins Krankenhaus bringen. „Ich habe mich gewundert, dass die Eltern nicht mit dabei waren.“ Viele Anwohner in der ruhigen Straße stehen in Gruppen zusammen, sie können das, was ein paar Häuser weiter passiert ist, nicht fassen. Viele Frauen weinen und klagen. Auch Kinder kommen zum Unglücksort. Sie wollen wissen, ob es ihre Freunde sind, die dort ums Leben gekommen sind.

Familie bei Anwohnern wenig bekannt

Die Familie mit türkischen Wurzeln lebte noch nicht lange in der Fichtestraße im Dortmunder Norden. Der Hausverwalter berichtet, vor einem halben Jahr sei sie eingezogen. Erst ins obere Stockwerk, dort brach aber laut Polizei Ende Februar ein Feuer aus. Die Wand um die Fenster ist heute noch verrußt, in den Rahmen klebt Plastikfolie. Damals wurde ein Kind der Familie dafür verantwortlich gemacht, es hatte laut Polizei gezündelt. „Dann ist die Familie ins Erdgeschoss gezogen“, sagt der Verwalter. Seinen Angaben zufolge war das Jugendamt eingeschaltet, die Miete zahlte das Amt.

Von dem früheren Leben in der Erdgeschosswohnung zeugt nur ein noch glänzender roter Vorhang hinter den kaputten Fenstern. Das Mädchen und die zwei Jungen waren regelmäßige Kunden beim Kiosk von Erika Kötter, der eine Hundert Meter vom Tatort entfernt liegt. „Gestern um halb zehn waren die Kinder noch hier“, berichtet sie traurig. Die Geschwister seien fast jeden Tag vorbeigekommen, mal um Süßigkeiten zu kaufen, mal nur um Hallo zu sagen.

Vater oft nicht zu Hause

„Nett, freundlich, ruhig“, beschreibt Kötter sie. Ihr Vater habe allerdings sehr viel Zeit in einem benachbarten Café aufgehalten. „Die Kinder hat er sich selbst überlassen“, sagt sie. Die Zwölfjährige habe alles alleine machen müssen. Der Tod der Kinder nimmt sie mit. „Es ist schrecklich, weil ich die Kinder fast jeden Tag gesehen habe.“ Auch Zeynel Aktas, ein Bekannter des Vaters, ist entsetzt. „Er war fast jeden Tag in der Teestube“, erzählt er über den 41-Jährigen. Der Mann habe ihm erzählt, dass er Streit mit seiner Lebensgefährtin habe. Diese habe zudem gesagt, dass sie die Kinder hasse. Aktas hat selbst zwei kleine Kinder, sie spielten oft gemeinsam mit den Opfern. Er empört sich: „Es ist unverantwortlich, die Kinder alleine zu Hause zu lassen.“ Gemeinsam mit Dutzenden weiteren Bekannten der Opfer steht er fassungslos vor dem Tatort. Er ist sich aber sicher: „Der Mann hat seine Kinder geliebt.“

Autor: Helena Baers/ dapd
Foto: Symbolfoto