Herten | So richtig freuen mag sich „Mecky“ über sein neues und frisch übergestreiftes Hundegeschirr offenbar nicht. Ruhig steht der West-Highland-Terrier neben Dagmar Walter und schaut etwas teilnahmslos in die Gegend. Mehr Interesse dürfte da schon das Nass- und Trockenfutter finden, das sein Frauchen gerade bei der Tiertafel in Herten (Kreis Recklinghausen) bekommen hat. Die Einrichtung ist den Angaben zufolge die erste ihrer Art im Ruhrgebiet, die offiziell mit dem Namen der „Tiertafel Deutschland“ für sich werben darf.

Halter müssen Nachweis über Bedürftigkeit vorlegen

In der Hertener Tiertafel bekommen Menschen, die finanziell nicht so gut ausgestattet sind, Futter und Tierzubehör. Gratis und ohne großen bürokratischen Aufwand erhalten sie die Ware. Vorlegen müssen sie nur einen Nachweis für ihre Bedürftigkeit – zum Beispiel einen Renten- oder einen Hartz-IV-Bescheid.

„Es ist toll, dass es so etwas gibt. Ich habe ja nicht so viel Geld. Da können schon einige Kosten auf einen zukommen“, sagt Walter. Die 52-jährige Rentnerin war schon etwa vier bis fünf Mal in der Ende Juli eröffneten Tiertafel. Neben Futter und Bedarf für ihren Hund nimmt sie auch etwas für ihre Katze in Empfang.

Geöffnet hat die Tiertafel jeweils montags von 16.00 bis 18.30 Uhr. Über mangelnde Nachfrage können sich die bislang neun ehrenamtlichen Mitarbeiter der Einrichtung nicht beschweren. „Wir haben hier jede Woche 10 bis 15 Neuanmeldungen. Bislang haben wir etwa 70 Kunden. Die Resonanz bei den Leuten ist schon Wahnsinn“, sagt Nicole Meichle. Dennoch kann die Tiertafel nicht allen Wünschen nachkommen. Halter, die ihre Tiere erwerben, obwohl sie sich bereits in finanzieller Notlage befinden, erhalten in der Regel keine Unterstützung.

Die 40-jährige Meichle ist sozusagen die „Mutter“ der Tiertafel, wurde die Anlaufstelle doch erst durch ihren Einsatz aus der Taufe gehoben. „Ich habe mehrmals einen Mann gesehen, der Flaschen gesammelt hatte, im Supermarkt umtauschte und das dafür erhaltene Geld gleich wieder in Hundefutter investierte“, sagt die gelernte Friseurmeisterin, die selbst zwei Boxer hat. Dieses Erlebnis habe sie so beeindruckt, dass sie sich an den Verein Tiertafel Deutschland wandte. In kurzer Zeit wurde ein leerstehendes Ladenlokal gefunden und hergerichtet – nun stapeln sich dort Hundefutter, Körbchen oder Tierspielzeug. Die Ware erhalten die ehrenamtlichen Helfer unter anderem von privaten oder gewerblichen Spendern – oder aus dem Zentrallager der Tiertafel im brandenburgischen Rathenow.

Der Verein zählt derzeit bundesweit 23 Tiertafeln. In NRW gibt es weitere Anlaufstellen in Düsseldorf, Bergheim und Brüggen. Schon seit einiger Zeit stelle man einen steigenden Bedarf nach dem Hilfsangebot fest, sagt Claudia Hollm vom Tiertafel-Vorstand. „Es werden immer mehr Neuanmeldungen, die wir haben. Davon sind derzeit auch immer mehr Senioren betroffen: Etwa 20 Prozent der Neuanmeldungen stammen von älteren Menschen“, erzählt sie. Derzeit versorgten die Tafeln bundesweit rund 10.000 Halter mit 21.000 Tieren.

Engagement für Tier und Mensch

Auch der Andrang in Herten belegt den Bedarf an der Einrichtung. Immer wieder kommen Menschen in die Anlaufstelle, zeigen ihre Papiere und nehmen den Tierbedarf im Empfang. In einem Fall kann ihnen das Team momentan aber nicht weiterhelfen: „Wir haben derzeit einen echten Engpass beim Katzenstreu“, berichtet Brigitte Meichle, die Mutter von Nicole. Die 64-Jährige ist zudem so etwas wie die Empfangsdame für die Zwei- und Vierbeiner. Sie begrüßt so gut wie jeden Hund mit einem „Leckerli“, spricht mit Herrchen und Frauchen. Ihre Arbeit versteht sie als Engagement für Tier und Mensch: „Wir wollen, dass sich die Leute zum Ende des Monats auch noch ein Butterbrot leisten können – und nicht alles für Tierfutter ausgeben.“

Froh über die neue Einrichtung ist auch Hartmut Menken. Der 51-jährige ehemalige Fernfahrer hat gerade Futter für seinen Dobermann geholt – dass er an diesem Tag auch Geburtstag hat, hat ihn von einem Besuch nicht abgehalten. „Ich bin sehr zufrieden, dass es das hier gibt. Ich bekomme Hartz IV und da kann das Futter für das Tier schon mal teuer werden“, sagt er. Schließlich verbrauche sein Hund zwischen 13 und 14 Kilogramm Futter pro Monat. Das kann ins Geld gehen. Trotz seiner finanziellen Engpässe will er auf das Tier aber nicht verzichten: „Ich kann nicht ohne Hund. Der ist mein Babyersatz!“, sagt Menken.

Autor: Michael Bosse, dapd
Foto: Symbolfoto