Düsseldorf | Wenige Tage vor der NRW-Wahl spricht vieles für einen erstmaligen Einzug der Piraten in den Düsseldorfer Landtag. Umfragen sehen die Polit-Neulinge deutlich über der Fünf-Prozent-Hürde. Mit dem Spitzenkandidaten Joachim Paul sprach dapd-Korrespondent Christian Wolf über das rasante Wachstum der Partei, die künftige Arbeit im Landtag und das Leben als Politiker.

Herr Paul, Ihre Piratenpartei zählt mehr als 5.000 Mitglieder in NRW und steht vor dem Einzug in den Düsseldorfer Landtag. Wann platzt diese riesige Blase, die momentan um die Piraten herum entsteht?

Joachim Paul: Ich tue mich schwer damit, unser Wachstum als Blase zu bezeichnen. Unsere Partei gibt es schon seit sechs Jahren und wir haben mittlerweile so ein breites Fundament, dass ich optimistisch in die Zukunft blicke. Allerdings wird unsere mediale Aufmerksamkeit irgendwann auf ein Normalmaß zurückgefahren. Und es wird unzufriedene Mitglieder geben, denen Dinge nicht gefallen werden. Damit müssen wir aber auch lernen umzugehen.

Wie wollen Sie ihre Mitglieder denn vor Enttäuschungen bewahren? Sie treten ja mit nichts Geringerem als dem Ziel an, die Politik zu verändern. Das haben vor den Piraten schon viele versucht.

Paul: Wir sind uns bewusst, dass der momentane riesige Zulauf auch mit einer gewaltigen Portion Verantwortung verbunden ist. Unser Ziel ist es, die Politik und die Bürger, die momentan meilenweit voneinander entfernt sind, wieder ein Stück zusammenbringen. Die Menschen müssen wieder verstehen, wie politische Entscheidungen zustande kommen. Dann nehmen sie auch die ein oder andere unbequeme Entscheidung in Kauf und wenden sich nicht direkt wieder ab.

Mit Ihrem Wahlprogramm wecken Sie aber ganz schön hohe Erwartungen an die Arbeit der Piraten.

Paul: Unser Wahlprogramm hält lediglich unsere Wunschvorstellungen schriftlich fest. Es ist quasi eine Selbstcharakterisierung der Partei. Auch wenn bei uns zum Beispiel drin steht, dass die Klassengröße maximal 15 Schüler betragen soll, wissen unsere Fans: Diese Zahl ist eine Vision und soll nicht direkt Realität werden, sobald wir im Parlament sitzen.

Sollte es tatsächlich mit dem Einzug in den Landtag klappen, werden anfangs alle Augen auf die Piraten gerichtet sein.

Paul: Uns ist durchaus bewusst, dass wir viele Fehler machen werden. Aber dieser Lernprozess wird bei uns öffentlich stattfinden und transparent dokumentiert. Die große Herausforderung wird sein, aus dem Nichts heraus parlamentarische Strukturen zu schaffen. Wir verfügen nämlich nicht über einen festen Stamm an Mitarbeitern wie die anderen Fraktionen. Aber von den Piraten aus Berlin und dem Saarland wird es sicherlich Unterstützung für uns geben. Wir werden jede Hilfe annehmen – auch von den anderen Parteien.

Die Piraten predigen immer die maximale Bürgerbeteiligung in der Politik. Wie werden Sie es denn mit der Einbindung der Parteibasis an die Arbeit der Abgeordneten halten?

Paul: Wenn wir tatsächlich im neuen Landtag vertreten sind, werden wir auf einen engen Austausch zwischen der Fraktion und unseren Arbeitskreisen setzen. Dort kann sich schon jetzt jedes Parteimitglied engagieren. Einen Fraktionszwang wird es bei uns nicht geben. So etwas widerspricht unserem eigenen Selbstverständnis. In den Fraktionssitzungen wollen wir natürlich versuchen, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Am Ende entscheidet aber jeder Abgeordnete anhand seines eigenen Gewissens.

Sie persönlich wurden ohne Vorbereitung auf die politische Bühne katapultiert. Merken Sie an sich selbst, dass das politische Geschäft Sie verändert?

Paul: Seit meiner Wahl zum Spitzenkandidaten Ende März habe ich unzählige Interviews gegeben. Allmählich merke ich, dass sich in meinen Antworten bestimmte Formulierungen immer wiederholen. Ich ärgere mich dann selbst, wenn ich solche Floskeln in den Mund nehmen. Früher fand ich es immer schrecklich, diesen Politikersprech zu hören. Heute benutze ich ihn manchmal selbst. Bei der Menge an Gesprächen und Interviews geht das aber leider nicht anders. Außerdem schützt es einen davor, dumme Sachen von sich zu geben. Es ist quasi eine Art Selbstschutz, die Politiker für sich aufbauen.

Eine weitere Eigenart von Politikern ist es, auch mal auf den Putz zu hauen. Was halten Sie zum Beispiel davon, wenn Grünen-Politiker den Piraten eine unkritische Haltung zum Thema Rechtsextremismus vorwerfen?

Paul: Die Grünen verhalten sich mit ihrem Einprügeln auf uns völlig irrational. Irgendwann wird ihnen dieser Bumerang wieder an die Beine klatschen. Man kann nicht auf der einen Seite auf die Piraten eindreschen und ihnen ein Gesinnungsproblem unterstellen, und sich gleichzeitig ins Koalitionsbett mit der SPD legen, die mit einem Thilo Sarrazin nicht fertig wird. Die Grünen sind einfach tierisch nervös, weil die Umfragen nicht mehr stimmen.

Zum Schluss ein kurzer Blick in die Zukunft. Gibt es eine Vision, nach der die Piraten irgendwann überflüssig sein könnten?

Paul: Wenn alle anderen Parteien so geworden sind wie wir – und zwar in ihrer Arbeitsweise. Es müssen nicht unbedingt die Ziele sein. Sondern wie sie mit den Bürgern umgehen und die Wähler in die tägliche Arbeit mit einbeziehen. Aber ich glaube nicht, dass wir so schnell überflüssig werden. Wir sind gekommen, um zu bleiben.

Autor: dapd
Foto: Joachim Paul, Piratenpartei