Düseldorf |Der Spitzenkandidat der nordrhein-westfälischen CDU, Norbert Röttgen, will bei der Landtagswahl am Sonntag Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) ablösen. In den Umfragen liegt die CDU aber zurück, der Wahlkampfstart war verstolpert und auf den letzten Metern muss sich Röttgen nun Kritik wegen seiner Äußerungen zur Bedeutung der NRW-Wahl für den Euro-Kurs der Bundesregierung gefallen lassen. Über die Haushaltspolitik, den Wahlkampf und seine Chancen am Wahlabend sprachen mit ihm Herbert Spies und Nicole Scharfschwerdt.

Sie haben die anstehende Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen zur Abstimmung über den Euro-Kurs der Bundesregierung erklärt. Was hat Sie dazu bewogen?

Röttgen: Ich habe immer gesagt, dass am Sonntag über die Schuldenpolitik der rot-grünen Landesregierung abgestimmt wird. Leider haben die Wahlen am letzten Sonntag in Griechenland und Frankreich deutlich gemacht, dass der europäische Konsolidierungskurs durch sozialistische und sozialdemokratische Regierungen zunehmend infrage gestellt wird. Wir respektieren selbstverständlich die Wahlentscheidungen in anderen Ländern, aber wir sind nicht bereit, sozialistische Wahlversprechen in anderen Ländern mit deutschen Steuergeldern zu bezahlen. Wir müssen verhindern, dass der erfolgreiche Konsolidierungskurs in Europa wieder verlassen wird und müssen Nordrhein-Westfalen auf den Kurs solider Finanzen führen. Die Abwahl einer Regierung in Deutschland, die sich selber zum Schuldenmachen bekennt, ist eine Stärkung des Kurses von Angela Merkel.

Dann ist es letztlich aber doch eine Abstimmung über den Kurs der Bundesregierung über Euro-Fragen?

Röttgen: Am Sonntag wird abgestimmt über die Schuldenpolitik von Frau Kraft in NRW. Diese Schuldenpolitik hat Bedeutung über Nordrhein-Westfalen hinaus, denn die Alternative zwischen mehr Schulden und mehr Staatsaufgaben auf der einen Seite und soliden Finanzen auf der anderen Seite ist die Grundsatzfrage nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern auch in Deutschland und in Europa.

In der CDU gibt es aber offenbar erheblich Unmut über die Strategie. Kritiker aus der CDU werfen Ihnen vor, sich aus der Verantwortung zu ziehen – was entgegnen Sie denen?

Röttgen: Dass dies nicht zutrifft.

Vielen ist unklar, was Sie in der Finanzpolitik vorhaben. Wo genau sehen Sie Einsparpotenzial?

Röttgen: Wir haben ein Konsolidierungsprogramm vorgelegt, in dem wir bei rund 100 Haushaltspositionen insgesamt 1,6 Milliarden Euro einsparen können – das finde ich sehr konkret. Wir wollen zum Beispiel Personal effizienter einsetzen. Wir werden den größten Teil der Steuermehreinnahmen zum Abbau der Neuverschuldung nutzen. Außerdem werde ich als Ministerpräsident das deutsch-schweizerische Steuerabkommen unterzeichnen. Das bringt nach Angaben des Bundesfinanzministeriums allein in diesem Jahr rund zwei Milliarden Euro für den nordrhein-westfälischen Landeshaushalt.

In ihrem Finanzprogramm ist die Rede davon, dass bei den Förderprogrammen 584 Millionen Euro gespart werden sollen. Können Sie Beispiele nennen?

Röttgen: Es geht um die Methode und nicht um ein einzelnes Projekt. Mal muss man mit zwei Prozent, mal mit fünf Prozent weniger auskommen. Das bringt niemanden um, aber in der Summe macht Kleinvieh viel Mist – in diesem Fall insgesamt 1,6 Milliarden Euro.

Würden Sie wenige Tage vor der Wahl sagen, Ihr Wahlkampf hat gezündet?

Röttgen: Wir haben in diesem Wahlkampf alleine die Themen gesetzt. Mein Eindruck ist, dass wir vermitteln konnten, worum es uns inhaltlich geht, wofür wir antreten. Nämlich, aus Verantwortung gegenüber unseren Kindern und Enkelkindern die Schuldenpolitik der rot-grünen Landesregierung zu beenden. SPD und Grüne haben sich dagegen der inhaltlichen Auseinandersetzung vollständig verweigert.

Seit zehn Tagen dominieren Auseinandersetzungen zwischen Salafisten und Pro NRW die Schlagzeilen – was empfehlen Sie im Umgang mit diesen Gruppierungen?

Röttgen: Die Gesellschaft und der Staat müssen jede Form von Extremismus und Gewalt verurteilen und konsequent dagegen vorgehen. Das gilt für rechts- und linksextreme Gruppierungen ebenso wie für islamistische Organisationen, die unsere Gesellschaft und den Staat angreifen. Die Salafisten stellen unsere freiheitliche, auf Toleranz und Menschenwürde beruhende Ordnung in Frage und bekämpfen sie. Das ist nicht akzeptabel.

Ein Bericht des Magazins „Stern“ über Gefälligkeitszahlungen der Staatskanzlei an kritische Journalisten des Blog „Wir in NRW“ nach der Wahl 2010 sorgt in den letzten Tagen des Wahlkampfes für Aufregung. Das muss doch eine Steilvorlage für Sie sein?

Röttgen: Es ist jetzt an der Landesregierung, die Vorwürfe aufzuklären, und zwar durch umfassende Transparenz. Wir haben der Staatskanzlei am Donnerstag einen Fragenkatalog zugestellt und erwarten, dass die Fragen bis spätestens Freitag beantwortet werden. Wenn an den Vorwürfen nichts dran ist, lässt sich das ganz leicht klären.

Umfragen zufolge könnte es bei der Landtagswahl knapp werden für Rot-Grün. Sind Sie bereit, eine Koalition aus SPD und CDU unter Führung von Hannelore Kraft zu bilden?

Röttgen: Wir denken jetzt nicht über Koalitionsfragen nach. Darüber sprechen wir, wenn das Ergebnis feststeht.

Wo sehen Sie die CDU am Sonntagabend?

Röttgen: Ich spekuliere jetzt nicht, sondern nutze die Zeit, um mit vollem Einsatz und Leidenschaft für ein gutes CDU-Ergebnis zu kämpfen. Unsere Ziele sind klar: Ich will Ministerpräsident werden und die CDU wieder in die Regierung führen, um unser Land voranzubringen.

Der Abstand zwischen SPD und CDU ist in den vergangenen Tagen in den Umfragen noch einmal gewachsen. Was sind Ihre Machtoptionen?

Röttgen: In den Umfragen sagen 40 Prozent der Befragten, sie wüssten noch nicht, ob sie zur Wahl gehen und wen sie wählen würden. Das zeigt, wie offen das Ergebnis noch ist. Und wie wenig wir uns auf die Umfragen insgesamt verlassen können, haben wir ja im Saarland gesehen.

Autor: dapd