Köln | Die Deutsche Umwelthilfe „DUH“ erringt den nächsten Sieg vor Gericht. Verlierer ist das Land Nordrhein-Westfalen, die Bezirksregierung Köln und die Stadt Aachen. Denn diese Behörden handeln rechtswidrig, da sie die Europäischen Richtlinie 2008/50/EG vom 21.Mai 2008 und das Bundesimmissionsschutzgesetz nicht korrekt umsetzen. Aachen und die anderen beklagten Städte in NRW müssen die gesetzlich festgelegten Grenzwerte für Stickstoffdioxid einhalten und daher auch Fahrverbote in ihren Luftreinhalteplänen vorsehen. Dazu kann es nach Einzelfallprüfung auch bedeuten, Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge auszusprechen.

Bezirksregierung Köln stellt rechtswidrigen Luftreinhalteplan auf

Die Bezirksregierung Köln hat den Luftreinhalteplan für Aachen, aber auch für Köln aufgestellt. In Aachen sah die Behörde keine Fahrverbote vor. Dies, so das Oberverwaltungsgericht NRW sei unzureichend. Die Messvorrichtungen in Aachen halten sich an die gesetzlichen Regelungen. Die Bezirksregierung Köln ist daher in der Pflicht, so die Richter, Überschreitungen des Immissionsgrenzwertes „so kurz wie möglich“ zu halten. Die Richter schreiben: „Deshalb muss die zuständige Behörde auf der Grundlage aktueller Daten ernsthaft und differenziert alle geeigneten Maßnahmen, insbesondere auch Fahrverbote prüfen. Fahrverbote können auch dann angeordnet werden, wenn der gemessene Jahresmittelwert für Stickstoffdioxid 50Mikrogramm pro Kubikmeter nicht überschreitet. Die anderslautende Vorschrift des §47 Absatz4a Satz1 Bundes-Immissionsschutzgesetz verstößt insoweit gegen das Unionsrecht.“

Diesel-Fahrverbote müssen verhältnismäßig sein

Die Richter entschieden, dass die Behörde Fahrverbote aber nicht zwingend anordnen müssten, selbst wenn sie die einzig geeignete Maßnahme seien, die Grenzwerte schnellstmöglich einzuhalten. Der Einzelfall müsse geprüft werden und ein Fahrverbot müsse verhältnismäßig sein. Die Richter geben den Behörden einen Ermessenspielraum mit auf den Weg, etwa eine zeitliche Staffelung von Fahrverboten nach Euro 4 oder Euro 5, der Definition eines Übergangszeitraums, wenn etwa die Versorgung der Bevölkerung nicht mehr gewährleistet wäre, wenn der Verkehrsweg eine bedeutende Rolle innerhalb der Infrastruktur besitzt, Ausnahmen für Handwerker und Anwohner oder nachgerüstete Dieselfahrzeuge.

Greifen diese Maßnahmen darf die Behörde auf ein Fahrverbot verzichten. Ist dies nicht der Fall muss die Behörde allerdings Vorsorgemaßnahmen im Luftreinhalteplan definieren. Werden trotz der Maßnahmen die Luftschadstoffwerte nicht geringer, dann muss der Plan Fahrverbote vorsehen. Die Richter bemängeln zudem, dass der Luftreinhalteplan der Stadt Aachen aus dem Jahr 2015 stammt und damit veraltete Zahlen enthält. Die Richter verpflichten das Land Nordrhein-Westfalen und die Bezirksregierung Köln den Luftreinhalteplan für Aachen unverzüglich nachbessern. Die Münsteraner Richter lassen wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Entscheidung eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht zu. Zudem stellt das OVG Münster fest: „Die vom Senat gestellten Anforderungen an Luftreinhaltepläne werden auch für die derzeit noch anhängigen weiteren 13 Verfahren zu Luftreinhalteplänen in anderen Städten in Nordrhein-Westfalen Bedeutung haben.“

Die DUH begrüßt Urteil des OVG Münster

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH : „Heute ist ein guter Tag für die Saubere Luft in Aachen und weiteren 13 Großstädten in Nordrhein-Westfalen. Ich hoffe, dass dieses Signal in der Landesregierung von NRW richtig verstanden und jetzt schnell und konsequent gehandelt wird. Alle Busse, Kommunal- und Landesfahrzeuge sollten kurzfristig mit funktionierender Hardware nachgerüstet werden. Von den Dieselkonzernen erwarten wir zudem eine schnelle und unkonventionelle Hilfe für die von Fahrverboten betroffenen Diesel-Besitzer. Wir laden die Landesregierung ein, sich in Gesprächen mit der DUH über kurzfristige Maßnahmen zu verständigen.“
Remo Klinger, der die DUH in dem Verfahren vertritt, ergänzt: „Das Mantra der Landesregierung, Fahrverbote seien in NRW unverhältnismäßig, ist mit diesem Urteil widerlegt. Es ist zu hoffen, dass das Land diese Klarstellung nutzt und alle anderen Verfahren nach Änderung der Luftreinhaltepläne und ohne weitere Urteile beendet werden können.“

Stadt Köln unbeeindruckt vom Urteil

Die Stadt Köln stellt fest, dass sich aus dem Urteil gegen den Luftreinhalteplan der Bezirksregierung Köln für Aachen keine Rückschlüsse für Köln ziehen lassen. Die Stadt Köln ist der Auffassung, den motorisierten Individualverkehr in Köln reduzieren zu können. Zudem sieht die Stadt Köln bereits Verbesserungen bei den Messwerten.

Land NRW sieht seine Rechtsauffassung bestätigt

Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz sieht sich in seiner Rechtsauffassung zur Verhältnismäßigkeitsprüfung von Fahrverboten bestätigt, weil es keine unmittelbaren Anordnungen von Fahrverboten in Aachen gibt. Dass das Gericht klar darstellte, dass der bisher vorgelegte Luftreinhalteplan rechtswidrig sei, wird von dem von Ursula Heinen-Esser, CDU, geleiteten Ministerium als „Überarbeitung“ deklariert. „Dies ist erst einmal eine gute Nachricht“, kommentierte Heinen-Esser das heutige Urteil zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans der Bezirksregierung Köln für die Stadt Aachen.

„Erklärtes Ziel ist und bleibt, die Luftqualität schnellstmöglich zu verbessern und zugleich Fahrverbote zu vermeiden. Dies gilt für alle beklagten Städte. Hierzu lieferte die heutige Verhandlung wichtige Orientierungen. Der Trend abnehmender Stickstoffdioxidwerte in den Städten stimmt, dieser muss weiter an Fahrt aufnehmen“, sagte Heinen-Esser. Die Ministerin machte darauf aufmerksam, dass Städte keine eigenen Messungen vornehmen sollten, ohne sich hierzu zuvor mit dem Landesumweltamt abgestimmt zu haben. Ob das Land Revision gegen das Urteil einlegen wird, ist offen.

[infobox]Das Urteil des OVG Münster
Aktenzeichen: 8 A 2851/18 (I. Instanz: VG Aachen 6 K 2211/15)

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Autor: Andi Goral