Bei einer weiteren Rede am Abend sagte Benedikt, die Kirche dürfe sich nicht zu sehr anpassen. Konservative Kirchenvertreter bezeichneten den viertägigen Besuch des Papstes in Deutschland als Erfolg: Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch sagte, die Katholische Kirche in Deutschland sei nach dem Besuch ermutigt und gestärkt. Kritiker bemängelten, dass Reformen mit diesem Papst offenbar weiterhin in weiter Ferne seien. Weder habe der Papst Hoffnung auf mehr Ökumene noch auf einen Kurswechsel in vielfach kritisierten Punkten, beispielsweise in der Sexualmoral, gemacht. Um 19:36 Uhr am Sonntagabend hob eine Sondermaschine der Lufthansa mit dem Pontifex an Bord am Flughafen Lahr im Schwarzwald in Richtung Rom ab.

Theologe und Kirchenkritiker Küng von Papstbesuch enttäuscht
Der Tübinger Theologe Hans Küng hat in einem Gastbeitrag für die "Freie Presse" (Montagausgabe) eine bittere Bilanz des Papstbesuches gezogen. Küng schrieb, das Motto des Besuches habe zwar geheißen: "Wo Gott ist, da ist Zukunft". Doch richtig sei: "Wo dieser Papst ist, da ist Vergangenheit." Papst Benedikt XVI. habe ein "offenes Ohr" und ein "hörendes Herz" versprochen. "Aber er zeigte für Reformanliegen weder das eine noch das andere. Mit versteinertem Herz reagierte er auf die Reformanliegen von, ich möchte sagen, etwa 80 Prozent der deutschen Christen", so der Kirchenkritiker. Deutschland habe vier Tage "Personenkult vom Nachfolger des armen Fischers Petrus" erlebt, die Bischöfe hätten als Statisten fungiert. Das stoße ungezählte Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche vor den Kopf. Als besonders enttäuschend bewertet Küng das Treffen mit Vertretern des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland im Augustinerkloster zu Erfurt. "Ich hatte mir eine fruchtbare Begegnung erhofft. Stattdessen hat sich bestätigt, dass Joseph Ratzinger seit nunmehr dreißig Jahren als Haupthindernis für die ökumenische Verständigung mit der evangelischen Kirche wirkt. Er erkennt diese Kirche nicht einmal an. Hinter dem Lächeln des alten Mannes zeigt sich das Gesicht des starren Dogmatikers, des römischen Traditionalisten und des kalten Machtpolitikers."

Kretschmann kritisiert Unnachgiebigkeit des Papstes
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat zum Abschluss des Papstbesuchs die Unnachgiebigkeit von Benedikt XVI. in der kirchlichen Reformdebatte kritisiert. Kretschmann, der als gläubiger Katholik selbst dem Zentralkomitee der Deutschen Katholiken (ZDK) angehört und Benedikt in Freiburg begrüßt hatte, sagte der Tageszeitung "Die Welt": "Innerkirchliche Kritik wird zu schnell als illoyal und ungehorsam hingestellt, statt zu sehen, dass sie aus Sorge erfolgt." Die Kirche könne ja entscheiden, "keine Frauen in Weih- und Leitungsämtern zuzulassen. Aber dann soll sie es bitte begründen und sich auf den Streit darüber einlassen, statt einfach zu sagen, so war es und so bleibt es." Kretschmann kritisierte auch, dass es beim Papstbesuch nicht "stärkere Signale" zur Ökumene mit der evangelischen Kirche gegeben habe: "In Baden-Württemberg ist die Hälfte aller Ehen konfessionsverschieden. Es geht um ganz praktische, seelsorgerische Fragen." Zudem attackierte Kretschmann einige seiner grünen Parteikollegen, welche die Papst-Rede im Bundestag boykottiert hatten: "Man kann ihn kritisieren, aber man sollte dabei zuhören." Ausdrücklich lobte der grüne Regierungschef die persönliche Begegnung mit dem Papst. "Der Papst ist ein hoch konzentrierter Zuhörer. Wir Schwaben würden sagen, ein ganz Gscheiter. Er hat sich für das Verhältnis von Wirtschaft und Ökologie interessiert. Die Integration der Muslime war ein Thema. Unseren neuen Tübinger Lehrstuhl, wo Imame und islamische Religionslehrer ausgebildet werden, hat er sehr positiv gewürdigt, weil auch die Hoffnung besteht, dass sich eine Art europäischer Islam entwickeln kann. Und er fragte nach Stuttgart 21, wollte wissen, wie die Sache steht und wie sie ausgehen könnte."

[dts]