Köln | Über 1.300 polizeilich gemeldete antisemitische Vorfälle hat die Amadeu-Antonio-Stiftung im Jahr 2016 bundesweit registriert. 470 Vorfälle wurden der Berliner Recherche- und Informationsstelle (RIAS) gemeldet. Am morgigen Montag, 18.15 Uhr, wird an der Antoniterkirche im Rahmen der Aktionswochen gegen Antisemitismus auf den zunehmenden Rechtsruck aufmerksam gemacht.

Dabei werden – wie schon vor zwei Jahren – 130 exemplarisch ausgesuchte antisemitische Vorfälle aus diesem Jahr mit Zeitpunkt und Ort auf die Kirchenfassade projiziert (im Vorjahr geschah das am Wallraf-Richartz-Museum). Das reicht vom Beschmieren eines Gedenksteins mit einem Hakenkreuz in Siegen über das Verlassen einer Schweigeminute für den verstorbenen Holocaust-Überlebenden Max Schindler in Cottbus durch einen NPD-Stadtrat bis zum Spruch „Juden ins Gas“ an eine Demonstrantin, die in Eisenach eine Israel-Fahne trug.

Im ersten Halbjahr 2017 mehr antisemitische Vorfälle als im Vorjahr

Im ersten Halbjahr 2017 wurden – so die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Kölns MdB Volker Beck – 681 derartige Delikte erfasst. Das sind vier Prozent mehr als im Vergleichszeitraum 2016. Für Hannelore Bartscherer sind die zahlenmäßige Entwicklung der letzten Jahre und die jüngsten Wahlerfolge rechter Parteien wie der AfD der Beweis dafür, dass der Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind.

„Die Dunkelziffer dürfte erheblich höher sein als die offiziellen Zahlen“, sagt die stellvertretende Vorsitzende der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Und sie kennt solche Vorfällen auch in Köln. So traue sich heute – anders als noch vor wenigen Jahren – keiner mehr, mit einer Kippa auf die Straße, seitdem einem Mitglied der Synagogen-Gemeinde diese jüdische Kopfbedeckung herunter geschlagen wurde.

Nicht alle Übergriffe werden der Polizei gemeldet

Solche Übergriffe wurden allerdings nicht der Polizei gemeldet, auch fehlt eine Stelle, die solche Fälle sammelt. Beim Projekt „Jederzeit wieder! Gemeinsam gegen Antisemitismus“ hat man allerdings beobachtet, dass „Du Jude!“ ein durchaus gebräuchliches Schimpfwort ist. Ein Mitarbeiter dieses Projekts, das bundesweit Workshops organisiert und an einem pädagogischen Handbuch zum Umgang mit Antisemitismus arbeitet, weist darauf hin, dass 90 Prozent aller gemeldeten Vorfälle von nicht-muslimischen Deutschen verübt werden.

In diesem Jahr arbeitet die Kölnischen Gesellschaft mit der Gruppe „re:cologne – Kölner Studis gegen Rechts“ zusammen. Im Anschluss an die Videoprojektion wird es einen „Spaziergang“ von der Antoniterkirche zur Synagoge an der Roonstraße geben. Dieser führt unter anderem am Jawne, dem ehemaligen jüdischen Gymnasium am Ernst-Klibansky-Platz vorbei.

Autor: ehu
Foto: Schon vor zwei Jahren moderierte Hannelore Bartscherer die Protestaktion gegen Antisemitismus vor der Antoniterkirche an der Schildergasse.