Köln | aktualisiert | Mit einer groß angelegten Razzia sucht die Kölner Polizei seit den frühen Morgenstunden nach Intensivtätern, die die städtische Flüchtlingsunterkunft in der Herkulesstraße als Unterkunft missbrauchen. Polizeipräsident Wolfgang Albers spricht von einem sensiblen Einsatz auf den man sich besonders vorbereitet habe und betonte mehrfach: „Es geht nicht gegen Flüchtlinge, sondern ausschließlich gegen Intensivtäter“. Die Polizei zog mittlerweile Bilanz und die Kölner Grünen kritisieren den Einsatz scharf.

Fotostrecke: Razzia in der Flüchtlingsunterkunft der Stadt Köln Herkulesstraße >

Es ist kurz nach 6:00 Uhr in der Früh, als die Kölner Polizei mit starken Kräften im Gleisdreieck an der Herkulesstraße Aufstellung nimmt. Noch ist es Nacht, in vereinzelten Räumen brennt Licht in der Flüchtlingsunterkunft der Stadt Köln. Dort, so erklärt es die städtische Pressesprecherin Schürmann, seien derzeit rund 600 Flüchtlinge gemeldet. Schürmann achtet peinlich genau darauf, dass die Privatsphäre der Flüchtlinge nicht gestört wird.

Polizeipräsident Wolfgang Albers erläuterte den Einsatz. Man wisse aus Ermittlungen, dass Straftäter und vor allem Intensivtäter die Flüchtlingsunterkunft als Unterschlupf missbrauchten. Auch aus Zeugenvernehmungen unter den Flüchtlingen, die unter dieser Tätergruppe ebenso litten. Der Fokus liege dabei auf Taschendiebstählen und Eigentumsdelikten. Man habe die Einsatzkräfte, so Albers, besonders auf den Einsatz sensibilisiert. Denn viele der Flüchtlinge, die in der Herkulesstraße derzeit lebten, kämen aus Kriegsgebieten, seien traumatisiert. Oft hätten sie in ihren Heimatländern Polizei und Uniform anders erlebt, als dies hier in Deutschland der Fall sei. Man sei sich daher bewusst, dass Polizei erschreckend wirken könne und werde dieser Situation Rechnung tragen. Man hoffe auf das Verständnis der Flüchtlinge, so Albers.

Das Gelände war von Polizeikräften gesichert und der Eingang gesperrt. Es waren viele Beamte im Einsatz, allerdings war der Eindruck bis 8:00 Uhr morgens ein friedlicher und ruhiger. Auch der Rettungsdienst war vor Ort und griff ein, sofern sich Verdachtsmomente auf Krankheiten ergaben. Einmal gingen Arzt und Sanitäter im Schutzanzug in das Gebäude, weil es einen Verdacht auf TBC gab. Dieser scheint sich aber nicht bestätigt zu haben, denn schon kurze Zeit später, verließen die Rettungskräfte das Gebäude ungeschützt. Mit TBC, so die städtische Pressesprecherin Schürmann, könne man sich überall anstecken, so auch in der U-Bahn oder auf einer Konzertveranstaltung. Wer überprüft war und sich ausweisen konnte, durfte das Gelände jederzeit verlassen.

Die vorläufige Bilanz der Kölner Polizei nach dem Einsatz

Die Kölner Polizei hat 670 Personen in der Herkulesstraße angetroffen und kontrolliert. Drei Menschen wurden festgenommen. Eine Person, den die Kölner Polizei als Intensivtäter bezeichnet, bei der ein gestohlenes Handy gefunden wurde. Eine weitere Person wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. Hier fand die Polizei geringe Mengen Marihuana. Eine weitere Person wurde festgenommen, weil sie sich illegal in Köln aufgehalten hatte. Zudem traf man eine 17-Jährige an, die als Vermisst gemeldet war und die dem Kölner Jugendamt übergeben wurde. Ihre Identität ist derzeit noch unklar. Die Polizei sagt, sie sei staatenlos.
Die Polizei begründet diesen Einsatz mit dem starken Anstieg des Taschendiebstahls. Hier sei die Deliktquote 2014 bereits um 25 Prozent gestiegen. Die Täter seien sehr mobil unterwegs und beschränkten sich nicht nur auf Köln, sondern träten auch in weiteren Städten, wie Aachen oder Bonn auf. Daher habe man an diesem Tage eine konzertierte Aktion auch mit anderen Behörden geplant und durchgeführt. Im gesamten Rheinland waren rund 1.950 Beamte im Einsatz,  oder sind es teilweise noch, etwa bei Kontrollen auf der Autobahn. Auch die Bundespolizei sei im Einsatz gewesen, an den Flughäfen und Bahnhöfen, wo heute durch den Streik natürlich weniger los gewesen sein dürfte. Im Polizeipräsidium Köln seien auch Beamte von Europol im Einsatz gewesen. Es habe im Vorfeld der heutigen Razzia 159 Personen gegeben, denen 420 Eigentumsdelikte nachgewiesen werden konnten und die auf die Frage nach Ihrer Wohnanschrift immer die Herkulesstraße angegeben hätten, unterstreicht die Polizei ihre Begründung für den Einsatz.

Scharfe Kritik von den Kölner Grünen

Die Kölner Grünen kritisieren sehr stark den Einsatz an der Herkulesstraße. So zitiert die schriftliche Mitteilung die Fraktionsvorsitzende im Kölner Rat Kirsten Jahn: „Es ist sicherlich unstrittig gegen Kriminalität vorzugehen. Auch dürfen Flüchtlingsunterkünfte nicht als Unterschlupf missbraucht werden. Allerdings ist das massive Aufgebot von 600 Polizisten unverhältnismäßig und unsensibel. Dort leben über 500 Flüchtlinge, darunter ca. 300 Kinder und Jugendliche. Sie mussten zum Teil in ihren Heimatorten Gewalt erleiden und sind traumatisiert nach Deutschland gekommen. Dem gegenüber ist die Bilanz der Polizeiaktion mit 5 Festnahmen sehr dürftig.“ Marlis Bredehorst aus dem Kreisvorstand der Kölner Grünen befürchtet, dass durch den Polizeieinsatz Ressentiments und Vorurteile gegen Flüchtlinge geschürt würden.
Der Einsatz habe auch dem Erkenntnisgewinn und der Erkenntnisverdichtung gedient, erläuterte Einsatzleiter Schulte. So habe man 50 Personen in der Herkulesstraße angetroffen, die dort nicht gemeldet seien, die aber dem Kreis der mobilen Täter zuzurechnen seien. Diese sind oft gar keine Flüchtlinge, sondern haben langjährige Duldungen und reisen umher und begehen an unterschiedlichen Orten Taten. Zwar habe mam den 50 Personen vor Ort aktuell keine Taten zuordnen können, aber doch ein deutliches Signal gesetzt. Durch die häufigen Razzien, etwa im Poller Holzweg sei dort die Zahl der Täter abgeebbt. Die Täter haben verstanden, dass dies kein sicherer Rückzugsort mehr ist, so die Erkenntnisse der Kölner Polizei. Die Vielzahl der Polizeibeamten mit der man in der Herkulesstraße vorgegangen sei, begründe sich damit, dass man den Freiheitsentzug der Flüchtlinge so gering wie möglich halten wollte. So habe man nach nur drei Stunden die Razzia beenden können.
Bei den Kölner Grünen sieht man noch einen anderen Hintergrund der Großrazzia in Köln: „Offenbar will Innenminister Jäger durch solche Groß-Aktionen nun seine Handlungsfähigkeit auf dem Rücken der Flüchtlinge zu Schau stellen und von seinem Versagen beim Schutz von Flüchtlingen in Landesunterkünften ablenken. Damit werden kurz vor dem geplanten Nachbarschaftsfest die vielen Initiativen aus der Bürgerschaft für mehr Akzeptanz untergraben.“ Ein Flüchtling sei bei Eintreffen der Beamten geflohen. Der Mann sei völlig unbescholten, so Schulte, aber anscheinden war er so erschrocken, dass er erst einmal nur weg wollte.

Autor: Andi Goral
Foto: Dieser junge Mann muss sich einer intensiveren Überprüfung durch die Kölner Polizei stellen.