Wien | Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und seine Übergangsregierung haben das mit Spannung erwartete Misstrauensvotum im österreichischen Parlament verloren. Die Mehrheit der Abgeordneten des Nationalrats sprach Kurz` Regierung am Montagnachmittag ihr Misstrauen aus. Mit der Entscheidung war nach entsprechenden Bekenntnissen der SPÖ und der FPÖ im Vorfeld der Abstimmung gerechnet worden.

Nach dem Votum muss Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Regierung des Amtes entheben und einen Übergangskanzler sowie eine Übergangsregierung benennen. Die Frage, wer Österreich beim EU-Sondergipfel am Dienstag in Brüssel vertritt, ist noch nicht geklärt. Dem Vernehmen nach könnte Kurz noch als Kanzler anreisen und erst im Anschluss abgesetzt werden.

Auch die Einsetzung eines interimistischen Regierungschefs gilt als Option. Eine Vertretung ist laut EU-Recht nicht vorgesehen. Bei dem Gipfel in Brüssel soll über wichtige Personalfragen nach der Europawahl beraten werden. Die Übergangsregierung in Österreich soll bis nach den geplanten Neuwahlen im September die Verantwortung übernehmen.

SPÖ: Regierung Kurz ist gescheitert

Kurz vor dem mit Spannung erwarteten Misstrauensvotum gegen den österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat die SPÖ dem Regierungschef die Hauptverantwortung für die aktuelle Regierungskrise zugeschrieben. „Herr Bundeskanzler, Sie tragen die volle Verantwortung“, sagte SPÖ-Fraktionsvize Jörg Leichtfried am Montagnachmittag in einer Sondersitzung des Nationalrats zur Ibiza-Affäre. Die Regierung Kurz und das Experiment einer Regierung mit der FPÖ seien gescheitert.

Vor allem die Informationspolitik des Kanzlers nach dem Bekanntwerden des Ibiza-Videos kritisierte Leichtfried scharf. Der Regierungschef habe zu lange geschwiegen und dann lediglich eine „Wahlkampfrede“ gehalten. Gespräche mit der Opposition habe es keine gegeben.

Stattdessen habe Kurz einseitig Neuwahlen ausgerufen und zahlreiche Medientermine wahrgenommen. Bei verschiedenen Pressekonferenzen habe der Kanzler allerdings nicht einmal Fragen zugelassen, fügte der SPÖ-Politiker hinzu. Das gegenseitige Vertrauen sei durch die aktuelle Regierungskrise schwer beschädigt worden.

Kurz selbst wies die Kritik an sich zurück. Er lasse sich nicht provozieren, sagte er als Antwort auf Leichtfrieds Rede. Er verteidigte erneut die Arbeit der geplatzten Regierung.

Aktuell wird davon ausgegangen, dass Kurz das Misstrauensvotum verlieren wird. Mit einem Ergebnis wird gegen 16 oder 17 Uhr gerechnet. Eine Übergangsregierung würde im Fall einer Abwahl von Kurz bis nach den geplanten Neuwahlen im September die Verantwortung übernehmen.

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