Berlin | dts | aktualisiert | Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will die Ukraine-Hilfe notfalls ausweiten. Der Krieg sei „wahrscheinlich so schnell nicht vorbei wie wir das uns alle wünschen“, sagte Scholz auf dem SPD-Parteitag am Samstag in Berlin. Deutschland müsse in der Lage sein, in diesem, im nächsten und auch im übernächsten Jahr noch zu helfen. Tag 2 des Bundesparteitags der SPD in Berlin.
Wenn andere schwächeln, müsse der deutsche Beitrag auch noch gesteigert werden können, so der deutsche Kanzler. Putin dürfe nicht darauf rechnen, dass die Unterstützung nachlasse. Deutschland werde weiter mit finanziellen Mitteln und mit Waffenlieferungen helfen.
Das sei „natürlich auf eine finanzielle Herausforderung“, sagte Scholz. Die SPD trifft sich an diesem Wochenende in Berlin zu einem dreitägigen Parteitag. In den Umfragen sind die Sozialdemokraten derzeit mit etwa 14 Prozent auf dem schlechtesten Stand seit der letzten Bundestagswahl, als sie 25,7 Prozent erreichten.
Juso-Chef Türmer fordert von Kanzler Scholz mehr Führung
Juso-Chef Philipp Türmer fordert von seinem Parteigenossen und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Haushaltschaos mehr Führung. „In der aktuellen Situation trauen die Ampelparteien einander nicht mehr über den Weg, und Olaf moderiert nur zwischen den beiden Streithälsen Grüne und FDP“, sagte Türmer dem Portal „Watson“. „Dabei ist es so wichtig, dass der Kanzler jetzt einen klaren sozialdemokratischen Kurs vorgibt.“
Wenn die FDP sich nicht durchringen könne, die Schuldenbremse 2024 auszusetzen, müsse er sie eben daran erinnern, dass sie der kleinste Partner sei. Mit Blick auf die Lage der SPD sagte Türmer: „Die Umfrageergebnisse, die 2019 zur Neustrukturierung der Partei geführt haben, sind besser als die Ergebnisse, die die SPD heute hat. Deshalb fordern wir als Jusos so deutlich, dass es so nicht weitergehen kann. Uns liegt etwas an dieser Partei und der Gesellschaft, die so dringend richtig gute sozialdemokratische Politik braucht.“ Auf dem Parteitag wurde ein Leitantrag beschlossen, der die Schuldenbremse als starres Instrument ablehnt. Da das eine Grundgesetzänderung mit sich bringe, solle dahingehend für politische Mehrheiten geworben werden.
Zum Argument der Generationengerechtigkeit im Zusammenhang mit der Staatsverschuldung sagte er: „Wir dürfen jungen Menschen und nachfolgenden Generationen keinen kaputtgesparten Staat hinterlassen. Vielmehr sollten wir eine Infrastruktur hinterlassen, die in gutem Zustand ist. Dazu gehören moderne Schulen, ein gutes Gesundheitssystem. Natürlich dürfen wir nicht die Basis unseres Wohlstandes verspielen: die Industrie. Die müssen wir transformieren und das wird nur gehen, wenn wir auch staatliches Geld reinstecken.“ Die Neuausrichtung, die die SPD an diesem Wochenende beschließe, bedeute gerade für junge Menschen viel.
Türmer sagte dazu: „Die SPD will gerade eine Zukunftsvision zeichnen. Es geht um die Frage, wie der Wohlstand dieses Landes in eine Zeit der Klimaneutralität überführt werden kann. Das ist für uns junge Menschen die zentrale Frage, schließlich leben wir noch sehr lange und wir wollen wissen, wie unser Leben in Zukunft aussehen wird. Die Leitanträge vereinen Klimapolitik und die wirtschaftliche Situation Deutschlands. Das steht sehr wesentlich für meine Generation.“
Nach Parteitagsrede: Medwedew bezichtigt Scholz der Lüge
Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach dessen Rede auf dem Parteitag der SPD der Lüge bezichtigt. „Der Deutsche lügt durch und durch“, schrieb Medwedew am Samstag auf X/Twitter und postete dazu ein karikiertes Bild des SPD-Politikers. Laut dem Vorsitzenden der Partei „Einiges Russland“ habe Scholz mit seiner Einschätzung, dass Russland die Energieversorgung Europas eingestellt habe, die Unwahrheit gesagt: „Sie haben es selbst abgelehnt, sie haben ihr eigenes Volk wegen des Hasses auf Russland verarscht, und jetzt weichen sie aus und lügen“, so Medwedew weiter.
Medwedew gilt als treuer Gefolgsmann Wladimir Putins und war von 2008 bis 2012 Präsident Russlands. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine fiel der Politiker immer wieder durch martialische Äußerungen, etwa in Bezug auf einen möglichen Atomkrieg zwischen der Nato und Russland, auf.
SPD-Parteitag will Schuldenbremse auch 2024 aussetzen
Der SPD-Parteitag in Berlin hat am Samstag einen Antrag beschlossen, der sich für die Aussetzung der Schuldenbremse im Jahr 2024 ausspricht. Die Voraussetzungen für eine erweiterte Kreditaufnahme seien aufgrund einer anhaltenden Notsituation gegeben, heißt es darin. So seien etwa die Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine noch nicht bewältigt.
„Verfassungsrechtlich vorgegebene Spielräume für den Haushalt“ müssten im Sinne der Bevölkerung genutzt werden, heißt es weiter. Mit dem Beschluss geht Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nun in die anstehenden Verhandlungen über den Bundeshaushalt für das nächste Jahr. Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner hatte zuletzt darauf beharrt, keine ausreichenden Gründe für ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse zu sehen und sich für Kürzungen im Sozialbereich ausgesprochen.
Nachdem Urteil aus Karlsruhe fehlen der Ampel-Koalition rund 17 Milliarden Euro.
Haushaltskrise: Barley warnt vor Sparkurs
Auch die Spitzenkandidaten der SPD für die kommende Europawahl, Katarina Barley, hat sich indirekt gegen die Beibehaltung der Schuldenbremse im Bundeshaushalt für das kommende Jahr ausgesprochen. „In Europa, da weiß man ganz genau, was es bedeutet, Krisen mit Sparen bewältigen zu wollen“, sagte Barley am Samstagabend vor den Delegierten des SPD-Parteitags in Berlin. Sie erinnerte an die Austeritätspolitik nach der Finanzkrise im Jahr 2008.
„Das hieß Rentenkürzungen, es hieß insgesamt Kürzung von Sozialleistungen, Abbau von Gesundheitsleistungen. Das hat diesen Ländern, wie wir wissen, alles andere als gutgetan.“ Dass Länder wie Spanien, Italien oder Griechenland etwa besonders hart von der Corona-Pandemie betroffen gewesen seien, sei eine Folge dieser Sparpolitik gewesen, so Barley.
„Die Frage, ob man dem Staat in Krisenzeiten die Hände im Kampf gegen Klimawandel und Armut auf den Rücken bindet, die haben wir in Europa schon beantwortet. Aber die Konservativen und Neoliberalen in Deutschland und in Europa, die scheinen das Motto zu haben: ´Spare bei den Schwächsten und Ärmsten, dann hast du in der Not´. Christlich ist daran nichts.“
Kritik äußerte Barley an CDU-Chef Friedrich Merz: Dieser sei entweder „völlig ahnungslos“, was das Haushaltsurteil aus Karlsruhe für Konsequenzen habe, „oder es ist ihm ganz recht, dass jetzt wieder diejenigen angegriffen werden können, die ihm sowieso ein Dorn im Auge sind“. Die SPD-Politikerin warnte zudem vor möglichen Wahlerfolgen rechter Parteien bei der anstehenden Europawahl. Konservative und Liberale seien vielerorts bereit, für den kurzfristigen, politischen Vorteil, mit den Rechten gemeinsame Sache zu machen.
Sánchez warnt auf SPD-Parteitag vor Abbau des Sozialstaats
Der Ministerpräsident Spaniens, Pedro Sánchez, hat auf dem SPD-Parteitag in Berlin vor einem Abbau des Sozialstaats gewarnt. „Der Sozialstaat war ein Mittel gegen die Rückkehr des Faschismus“, sagte der Generalsekretär der Sozialdemokraten in Spanien in seinem Grußwort vor den SPD-Delegierten am Samstag. „Das ist auch heute noch der Fall. Er ist das Instrument gegen die rechtsextremen Kräfte, denn er bietet Sicherheit für die Mittelschicht und die Arbeiterklasse.“ Es gebe kein anderes Mittel, um Ungleichheiten effektiver zu bekämpfen, so der spanische Sozialdemokrat. Sanchez sprach sich zudem für mehr Investitionen in den Bildungsbereich aus, auch um junge Menschen besser vor den Verführungen des Rechtspopulismus zu schützen.
„Wollen eine Inspiration sein und zeigen, dass in der Demokratie soziale Gerechtigkeit und moderne Wirtschaft zusammengebracht werden können, oder wollen wir ein verängstigtes Europa, das sich von der Furcht leiten lässt?“ Zuvor hatte der SPD-Parteitag einen Antrag verabschiedet, der sich für ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse im kommenden Jahr ausspricht. Aufgrund der angespannten Haushaltslage hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zuletzt Kürzungen von Sozialleistungen ins Spiel gebracht, um die Ausgaben des Bundes zu reduzieren.
SPD setzt Parteitag fort
Die SPD setzt am Samstag ihren Parteitag in Berlin fort. Gegen 10 Uhr hält Bundeskanzler Olaf Scholz eine Rede, gegen 13:30 Uhr spricht SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. Weiter geht es gegen 14 Uhr mit einer Debatte zur Sicherheitspolitik, als Gast wird Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez erwartet.
Ab 17 Uhr soll über Europapolitik debattiert werden, unter anderem mit der Spitzenkandidatin zur Europawahl, Katarina Barley. Am Vortag war die engere Parteiführung neu gewählt und der Antrag „Zusammen für ein starkes Deutschland“ von den Delegierten mit großer Mehrheit angenommen worden. Kontroverse Debatten gab es dabei nicht.
Beim einzigen erkennbaren Streitpunkt „Abschaffung der Schuldenbremse“ war ein radikaler Antrag der Jusos durch einen Kompromiss und eine etwas weichere Formulierung ausgebügelt worden.