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Köln | aktualisiert | red, dts | Der 9. Senat des Oberverwaltungsgerichts NRW hat heute Urteile des Verwaltungsgerichts Köln bestätigt. Damit kann das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn nicht verpflichtet werden, schwerkranken Menschen, die den Entschluss zum Suizid gefasst haben, hierfür den Erwerb des Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital zu erlauben. Aufgrund der Grundsätzlichkeit des Urteils ist Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

Geklagt hatten zwei Männer aus Rheinland-Pfalz und eine Frau aus Baden-Württemberg. Sie leiden an verschiedenen schwerwiegenden Erkrankungen wie etwa Multiple Sklerose oder Krebs. Sie verlangen vom BfArM, ihnen jeweils eine Erlaubnis zum Erwerb von 15 Gramm Natrium-Pentobarbital zu erteilen, um mithilfe dieses Betäubungsmittels ihr Leben zu beenden.

Der Senat führt aus, dass diesem Wunsch der § 5 Abs. 1 Nr. 6 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) entgegenstehe. Der reine Erwerb von Betäubungsmitteln zum Zweck der Selbsttötung dient nicht dazu die notwendige medizinische Versorgung sicherzustellen. Das Gericht stellt fest, dass Grundrechte von Suizidwilligen durch diese Auslegung des Betäubungsmittelgesetzes derzeit nicht verletzt würden. Einen Zugang zu Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung müssten die Parlamente mit einer Gesetzgebung hinterlegen und die sei aktuell nicht gegeben.

Das Gericht stellt zudem fest: „Die Beschränkung Suizidwilliger durch § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG führt nicht dazu, dass sie ihr Recht auf Selbsttötung nicht wahrnehmen können. Nach aktueller Rechtslage ist vielmehr ein zumutbarer Zugang zu freiwillig bereitgestellter Suizidhilfe real eröffnet. Infolge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020 (zur Verfassungswidrigkeit des in § 217 StGB geregelten Verbots der geschäftsmäßigen Beihilfe zur Selbsttötung) hat sich die Möglichkeit, den Wunsch nach selbstbestimmtem Sterben zu verwirklichen, wesentlich verbessert. Das ärztliche Berufsrecht steht der Suizidhilfe nicht mehr generell entgegen. Es gibt Ärzte, die tödlich wirkende Arzneimittel verschreiben und andere Unterstützungshandlungen vornehmen. Dabei ist
es zumutbar, die Suche auf ein Gebiet jenseits des eigenen Wohnorts oder Bundeslands zu erstrecken.“

Das Menschen mit dem Willen zum Suizid einen Arzt oder eine Sterbehilfeorganisation hinzuziehen sei zumutbar, so das Gericht. Zudem stünden andere verschreibungspflichtige Arzneimittel für eine Selbsttötung zur Verfügung.

Aktenzeichen: 9 A 146/21 (I. Instanz: VG Köln 7 K 13803/17), 9 A 147/21 (VG Köln 7 K 14642/17), 9 A 148/21 (VG Köln 7 K 8560/18)

Medizinethiker dringt auf Reform des Betäubungsmittelgesetzes   

Der Bochumer Medizinethiker Jochen Vollmann dringt angesichts des Rechtsstreits um die Sterbehilfe auf eine rasche Reform des Betäubungsmittelgesetzes. Der Gesetzgeber müsse jetzt endlich seine Hausaufgaben machen, sagte der Leiter des Instituts für Medizinische Ethik an der Ruhr-Uni Bochum der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (Donnerstagsausgabe). „Das Urteil des OVG zeigt die Grenzen des Betäubungsmittelgesetzes auf und macht damit deutlich, wie wichtig eine neue gesetzliche Regelung der assistierten Selbsttötung in Deutschland ist, die leider immer noch aussteht.“

Nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von 2020 habe jeder Bürger ein Recht auf selbstbestimmte Selbsttötung und das Recht, dafür auch Hilfe in Anspruch zu nehmen, erklärte Vollmann. „Dieses grundlegende Bürgerrecht darf nicht durch politische Verzögerungstaktik ausgehebelt werden, so dass in der Praxis der selbstbestimmungsfähige Patient keine seriöse Hilfe bei der Verwirklichung seines Selbsttötungswunsches findet, die ihm nach unserer Verfassung zusteht.“ Am Mittwoch hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster entschieden, dass schwerkranke Patienten kein Anrecht darauf haben, ein todbringendes Medikament zu erhalten.