Karlsruhe | aktualisiert | Das Bundesverfassungsgericht hat das seit Juli 2015 geltende Tarifeinheitsgesetz für weitgehend mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Die Auslegung und Handhabung des Gesetzes müsse allerdings der grundrechtlich geschützten Tarifautonomie Rechnung tragen, teilte das Bundesverfassungsgericht am Dienstag mit. Über im Einzelnen noch offene Fragen müssten Fachgerichte entscheiden.

„Unvereinbar ist das Gesetz mit der Verfassung nur insoweit, als Vorkehrungen dagegen fehlen, dass die Belange der Angehörigen einzelner Berufsgruppen oder Branchen bei der Verdrängung bestehender Tarifverträge einseitig vernachlässigt werden“, hieß es zur Urteilsbegründung. Beim Schutz kleiner Spartengewerkschaften müsse der Gesetzgeber insofern Abhilfe schaffen. Die Neuregelung muss bis zum 31. Dezember 2018 getroffen werden.

Mit dem Tarifeinheitsgesetz sollen unter anderem Machtkämpfe zwischen Gewerkschaften verringert werden: Es sieht vor, dass bei kollidierenden Tarifverträgen in einem Betrieb nur der Tarifvertrag gilt, der von der Gewerkschaft ausgehandelt wurde, die im Betrieb die meisten Mitglieder hat. Dagegen hatten mehrere Gewerkschaften Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht eingelegt. Vor allem kleinere Spartengewerkschaften fühlten sich durch das Gesetz in ihrer Existenz bedroht.

In der Praxis wurde das Gesetz bisher noch nicht angewendet.

GDL-Chef sieht sich durch Urteil zur Tarifeinheit bestätigt

Der Vorsitzende der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, sieht sich durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Tarifeinheit bestätigt. „Das Gericht hat die Tarifautonomie der Spartengewerkschaften bestätigt“, sagte Weselsky dem „Handelsblatt“. „Wir haben es geschafft, uns durchzusetzen.“

Zugleich griff der Gewerkschaftsführer Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) an. „Der existenzbedrohliche Angriff einer sozialdemokratischen Arbeitsministerin ist abgewehrt.“ Weselsky, dessen Gewerkschaft monatelang für Streiks bei der Deutschen Bahn sorgte, will bei dem Staatsunternehmen nun weitermachen wie bislang.

Für Streit mit der größeren Eisenbahnergewerkschaft EVG hatte gesorgt, dass die GDL Tarifverträge nicht nur wie früher die Lokführer sondern auch fürs Zugpersonal verhandeln will, was bislang Domäne der EVG war. Den seit April amtierenden Bahnchef Richard Lutz forderte Weselsky auf, „Realpolitik“ zu machen. Das Verfassungsgerichtsurteil sei „keine Initialzündung für den Vorstand, mit anderen Gewerkschaften zu billigeren Tarifverträgen zu kommen“.

Autor: dts