Köln | Als er erschossen wurde, reckte er die geballte linke Faust in den Himmel. So wurde der Zoo-Schimpanse Petermann nach dem Ausbruch aus seinem Käfig zum Symbol für alle, die um ihre Freiheit kämpften. So jedenfalls will es die Legende, so blieb Petermann seit über 30 Jahren im Gedächtnis der Kölner haften. Das Theater im Bauturm setzt ihm jetzt ein Denkmal.

„Petermann! Eine kölsche Paranoia“ heißt das Stück, das Nina Gühlstorff (sie führt auch Regie) mit dem Ensemble erarbeitet hat. Vorweg: Wer meint, jetzt kommen alle in Affenkostümen auf die Bühne, wird enttäuscht. Das passiert erst am Schluss, nach 90 turbulenten, witzigen, rasanten und pointenreichen 90 Minuten.

Bis dahin muss sich das Publikum – und das tut es begeistert – mit einer Affenmarionette zufrieden geben. Marionette ist richtig, denn schließlich war der junge Schimpanse eine in der Hand der Menschen, trat im Karneval auf, machte Werbung, war Kölns Lieblings. Er lernte Mensch zu sein und soll selbst die ihm zugeführte Partnerin Susi mit Handschlag begrüßt haben.

Statt „artgerechter“ Haltung vegetierte Petermann im Kachelkäfig

Zum zwangsläufig verhaltensdeformierten Affen wurde er erst mit der Pubertät, dann aber gewaltig und mit aller Kraft. Er landete in einem gekachelten Käfig, eine Glasscheibe schützte die Besucher davor, mit Exkrementen beworfen zu werden. Und als er dann am 10. Oktober 1985 ausbrach, fügte er ausgerechnet Zoodirektor Gunther Nogge, der die Menschenaffen wieder artgerecht halten wollte, lebensgefährliche Bisse zu, ehe er erschossen wurde. Die Umstände des Ausbruchs schildert Laurenz Leky aus der Sicht der beteiligten Tierpfleger, während René Michaelsen als Nogge daneben steht – mit zerrissenen Kleidern.

Warum aber konnte Petermann zum Mythos werden? Die 1980er waren ein langweiliges Jahrzehnt, meint das Stück – und hätten eigentlich schon 1973 begonnen. Ohne Petermann und Gorbatschow – beide zerrissen Ketten – wäre es nichts (was ja dann doch leicht übertrieben ist). Genüsslich geht das Stück die damalige Kölner Kneipenszene durch, die Bundespolitik – ne, was war das alles langweilig! So ist das Stück vor allem Anlass, die kölsche Seele am Beispiel der Tierhaltung im Zoo und des Karnevals zu analysieren – mal liebevoll spöttisch, mal böse sarkastisch.

Ohne Posaune, Tuba und Megaphon wäre es nur halb so schön

Karneval – das heißt Tradition. Neues hat es da schwer, wie der ausgepfiffene Auftritt – wunderbar vorbereit von Leky mit Narrenkappe und Frack – von Jupp Schmitz 1962 mit seinem „Hirtenknabe von St. Kathrein“ bei der Prinzenproklamation beweist. Simples zum Mitsingen dagegen passt in die Tradition – und begeistert singt das Publikum den Hit „Ene Besuch im Zoo“ mit. Angefeuert von René Michaelsen mit Posaune und Megaphon und Christian Lang mit der Tuba. Und auch wenn ein mitreißend aufspielender und grimassierender Leky der Hauptakteur ist – ohne das musikalische Duo „Die Erbengemeinschaft“ wäre diese Inszenierung nichts, fehlten Farbe und Emotion.

Fazit: Der tote Petermann ist das beste Symbol für den Ausbruch aus dem Gefängnis der Langeweile und Tradition. Findet auch das Premierenpublikum und setzt zu einem kräftigen Schlussapplaus an – doch das Ensemble bremst die Begeisterung aus, verzichtet auf die vielen erwartbaren „Vorhänge“ und lädt alle Besucher zur Premierenfeier um die Ecke ein.

„Petermann! Eine kölsche Paranoia“ – weitere Vorstellungen: 23. und 24. März, 4., 5., 9. und 10. April, jeweils 20 Uhr, Theater im Bauturm, Aachener Str. 24-26, 50674 Köln, www.theater-im-bauturm.de, Karten: Tel. 0221 / 52 42 42, www.off-ticket.de, www.koelnticket.de und bei allen KölnTicket-Vorverkaufsstellen

Autor: ehu | Foto: MeyerOriginals / TiB
Foto: Sichtlich gequält erträgt Renè Michaelsen die Liebkosungen der Petermann-Marionette. Der Nabel rechts gehört Puppenspieler Laurenz Leky.