Köln | Liveblog wird ständig aktualisiert | red, dts | Seit 34 Tagen führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Heute treffen sich beide Parteien zu Verhandlungen in Istanbul und die scheinen Signale erster Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten zu senden. Über die Ereignisse in der Ukraine, die Situation der Flüchtlinge sowie politische Reaktionen berichtet report-K im Liveblog.
Energiewirtschaft will erste Stufe von Notfallplan Gas starten
18:56 Uhr > Angesichts des Kriegs in der Ukraine und des verschärften Streits um Gaslieferungen wächst der Druck auf die Bundesregierung, mehr Vorkehrungen für den Notfall zu treffen. Kerstin Andreae vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) drängt darauf, die Frühwarnstufe des Nationalen Notfallplans Gas auszurufen, berichtet die „Neue Osnabrücker Zeitung“ (Mittwochausgabe). Die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung sagte: „Obwohl aktuell noch kein Versorgungsengpass vorliegt, ist es wichtig, Vorsorge zu betreiben. Wir halten die Ausrufung der Frühwarnstufe weiterhin für sinnvoll, insbesondere vor dem Hintergrund der sich politisch zuspitzenden Lage.“ Andreae sagte, der BDEW stehe in intensivem Austausch mit dem Bundeswirtschaftsministerium und der Bundesnetzagentur. Es gebe verstärkte Bemühungen, „sich auf eine potenzielle Krisensituation vorzubereiten“.
Russland hatte zuvor mögliche neue Schritte signalisiert. Nachdem viele EU-Staaten es abgelehnt hatten, die Gaslieferungen wie von Moskau gefordert in Rubel zu bezahlen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow: „Keine Bezahlung – kein Gas“. In einem Interview mit US-Medien fügte Peskow hinzu, die Regierung in Moskau wolle die Antwort der EU abwarten und dann die nächsten Schritte festlegen.
„Wir beabsichtigen aber auf keinen Fall, uns als Wohltäter zu zeigen und Westeuropa kostenloses Gas zu liefern.“
Hoffnung im Ukraine-Krieg lässt DAX kräftig zulegen – Öl billiger
18:52 Uhr > Die Hoffnung auf ein Ende des Kriegs in der Ukraine hat den DAX am Dienstag kräftig zulegen lassen. Zum Xetra-Handelsschluss wurde der Index mit 14.820,33 Punkten berechnet, 2,79 Prozent stärker als bei Vortagesschluss. Europaweit waren Autoaktien gefragt, im DAX verzeichneten neben Continental aber auch die Lieferdienste Delivery Hero und Hellofresh teilweise zweistellige Kursgewinne.
Kriegsgewinnler wie der Rüstungskonzern Rheinmetall, aber auch die Öl-Riesen Shell und BP verloren teils bis zu fünf Prozent an Wert, und auch im DAX war RWE ein schwächerer Wert, wenngleich mit einem kleinem Plus kurz vor Handelsende. Bei den Energiepreisen selbst zeigte sich ein zweigeteiltes Bild: Der Ölpreis sank stark, ein Fass der Nordsee-Sorte Brent kostete am Dienstagnachmittag gegen 17 Uhr deutscher Zeit 109,50 US-Dollar, das waren knapp drei US-Dollar oder 2,7 Prozent weniger als am Schluss des vorherigen Handelstags, wobei das Minus im Handelsverlauf noch deutlich stärker war. Gas legte dagegen weiter zu: Eine Megawattstunde (MWh) zur Lieferung im April kostete 107 Euro und damit knapp fünf Prozent mehr als bei Vortagesschluss.
Das impliziert immer noch einen Verbraucherpreis von mindestens rund 16 bis 19 Cent pro Kilowattstunde (kWh) inklusive Nebenkosten und Steuern, sollte das Preisniveau dauerhaft so bleiben. Für einen Durchschnittshaushalt mit etwa 12.000 Kilowattstunden Verbrauch im Jahr entstünden in diesem Fall monatliche Gas-Kosten in Höhe von rund 175 Euro, und damit etwa 115 Euro mehr pro Monat als im Durchschnitt der letzten Jahre.
Auch Ukraine offenbar zu Zugeständnissen bereit
18:45 Uhr > Bei den Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine in Istanbul haben offenbar auch die Vertreter aus Kiew die Bereitschaft für Zugeständnisse gezeigt. Möglich scheint nun ein „neutraler“ Status der Ukraine, die demnach also nicht einem Militärbündnis wie der NATO beitreten würde. Dafür sollen Polen, Israel, die Türkei und Kanada als „Sicherheitsgaranten“ auftreten.
Bezüglich des Status` der Krim ist jetzt ein „15-jähriger Konsultationszeitraum“ im Gespräch. Russland hatte zuvor in Aussicht gestellt, seine militärischen Kampfhandlungen in der Ukraine „radikal“ zu reduzieren. Aus Sicht der Türkei waren die Gespräche am Dienstag in Istanbul die ergiebigsten seit Beginn des Krieges.
Es war auch das erste Mal seit zwei Wochen, dass sich die Verhandlungsführer aus Russland und der Ukraine persönlich begegneten. Der Krieg dauert allerdings schon einen Monat und fünf Tage und hat vermutlich mehrere Tausend Todesopfer gefordert.
DAX legt auch am Mittag deutlich zu – Ölpreis dreht ins Plus
14:58 Uhr > Die Börse in Frankfurt hat auch am Dienstagmittag deutliche Kursgewinne verzeichnet. Gegen 12:30 Uhr wurde der DAX mit rund 14.705 Punkten berechnet. Das entspricht einem Plus von 2,0 Prozent gegenüber dem vorherigen Handelstag.
An der Spitze der Kursliste stehen die Aktien von Delivery Hero, Hellofresh und Continental. Minimale Verluste verzeichnen nur die Papiere von FMC. Der Nikkei-Index hatte zuletzt zugelegt und mit einem Stand von 28.252,42 Punkten geschlossen (+1,10 Prozent). Die europäische Gemeinschaftswährung tendierte am Dienstagmittag stärker.
Ein Euro kostete 1,1041 US-Dollar (+0,5 Prozent), ein Dollar war dementsprechend für 0,9057 Euro zu haben. Der Ölpreis stieg unterdessen: Ein Fass der Nordsee-Sorte Brent kostete gegen 12 Uhr deutscher Zeit 113,30 US-Dollar. Das waren 77 Cent oder 0,7 Prozent mehr als am Schluss des vorherigen Handelstags.
Zum Handelsstart hatte er noch nachgelassen. Der Gaspreis stieg unterdessen noch etwas stärker. Er war am Mittag im Vergleich zum vorherigen Handelstag rund zehn Prozent höher.
Eine Megawattstunde (MWh) zur Lieferung im April kostet in Europa derzeit rund 113 Euro. Das impliziert einen Verbraucherpreis von mindestens rund 17 bis 20 Cent pro Kilowattstunde (kWh) inklusive Nebenkosten und Steuern, sollte das Preisniveau dauerhaft so bleiben. Für einen Durchschnittshaushalt mit etwa 12.000 Kilowattstunden Verbrauch im Jahr entstünden in diesem Fall monatliche Gas-Kosten in Höhe von rund 182 Euro, und damit etwa 122 Euro mehr pro Monat als im Durchschnitt der letzten Jahre.
Russland: Militärische Aktivitäten um Kiew werden reduziert
14:37 Uhr > Russland will seine militärischen Aktivitäten im Raum Kiew und Tschernihiw nach eigenen Angaben „radikal“ reduzieren. Das berichtet die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf das Verteidigungsministerium Russlands. Demnach wolle man den Konflikt deeskalieren.
Hintergrund seien die Verhandlungen mit der Ukraine in Istanbul. Ob es am Ende aber tatsächlich zu einer Deeskalation in den betroffenen Regionen kommen wird, ist noch unklar. Bereits am Wochenende hatte das Verteidigungsministerium mitgeteilt, sich künftig auf die „vollständige Befreiung“ der östlichen Donbass-Region konzentrieren zu wollen.
SPD lehnt Obergrenze für ukrainische Flüchtlinge ab
9:34 Uhr > SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert ist gegen eine Obergrenze für Flüchtlinge aus der Ukraine. „Wir tun alles dafür, eine gerechte Verteilung in Europa herzustellen“, sagte er den Sendern RTL und ntv. Mit Blick auf die Diskussion, Geflüchteten aus der Ukraine auch Zugang zu Hartz IV zu gewähren, sagte Kühnert, dass dies weiterhin Gegenstand einer Arbeitsgruppe zwischen Bund und Ländern sei.
Bis zur ersten Aprilwoche solle hier eine Regelung gefunden werden. Es gehe natürlich auch um „Finanzierungsfragen“, so Kühnert. Man wolle aber den Menschen, die womöglich länger in Deutschland blieben, einen Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen.
„Insofern ist der Blick auf das entsprechende System dazu ein naheliegender“, sagte der SPD-Politiker.
Neue russisch-ukrainische Verhandlungen in Istanbul
8:20 Uhr > In Istanbul sollen am Dienstagvormittag neue Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland beginnen.
Delegationen beider Länder trafen am späten Montagabend ein. Es sind die ersten persönlichen Gespräche seit mehr als zwei Wochen.
Beginnen sollen sie um 10 Uhr Ortszeit (9 Uhr deutscher Zeit). Die Hoffnungen auf große Fortschritte sind aber gering. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte zuletzt zwar erklärt, Neutralität in Betracht zu ziehen, die Forderungen Russlands gehen aber deutlich weiter.
Auch mehrere Politikwissenschaftler meldeten Zweifel gegenüber dem Format und an den Absichten des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan an. „Ganz bestimmt ist Erdogan kein Friedensengel“, sagte der ehemalige Direktor der Akademie für Politische Bildung (APB) in Tutzing, Heinrich Oberreuter, der „Bild“. Er mache das „mit Sicherheit nicht nur aus humanitären Gründen“.
Erdogan ziele mit der erneuten Einladung zu Friedensgesprächen auf innenpolitische und internationale Prestige-Gewinne ab. Auch die Politologin Ursula Münch sieht die Gespräche mit Skepsis. „Ich traue den Friedensgesprächen nicht und halte sie für eine Verzögerungstaktik“, sagte sie der Zeitung.
„Insgesamt bin ich skeptisch, ob wir mit den Gesprächen nicht nur in einer falschen Sicherheit gewogen werden.“ Münch fügte hinzu, dass sie befürchte, „dass solche Gespräche im Grunde von russischer Seite aus betrieben werden, um Zeit zu gewinnen“.
Giffey fordert bessere Verteilung der Ukraine-Flüchtlinge
Angesichts der steigenden Zahl von Geflüchteten aus der Ukraine hat Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) eine bessere bundesweite Verteilung und finanzielle Unterstützung des Bundes gefordert. „Diese nationale Herausforderung können wir nur gut meistern, wenn es eine gerechte Verteilung der Geflüchteten über alle Bundesländer gibt und der Bund die Länder und Kommunen bei den Lasten und Kosten unterstützt“, sagte Giffey der „Rheinischen Post“ (Dienstagausgabe). Man müsse aus den Fehlern von 2015 und auch aus früheren Integrationserfahrungen lernen.
„Wir brauchen eine gute Unterbringung und auch den Zugang zu Bildung, Sprache, Kita, Schule und Arbeit von Anfang an“, sagte die SPD-Politikerin. Nach Angaben der Senatskanzlei habe Berlin seit Kriegsbeginn rund 20.000 Geflüchtete in landeseigenen Unterkünften untergebracht. „Der Touristenstatus der Geflüchteten ist für eine koordinierte Verteilung auf die Bundesländer herausfordernd. Solange die Geflüchteten keine Leistungen in Anspruch nehmen und sich nicht registrieren lassen, kann eine Verteilung nur auf freiwilliger Basis erfolgen“, teilte eine Sprecherin der Senatskanzlei mit. Die Bereitstellung von Bussen durch den Bund zur Weiterverlegung ins Bundesgebiet sei angelaufen. Es würden nicht mehr alle Züge und Busse ausschließlich in Berlin eintreffen, viele würden auch in andere deutsche Städte umgeleitet.
Dennoch sei Berlin nach wie vor das Drehkreuz für ankommende Menschen aus der Ukraine. In der Berliner Senatsverwaltung für Integration wurden zudem Defizite bei der bundesweiten Verteilung von Geflüchteten kritisiert. „Wir sind als Land Berlin in Vorleistung für den Bund gegangen. Erst jetzt gibt es ein bundesweites Verteilsystem nach dem Königsteiner Schlüssel, das aber noch nicht ganz rund läuft“, sagte ein Sprecher von Integrations-Senatorin Katja Kipping (Linke).
Dahmen will Ukraine-Flüchtlinge in Krankenversicherung aufnehmen
Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Janosch Dahmen, hat die umgehende Aufnahme ukrainischer Geflüchtete in die gesetzliche Krankenversicherung gefordert und sich für eine Berufsausübungserlaubnis für ukrainische Gesundheitskräfte ausgesprochen. „Für alle ukrainischen Ärzte und Pflegekräfte, die nach Deutschland geflohen sind, sollte umgehend eine begrenzte Berufsausübungserlaubnis erlassen werden“, sagte Dahmen dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Es ist dringend nötig, dass medizinisches Fachpersonal auch hier wenigstens in eingeschränkter Form in der Versorgung anderer Geflüchteter arbeiten kann.“
Der Bund habe das bereits im Jahr 2015 für syrische Geflüchtete schnell auf den Weg gebracht, das müsse auch jetzt passieren. „Aus der Ukraine sind mitunter ganze Pflegeeinrichtungen gemeinsam geflohen“, ergänzte Dahmen. „Wenn beispielsweise Pflegende und Gepflegte zusammen geflohen sind, sollte dieses Pflegeverhältnis in einer deutschen Einrichtung möglichst nahtlos weitergehen.“
Weiter sagte Dahmen: „Geflüchtete aus der Ukraine müssen so schnell wie möglich in die gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen werden.“ Die gesundheitlichen Leistungen, die sie aktuell über das Asylbewerberleistungsgesetz erhielten, seien verwaltungsaufwendig und reichten medizinisch nicht für eine adäquate Gesundheitsversorgung aus. „Dort sind oft nur Basisleistungen enthalten. Für komplexe Langzeittherapien in Folge von chronischen oder besonders schweren Erkrankungen gibt es große Hürden“, sagte der Grünen-Politiker und unterstrich, das gelte für alle Flüchtlinge. „Auch die Sprachmittlung im Gesundheitswesen sollte, so wie wir es im Koalitionsvertrag vereinbart haben, schnellstmöglich erstattungsfähig sein.“ Noch würden Dolmetscher oder technische Sprachmittlungssysteme nicht regulär als Gesundheitsleistung zur Erstattung übernommen.
US-Börsen stärker – Ölpreis sinkt weiter
Die US-Börsen haben am Montag zugelegt. Zu Handelsende in New York wurde der Dow mit 34.955,89 Punkten berechnet, ein Plus in Höhe von 0,27 Prozent im Vergleich zum vorherigen Handelstag. Wenige Minuten zuvor war der breiter gefasste S&P 500 mit rund 4.575 Punkten 0,7 Prozent im Plus, die Technologiebörse Nasdaq berechnete den Nasdaq Composite zu diesem Zeitpunkt mit rund 14.987 Punkten 1,6 Prozent stärker.
Marktbeobachtern zufolge sorgten sinkende Ölpreise für gute Stimmung unter den Anlegern. Die europäische Gemeinschaftswährung zeigte sich am Montagabend unverändert. Ein Euro kostete 1,0987 US-Dollar, ein Dollar war dementsprechend für 0,9102 Euro zu haben.
Der Goldpreis ließ deutlich nach, am Abend wurden für eine Feinunze 1.921 US-Dollar gezahlt (-1,9 Prozent). Das entspricht einem Preis von 56,21 Euro pro Gramm. Der Ölpreis sank unterdessen stark: Ein Fass der Nordsee-Sorte Brent kostete am Montagabend gegen 22 Uhr deutscher Zeit 109,60 US-Dollar, das waren 1105 Cent oder 9,2 Prozent weniger als am Schluss des vorherigen Handelstags.