Der Screenshot aus dem Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages zeigt Alt-Bundespräsident Joachim Gauck und den ukrainischen Botschafter Dr. Andrij Melnyk auf der Besuchertribüne bei der Sondersitzung des Deutschen Bundestages am 27. Februar 2022.

Köln | Liveblog wird ständig aktualisiert | red, dts | Nach den Verhandlungen in Istanbul wirft der ukrainische Botschafter in Deutschland Russland ein „Täuschungsmanöver“ vor. In der Bundesregierung denkt der Arbeitsminister über eine Arbeitsmarktperspektiven für ukrainische Flüchtlinge nach. Über die Ereignisse in der Ukraine, die Situation der Flüchtlinge sowie politische Reaktionen berichtet report-K im Liveblog.

Wirtschaftsminister zweifelt an Putins Rubel-Kehrtwende   

1:04 Uhr > Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zeigt sich skeptisch, ob Russland tatsächlich weiter Zahlungen für Gaslieferungen in Euro akzeptiert. Man müsse abwarten, wie die Putin-Regierung ihre Drohung am Donnerstag in einem Gesetz konkretisieren werde, sagte er „RTL Direkt“. Dann werde man erst genau wissen, was das bedeutet, „ob die Aussagen von gestern und die von heute in einem Widerspruch stehen oder ob das alles nur ein kommunikativer Irrtum ist“.

Man müsse wachsam sein. „Sie wissen, dass wir heute eine Frühwarnstufe ausgerufen haben, um diese Wachsamkeit auch zu formalisieren.“ Sollte Russland den Gashahn zudrehen, werde es nicht sofort eine Notlage geben.

Gas sei in den Speichern und könne über LNG-Terminals in Nachbarländern importiert werden. Die große Aufgabe sei, für den nächsten Winter die Speicher voll zu haben: „Und wenn kein russisches Gas käme, wäre das mit dem bisherigen Verbrauch und den bisherigen Lieferungen nur sehr schwer möglich.“ Durch einen geringeren Gasverbrauch könne jeder einen Beitrag leisten.

Eine um ein Grad abgesenkte Raumtemperatur spare sechs Prozent Energie. Auf die Frage, ob er den Bürgern zusagen könne, dass bei einem Gasstopp die Heizungen nicht ausgehen würden, sagte Habeck: „Ich kann Ihnen sagen, dass die Rechtslage vorsieht, dass das Heizen des Hauses das letzte ist, was einen staatlichen Eingriff zu befürchten hat.“ Andererseits sei man mit einem Landkrieg in Europa in einer Situation, die man so in 70 Jahren nie gehabt hätte, so der Grünen-Politiker.

„Wir reden über Szenarien, die hoffentlich und wahrscheinlich nie eintreten werden, aber würden sie eintreten, waren wir da als Land und Gesellschaft auch noch nie.“


Scholz und Putin streiten am Telefon über Gas-Rechnung   

01:03 Uhr > Russlands Präsident Putin und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) haben am Donnerstag telefoniert – und sich offenbar über die Zahlungsmodalitäten der russischen Gas-Rechnungen gestritten. Das Gespräch sei auf Putins Wunsch am Nachmittag zu Stande gekommen, betonte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Putin habe in dem Gespräch dargelegt, dass er ein Gesetz erlassen werde, wonach Gaslieferung ab dem 1. April in Rubel zu begleichen seien.

Zugleich habe er aber unterstrichen, dass sich für die europäischen Vertragspartner nichts ändern werde. Die Zahlungen würden weiterhin ausschließlich in Euro ergehen und wie üblich an die Gazprom-Bank überwiesen, die nicht von den Sanktionen betroffen sei. Die Bank konvertiere dann das Geld in Rubel.

„Bundeskanzler Scholz hat diesem Verfahren in dem Gespräch NICHT zugestimmt, sondern lediglich um schriftliche Informationen gebeten, um das Verfahren genauer zu verstehen“, hieß es in einer schriftlichen Mitteilung der Bundesregierung wörtlich. Es bleibe dabei, dass die G7-Vereinbarung gelte: „Energielieferungen werden ausschließlich in Euro oder Dollar bezahlt, so wie es die Verträge vorsehen“, sagte Hebestreit.


DGB befürchtet irreparable Schäden bei möglichem Gas-Lieferstopp   

17:42 Uhr > Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds, fürchtet schwere Schäden für die deutsche und europäische Wirtschaft, sollte Russland die Gas-Lieferungen einstellen. „Ein möglicher Lieferstopp hätte gravierende Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Wirtschaftsstruktur“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstagausgaben). „Es drohen irreparable Schäden an den industriellen Wertschöpfungsketten und ein sprunghafter Anstieg der Arbeitslosigkeit.“

Eine derartige Rezession könne leicht zu einem „Domino-Effekt“ führen und den gesamten europäischen Wirtschaftsraum schwer schädigen, führte der DGB-Chef aus. „Welche Folgen dies hätte, ist derzeit kaum seriös abzusehen.“ Der DGB unterstütze deshalb das Bemühen der Bundesregierung, ein Embargo in jedem Fall zu vermeiden.



Bericht: Bund bereitet neue Waffenlieferungen in die Ukraine vor   

16:07 Uhr > Die Bundesregierung steht offenbar vor weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine. Das berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ (Donnerstagausgabe) unter Berufung auf Kreise des Verteidigungsministeriums. Demnach liegt der Regierung eine Liste mit Rüstungsgütern im Wert von etwa 300 Millionen Euro vor, die kurzfristig an die Ukraine geliefert werden könnten.

Dabei handelt es sich nicht um Waffen und Ausrüstung aus Beständen der Bundeswehr, sondern um Güter, die die Industrie sofort beziehungsweise ohne großen Vorlauf liefern könne. Das Verteidigungsministerium hatte eine solche Liste angefordert, nachdem die Regierung auf Bitten der Ukraine weitere militärische Hilfe in Aussicht gestellt hatte. Die Bundeswehr selbst hat bereits Raketen zur Panzer- und Flugabwehr teils aus alten NVA-Beständen abgegeben, ist aber kaum mehr in der Lage, auf weiteres Material zu verzichten.

Wie die SZ aus Kreisen des Verteidigungsministeriums zitiert, hegt Ministerin Christine Lambrecht (SPD) „keine Bedenken“ dagegen, dass entsprechend der Liste Kriegsgerät für die Ukraine angeschafft wird. Allerdings muss vorher der geheim tagende Bundessicherheitsrat darüber entscheiden. Auch sei noch nicht geklärt, wer die Verträge schließt und wer dafür bezahlt.

Am Wochenende hatte Ministerin Lambrecht versichert: „Insgesamt gilt: Wir liefern, und wir liefern konsequent.“ Die Liste umfasst etwa 200 Produkte. Darunter befinden sich laut SZ unter anderem 2.650 Panzerfäuste vom Typ Matador im Wert von etwa 13 Millionen Euro und 18 Aufklärungsdrohnen, die umgehend geliefert werden könnten.

Zudem stehen Mörser, Maschinenkanonen, 3.000 Nachtsichtgeräte-Sätze, Tausende Schutzwesten und Helme auf der Liste. Des Weiteren: acht Bodenüberwachungsradargeräte und weitere Anlagen zur Luftraumüberwachung, ungeschützte und geschützte Fahrzeuge, vom Reisebus bis hin zum gepanzerten Geländewagen.



DAX startet im Minus – Unsicherheit wegen Ukraine-Krieg bleibt   

9:40 Uhr > Die Börse in Frankfurt hat zum Handelsstart am Mittwoch zunächst Kursverluste verzeichnet. Gegen 09:35 Uhr wurde der DAX mit rund 14.680 Punkten berechnet. Das entspricht einem Minus von 0,9 Prozent im Vergleich zum Handelsschluss am Vortag.

Der Krieg in der Ukraine sorgt trotz leichter Signale der Entspannung weiter für große Unsicherheit bei den Anlegern. An der Spitze der Kursliste stehen am Morgen nur die Aktien von Symrise, der Hannover Rück und von RWE entgegen dem Trend minimal im Plus. Die größten Abschläge gibt es bei den Anteilsscheinen von Delivery Hero, Continental und Zalando.

Die europäische Gemeinschaftswährung tendierte am Mittwochmorgen stärker. Ein Euro kostete 1,1119 US-Dollar (+0,3 Prozent), ein Dollar war dementsprechend für 0,8994 Euro zu haben. Der Goldpreis konnte profitieren, am Morgen wurden für eine Feinunze 1.925 US-Dollar gezahlt (+0,3 Prozent).

Das entspricht einem Preis von 55,66 Euro pro Gramm. Der Ölpreis stieg unterdessen nach dem Rückgang vom Vortag wieder stark: Ein Fass der Nordsee-Sorte Brent kostete gegen 9 Uhr deutscher Zeit 112,70 US-Dollar. Das waren 2,2 Prozent mehr als am Schluss des vorherigen Handelstags.



DGB strikt gegen Energieembargo gegen Russland   

9:35 Uhr > Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warnt vor einer Destabilisierung in Deutschland, sollte es einen Stopp russischer Energieimporte geben. „Es ist zweifelhaft, dass ein Embargo unmittelbare Auswirkungen auf den Kriegsverlauf hat und dem Ziel dient, diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zu beenden“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell der „Rheinischen Post“. Demgegenüber hätte ein Importstopp „gravierende wirtschaftliche und soziale Auswirkungen“.

Es drohten irreparable Schäden an den industriellen Wertschöpfungsketten und ein sprunghafter Anstieg der Arbeitslosigkeit. Eine derartige Destabilisierung würde weit über Deutschland hinaus zu einer schweren Hypothek für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Europas werden und den Spielraum von humanitären und friedenssichernden Maßnahmen unnötig einengen. „Aus Sicht des DGB muss deshalb alles dafür getan werden, ein Energieembargo zu verhindern“, so Körzell.

Sollte es zu einem einseitigen Stopp der Gaslieferungen durch Russland kommen, „bräuchte es dann natürlich Liquiditätshilfen für betroffene Betriebe und steuerliche Entlastungen sowie Kurzarbeit bei Produktionsdrosselungen oder gar -ausfällen, um Arbeitsplätze zu sichern“, fügte er hinzu.


Ukrainischer Botschafter unterstellt Moskau „Täuschungsmanöver“

9:30 Uhr > Der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, hat die Ankündigung Russlands, seine Militäroperationen rund um die Städte Kiew und Tschernihiw stark zu reduzieren, als „Täuschungsmanöver“ zurückgewiesen. „Wir glauben, diese `versöhnliche‘ Rhetorik aus Moskau ist nichts anderes als Bluff und Nebelkerzen, um einerseits von der militärischen Blamage des Kreml in der Ukraine abzulenken“, sagte Melnyk den Zeitungen Funke-Mediengruppe (Mittwochausgaben).

„Andererseits geht es heute Putin auch darum, den Westen – auch Deutschland – in die Irre zu führen. Angeblich sei man bereit für den Frieden, und die Ukrainer schaffen das schon selbst – ohne neue Waffenlieferungen. Das ist eine gefährliche Falle. Diese Zeit wird Russland nutzen, um seine Kräfte umzugruppieren, neue wehrpflichtige Soldaten zu schicken und logistischen Nachschub zu sichern.“

Russlands Präsident habe sein Hauptziel, „die ukrainische Staatlichkeit zu eliminieren und Kiew einzunehmen oder zu zerstören“, nicht aufgegeben, erklärte der ukrainische Botschafter. Melnyk sprach sich für eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland aus. „Vor allem das Moratorium auf Energie-Importe aus Russland soll unverzüglich eingeführt werden. Der Geldstrom – rund eine Milliarde Euro pro Tag – in die Putinsche Kriegskasse muss trockengelegt werden, um das Blutvergießen zu stoppen.“


Westen wirft Russland Verursachung weltweiter Hungersnöte vor

Der Westen wirft Russland vor, mit seiner Invasion in der Ukraine weltweite Hungersnöte zu verursachen. „Die Auswirkungen von Putins Krieg sind weit über die Grenzen der Ukraine hinaus zu spüren und haben unmittelbare und gefährliche Auswirkungen auf die globale Ernährungssicherheit“, sagte US-Vize-Außenministerin Wendy Sherman im UN-Sicherheitsrat. Der Kreml habe diese „globale Nahrungsmittelkrise“ geschaffen.

Ähnlich äußerte sich auch der französische UN-Botschafter Nicolas de Rivière. Russlands Ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen, Wassili Nebensja, wies die Vorwürfe dagegen zurück. Er machte die „unkontrollierte Hysterie der vom Westen gegen Moskau verhängten Sanktionen“ für Turbulenzen auf den Lebensmittelmärkten verantwortlich.

Die Ukraine wird oft als „Kornkammer Europas“ bezeichnet. Das Land ist einer der größten Weizenexporteure der Welt.


Heil fordert Arbeitsmarktperspektiven für Flüchtlinge

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) drängt auf klare Arbeitsmarktperspektiven für Flüchtlinge aus der Ukraine. „Es kommen sehr, sehr viele Menschen zu uns, die auch eine gute Ausbildung haben“, sagte er am Mittwoch im ARD-Morgenmagazin. Die Frage der Anerkennung von Qualifikationen müsse deshalb schnell geklärt werden.

„Das kriegen wir in Deutschland nach wie vor nicht gut genug hin.“ Die Ausbildungssysteme seien nicht eins zu eins vergleichbar – „da müssen wir schneller werden“. Einen rechtlichen Zugang zum Arbeitsmarkt gebe es für die Flüchtlinge bereits, dies müsse aber auch praktisch umgesetzt werden, so Heil.

Der Minister warnte davor, Flüchtlinge nur in „Hilfstätigkeiten“ zu drängen. Zudem dürften sie nicht „ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen“ ausgesetzt werden.