Ein Blick in den Plenarsaal des Deutschen Bundestages.

Köln | LIVEBERICHT wird ständig aktualisiert | red, dts | Der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages gibt Abgeordneten seit März ein Gutachten an die Hand das sich mit der Frage der Kriegsbeteiligung beschäftigt. 100 Zivilisten konnten in Mariupol in Sicherheit gebracht werden. Der Livebericht zu den Ereignissen rund um den Krieg in der Ukraine, die Situation der Flüchtlinge sowie politische Reaktionen weltweit.


Ärzte ohne Grenzen nennt Lage in Mariupol „die totale Katastrophe“   

21:12 Uhr > Die humanitäre Lage in der umkämpften ukrainischen Hafenstadt Mariupol ist nach Einschätzung der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen desaströs. „Nach dem, was wir bisher an Informationen haben, lässt sich klar sagen: Es ist die totale Katastrophe“, sagte die Notfallkoordinatorin für die Ukraine, Anja Wolz, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Dienstagausgaben). Nach ihren Worten wird das tatsächliche Ausmaß an menschlichem Leid in der belagerten Metropole erst in Zukunft vollständig sichtbar werden.

„Wir machen uns glaube ich keine Vorstellung davon, was wir dort noch sehen werden. Butscha, Irpin und Hostomel sind nur die Spitze des Eisbergs“, sagte Wolz. In den Städten Butscha, Irpin, Borodjanka und Hostomel waren nach dem Abzug russischer Truppen hunderte Leichen gefunden worden.

Die Notfallkoordinatorin der Organisation sagte, es gebe im Moment kaum Wege, um die Menschen in der eingeschlossenen Stadt medizinisch zu versorgen. „Es ist derzeit nahezu unmöglich, Hilfsgüter nach Mariupol zu bringen“, sagte Wolz. Zwar gebe es ehrenamtliche Helfer, die Medikamente in die Stadt schmuggelten, allerdings handle es sich dabei nur um sehr kleine Mengen an Arzneimitteln.

Zudem fehle medizinisches Personal, um die Bevölkerung in Mariupol ärztlich zu vorsorgen. „Operationen können nicht stattfinden. Die Menschen dort sind auf sich selbst gestellt“, sagte die gelernte Krankenschwester.

Dies gelte auch für die anderen Kampfgebiete des Landes. „Auch in weitere Städte in der Ostukraine können wir so gut wie nichts mehr liefern, seit dort die russische Militäroffensive begonnen hat“, sagte Wolz, die seit Beginn des Krieges die Arbeit von Ärzte ohne Grenzen in der Ukraine steuert.



Melnyk ruft zum Boykott gegen russische Schiffe und Ladungen auf   

19:26 Uhr > Inmitten der Debatte über ein Ölembargo gegen Russland hat der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, die Arbeiter im Hafen von Rostock dazu aufgefordert, einen dort ankernden Tanker mit Erdölprodukten aus Russland nicht zu entladen. „Ich rufe die Ampel-Regierung, alle Landesregierungen sowie alle deutschen Häfen auf, sämtliche russischen Schiffe oder Schiffe mit russischer Ladung – vor allem Öltanker – zu boykottieren“, sagte Melnyk dem „Spiegel“. Der Öl- und Chemikalientanker „Advantage Point“ liegt seit Samstag im Rostocker Hafen.

Zwei Tage zuvor hatte er den russischen Ölverladehafen Primorsk verlassen. Wie der „Spiegel“ berichtet, transportiert er Erdöldestillate und soll am Montag oder Dienstag entladen werden. „An die Hafenarbeiter in Rostock und in anderen deutschen Häfen möchte ich ganz besonders appellieren, die Entladung von russischen Gütern zu blockieren. Diese Maßnahmen sollen dazu führen, die russische Kriegsmaschinerie ins Herz zu treffen und den Vernichtungskrieg gegen die Ukraine schneller zu stoppen“, sagte Melnyk. Der Hafen in Rostock ist wichtig für die Versorgung der beiden einzigen ostdeutschen Großraffinerien in Schwedt (Brandenburg) und Leuna (Sachsen-Anhalt) mit Rohöl und Vorprodukten wie dem Destillat Gasöl. Daraus wird Diesel und Heizöl gewonnen.



Grünen-Ikone Ströbele kritisiert Parteispitze   

19:24 Uhr > In der Diskussion um weitere Waffenlieferungen an die Ukraine hat Grünen-Ikone Hans-Christian Ströbele die eigene Parteispitze zu einem maßvollen Vorgehen aufgerufen. „Mehr Waffenlieferungen führen dazu, dass die Kämpfe härter werden, dass die Zerstörung größer wird, dass auch mehr Menschen sterben“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Wenn die Lieferung in die Ukraine dennoch geboten erscheine, müsse dies nachvollziehbar begründet werden.

Das gelte besonders für die Lieferung schwerer Waffen, die für Angriffe geeignet seien und genutzt würden. „Mir fehlt die Reflexion und Information“, sagte Ströbele. Wenn diese Waffenlieferungen zunächst abgelehnt wurden, weil das Risiko der Eskalation zu einem Weltkrieg mit Einsatz von Atomwaffen befürchtet worden sei, müsse eine Wende begründet werden, warum das Risiko in Kauf genommen werde oder nicht mehr bestehe und ob es dazu neue Erkenntnisse gebe und welche, kritisierte der Grünen-Politiker.

„Bei dem Vorgehen, keine Waffen in Krisengebiete zu liefern, handelt es sich um erprobte, international seit Jahrzehnten anerkannte und auch gute Grundsätze der Friedenspolitik. Sind diese Grundsätze jetzt vollständig obsolet oder gelten sie nur im Fall der Ukraine nicht, und wenn nicht, warum nicht?“, fragte Ströbele. Er forderte die Bundesregierung zur Klärung auf.

Er erinnerte daran, dass dann auch die Koalitionsvereinbarungen geändert werden müssten, in denen auf diese Grundsätze Bezug genommen werde. „Sehen sich die Grünen noch an der Seite der Friedensbewegung?“, fragte Ströbele. Der Friedensaktivist äußerte die Befürchtung, dass die Lieferung von Panzern und Haubitzen zu einer Ausweitung des Konflikts führen könne.

„Irgendwann könnte der Punkt kommen, an dem Russland die massive finanzielle Unterstützung der Ukraine und deren Aufrüstung mit allen Waffen durch die NATO gar als Kriegsbeteiligung bewertet und dies zu einem noch größeren Krieg führt, mit atomarem Risiko. Ich rate dringend, diesen Punkt nicht zu suchen.“ Ströbele kritisierte den Sprachgebrauch in Politik und Medien als „zunehmend martialisch“.

Begriffe wie die Unterstützung der Verteidigung „jeden Meters Boden“ oder „bis zum Ende“ oder „um jeden Preis den Krieg gewinnen“ zu wollen, gingen ihm zu weit. Der Berliner Rechtsanwalt Ströbele zählt zu den Mitgründern seiner Partei. Als Pazifist sieht er sich im Unterschied zu anderen prägenden Personen der Grünen wie Petra Kelly nicht.

Er kritisiert die russische Politik und Präsident Wladimir Putin seit Langem. Als Putin 2001 im Bundestag empfangen wurde, blieb Ströbele aus Protest als einziger Abgeordneter demonstrativ sitzen. Russlands Angriff auf die Ukraine bezeichnete er mehrfach als „dumm“ und insbesondere die Kriegsführung als „unverzeihlich schrecklich“.


Fast 400.000 Ukraine-Flüchtlinge in Deutschland   

19:22 Uhr > Die Zahl der Menschen aus der Ukraine, die seit der russischen Invasion nach Deutschland geflohen sind, ist mittlerweile auf fast 400.000 gestiegen. Insgesamt habe die Bundespolizei 398.170 Geflüchtete aus der Ukraine festgestellt, teilte das Bundesinnenministerium am Montag mit. Weiterhin seien es überwiegend Frauen, Kinder und alte Menschen.

Die Bundespolizei führe weiter deutlich verstärkte Kontrollen durch – an den Grenzen, in Zügen sowie an Bahnhöfen, so das Innenministerium. Stationäre Grenzkontrollen fänden aber aus „humanitären Gründen“ nicht statt. Man wolle Menschen in Not nach langer Flucht schnellstmöglich versorgen können, hieß es.

Die tatsächliche Zahl der Flüchtlinge dürfte demnach deutlich höher sein. Nach UN-Angaben sind seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine mehr als 5,5 Millionen Menschen in die Nachbarländer geflohen. Davon kamen alleine deutlich mehr als drei Millionen in Polen an.


London: Verluste unter russischen Spezialkräften besonders hoch   

19:21 Uhr > Nach Einschätzung britischer Geheimdienste sind die Verluste unter russischen Spezialkräften während der Invasion in der Ukraine besonders hoch. Einige der Elite-Einheiten Russlands, einschließlich der Luftlandetruppen, hätten schwere Verluste erlitten, teilte das britische Verteidigungsministerium am Montag mit. Es werde wahrscheinlich Jahre dauern, bis Russland diese Kräfte wieder aufgebaut habe.

Insgesamt habe Russland zu Beginn des Konflikts über 120 taktische Bataillonsgruppen eingesetzt, so das Ministerium weiter. Dabei habe es sich um etwa 65 Prozent der gesamten Bodenkampfstärke gehandelt. Es sei wahrscheinlich, dass mehr als ein Viertel dieser Einheiten jetzt „kampfunfähig“ gemacht worden seien, hieß es von den Briten weiter.


Gutachten: Ausbildung von Soldaten kann Kriegsbeteiligung sein

8:20 Uhr > Die Ausbildung ukrainischer Soldaten an westlichen Waffen, die bereits auf deutschem Boden stattfindet, kann völkerrechtlich eine Kriegsbeteiligung durch den Westen darstellen. Das geht aus einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages hervor, über das die Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“ berichten. Laut dem Gutachten besteht Konsens darüber, dass westliche Waffenlieferungen völkerrechtlich nicht als Kriegseintritt gelten – solange man sich nicht an Kampfhandlungen beteiligt.

Allerdings heißt es weiter: „Erst wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei bzw. Ausbildung an solchen Waffen in Rede stünde, würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen.“ Der Rechtsstatus der „Nichtkriegsführung“ habe in der Völkerrechtspraxis die „traditionelle Neutralität“ in den letzten Jahrzehnten ersetzt, um eine Unterstützung von angegriffenen Staaten – wie derzeit die Ukraine – mit Waffenlieferungen und Geld zu ermöglichen, so die Experten. Das 12-seitige Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes, der die Bundestagsabgeordneten neutral beraten soll, trägt den Titel „Rechtsfragen der militärischen Unterstützung der Ukraine durch NATO-Staaten zwischen Neutralität und Konfliktteilnahme“.

Es wurde im März erstellt, also vor dem Beschluss von Bundesregierung und Bundestag, deutsche Panzer direkt an die Ukraine zu liefern und zugleich ukrainische Soldaten an westlichen Waffen auszubilden. Das US-Verteidigungsministeriums hatte nun am Freitag erklärt, dass das US-Militär ukrainische Soldaten bereits an Waffensystemen ausbildet. Das Training finde auf US-Militär-Stützpunkten in Deutschland in Absprache mit der Bundesregierung statt, die bei der Koordinierung und Organisation helfe.

Auch Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte am Dienstag bei einer Militärkonferenz in Ramstein erklärt, die Bundeswehr beteilige sich mit USA und Niederlanden an der Ausbildung ukrainischer Soldaten auf deutschen Boden. Die Linke im Bundestag kritisierte das als deutschen Eintritt in den Ukraine-Krieg: „Die Ampel-Koalition und die Union haben Deutschland mit ihrem Bundestagsbeschluss, schwere Waffen an die Ukraine zu liefern und darüber hinaus auch ukrainische Soldaten in Deutschland oder auf NATO-Gebiet auszubilden, zur aktiven Kriegspartei gemacht“, sagte Zaklin Nastic, Linken-Obfrau im Verteidigungsausschuss, dem RND unter Verweis auf das Gutachten. „Die Bundesregierung setzt ganz Europa einer völlig unkontrollierbaren Gefahr aus, die im schlimmsten Fall in einem Atomkrieg enden kann, wie auch Kanzler Scholz noch vor wenigen Tagen gewarnt hat“, so Nastic.

Scholz hatte mehrfach gesagt, eine direkte militärische Konfrontation mit Russland vermeiden zu wollen. Außenministerin Annalena Baerbock hatte bislang stets deutlich gemacht, völkerrechtlich entscheidend für die Nichtkriegsführung sei der Einsatz westlicher Truppen im Kampfgebiet. Das Gutachten führt aus, dass außerdem auch Kampfhandlungen von NATO-Gebiet aus – etwa Starts von Kampfjets mit ukrainischen Piloten – dazu zählen würden.


Ukraine: Russischer Spion in ukrainischem Generalstab enttarnt

Den ukrainischen Sicherheitsbehörden ist es nach eigenen Angaben gelungen, mehrere russische Agenten zu enttarnen. Darunter habe auch ein Spion im ukrainischen Generalstab gearbeitet, teilte ein Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit. Angeblich soll das Ziel der Spione gewesen sein, ein Passagierflugzeug über Russland oder Weißrussland abzuschießen und im Anschluss die Ukraine dafür verantwortlich zu machen.

Weitere Details zu dem mutmaßlichen Spionage-Ring wurden zunächst nicht genannt. Die russischen Angriffe im Osten der Ukraine gingen unterdessen auch in der Nacht zu Montag weiter. Kämpfe wurden unter anderem aus der der Region Donezk sowie aus der Stadt Charkiw gemeldet.

Aus der grenznahen russischen Stadt Belgorod wurden zudem erneut Explosionen gemeldet. Angaben zu Schäden oder Opfern wurden zunächst aber nicht gemacht.


Rund 100 Zivilisten aus Stahlwerk in Mariupol evakuiert

Aus dem von russischen Truppen belagerten Azovstal-Werk in der ukrainischen Stadt Mariupol sind rund 100 Zivilisten evakuiert worden. „Die 1. Gruppe von etwa 100 Personen ist bereits auf dem Weg zum kontrollierten Bereich. Morgen treffen wir sie in Saporischschja. Vielen Dank an unser Team!

Jetzt arbeiten sie zusammen mit der UN an der Evakuierung anderer Zivilisten aus der Anlage“, teilte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Sonntag auf Twitter mit. Kiew und Moskau hatten sich in der vergangenen Woche darauf geeinigt, einen Fluchtkorridor einzurichten, um die verbliebenen Zivilisten evakuieren zu können. In dem Stahlwerk sollen sich noch rund 1.000 Zivilisten aufhalten.

Zudem verschanzt sich eine unbekannte Anzahl an ukrainischen Soldaten auf dem weitläufigen Industriekomplex.


Landwirtschaftsminister will Ukraine bei Weizen-Export helfen

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) will der Ukraine helfen, in ukrainischen Häfen festsitzendes Getreide zu exportieren. „Immer wieder erreichen uns Berichte über gezielte Attacken Russlands auf Getreidesilos, Düngerlager, landwirtschaftliche Fläche und Infrastruktur“, sagte Özdemir dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Montagausgaben). Dahinter stecke offenbar der Versuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin, „die Ukraine auch als Konkurrenz langfristig auszuschalten“.

Özdemir fügte hinzu: „Mit dem wachsenden Hunger in der Welt versucht Russland, Druck aufzubauen. Gleichzeitig kommen Russland die massiv gestiegenen Marktpreise zupass, weil es neues Geld ins Land bringt.“ Beim G7-Gipfel der Agrarminister Mitte Mai werde er deshalb mit seinen Kollegen darüber sprechen, wie der Zugang zu den Weltmärkten für die Ukraine dennoch gewährleistet werden könne, sagte der Grünen-Politiker.

„Wir müssen alternative Verkehrswege ermöglichen. Der Weg über die Schiene kann eine Lösung sein, um Getreide zu exportieren – wenn auch mit viel Aufwand und mit beschränkten Kapazitäten. Wir werden als Bundesregierung alles tun, was geht.“

Probleme beim Transport über die Schiene bereiteten unterschiedliche Spurweiten oder verwendungsfähige Container in der hohen benötigten Stückzahl. Zudem bombardiere Russland nun auch Eisenbahnanlagen. Derzeit sitzen laut UN-Welternährungsprogramm knapp 4,5 Millionen Tonnen Getreide in ukrainischen Häfen und auf Schiffen fest und können nicht genutzt werden.

Die Ukraine war bis Kriegsbeginn einer der weltweit wichtigsten Erzeuger von Weizen sowie ein großer Mais-Produzent. Viele Länder, etwa in Nordafrika, sind abhängig von günstigem Weizen aus der Ukraine.


Ukraine fordert von Deutschland Führungsrolle in Ostpolitik

Die Ukraine hofft auf „mutige, visionäre Entscheidungen“ der Bundesregierung in Berlin. Ihr Außenminister Dmytro Kuleba sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ, Montagsausgabe), Deutschland solle „gerade in Fragen der Ostpolitik die Führungsrolle in Europa übernehmen“. Das gelte für Waffenlieferungen an die Ukraine, Sanktionen gegen Russland und die Gewährung des EU-Kandidatenstatus für die Ukraine.

Allerdings sei Deutschland bisher eines der zögerlichsten Länder in Europa. „Dabei ist die europäische Integration der Ukraine heute eine Frage von Krieg und Frieden auf unserem Kontinent.“ Wenn Putin den Krieg gewinne, „wird Europa über Jahrzehnte keine Stabilität und Sicherheit genießen“.

Mit einem Sieg der Ukraine dagegen „wird Europa neu erfunden und gestärkt in die Zukunft gehen“. Zu Russlands nuklearen Drohgebärden sagte Kuleba: „Hier muss Russland, wo das Regime eines Verrückten am Ruder ist, eingedämmt werden. Atomwaffen sind für Putin am wirksamsten, ehe sie zum Einsatz kommen. Drohen ist wirksamer, als die Waffen einzusetzen.“ Die Ukraine habe seit Jahren vor der weiteren Radikalisierung der russischen Herrscher gewarnt, doch hätten viele in Europa geglaubt, es besser zu wissen. Kuleba forderte die deutschen Eliten auf, „uns zuzuhören“.

Kuleba äußerte Anerkennung für die bisherigen Waffenlieferungen aus Deutschland. Dass Berlin seine Haltung dazu jedoch von Woche zu Woche geändert habe, sei für ihn ein „Rätsel“. Der Minister sagte, Russland sei derzeit „total auf seine militärische Offensive im Donbass und im Süden der Ukraine konzentriert“.

Daher seien die Friedensverhandlungen zwischen Kiew und Moskau derzeit wenig dynamisch. Besser sehe es mit Gesprächen über ein System für Sicherheitsgarantien für die Ukraine aus.


CSU-Verteidigungspolitiker Hahn fordert Scholz zu Kiew-Reise auf

Der CSU-Verteidigungspolitiker Florian Hahn hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aufgerufen, ebenso wie Unionsfraktionschef Friedrich Merz in die Ukraine zu reisen. „Worten müssen auch Taten folgen“, sagte Hahn den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montagausgaben). „Wer wie der Bundeskanzler die Zeitenwende ausruft, und danach über Wochen ständig abtaucht, hinterlässt nicht nur bei den Verbündeten ein ungutes Gefühl.“

Merz zeige mit seinem geplanten Besuch in Kiew „einmal mehr, wie es geht“, fügte der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion hinzu.


Geteilte Reaktionen auf Baerbocks Vorstoß zu Friedensverhandlungen

Außenministerin Annalena Baerbocks (Grüne) Bedingungen an Russland für Friedensverhandlungen lösen geteilte Reaktionen im Bundestag aus. Unter anderem hatte Baerbock gesagt, die Sanktionen würden nur nach einem kompletten Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine enden. Der FDP-Fraktionsvize im Bundestag, Alexander Graf Lambsdorff, teilt Baerbocks Haltung.

„Die Außenministerin hat recht. Die Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine und der vollständige Rückzug der russischen Truppen sind der Ausgangspunkt für jede Verhandlung“, sagte Lambsdorff der „Welt“ (Montagausgabe). Es wäre deshalb falsch, jetzt Konzessionen auch nur anzudeuten.

„Die Entscheidung fällt zurzeit auf dem Schlachtfeld, so hart diese Erkenntnis auch sein mag. Es ist derzeit eine militärische Frage, keine politische.“ Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Nils Schmid, nahm nicht Bezug auf Baerbock, sondern auf den Bundeskanzler: „Olaf Scholz hat in den letzten Wochen mehrfach einen Waffenstillstand in der Ukraine gefordert und dass die russischen Truppen sich zurückziehen müssen. Der Kanzler hat auch betont, dass es keinen Diktatfrieden geben darf, bei dem die russische Seite einseitig Bedingungen festlegt.“ Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) betonte, es sei richtig, dass Frieden und Freiheit nur durch wirtschaftliche und militärische Stärke gesichert werden könnten. „Die bittere Bilanz ist: Kein Vertrag hat die Ukraine geschützt. Dennoch wird man irgendwann zu Vereinbarungen mit Russland kommen müssen, wer immer dort an der Macht ist.“ Zudem warnte Wadephul: „Regime-Change in Moskau ist kein Bestandteil unseres Engagements an der Seite der Ukraine.“ Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch mahnte: „Regierungsmitglieder sollten nicht ständig neue, sich widersprechende Aussagen zu Möglichkeiten des Endes von Putins Krieg in die Öffentlichkeit blasen. Die oberste Diplomatin Deutschlands Frau Baerbock muss hier besonders sensibel sein.“ Scharfe Kritik kam vom außenpolitischen Sprecher der AfD-Fraktion, Petr Bystron: Eine Nachkriegsordnung werde „nur Bestand haben, wenn bei ihrer Gestaltung die russischen Sicherheitsinteressen berücksichtigt werden. Doch daran haben die Grünen kein Interesse und eskalieren bereits jetzt die Lage mit unannehmbaren Konditionen.“

Hintergrund: Baerbock (Grüne) hatte am Wochenende Bedingungen für Friedensverhandlungen genannt. „Für uns ist klar: Eine Aufhebung der Sanktionen gibt es nur, wenn Russland seine Truppen abzieht. Ein Frieden zu Bedingungen, die Russland diktiert hat, würde weder der Ukraine noch uns in Europa die ersehnte Sicherheit bringen“, sagte Baerbock der „Bild am Sonntag“.

Schlimmstenfalls wäre dies eine Einladung zum nächsten Krieg – noch näher an deutschen Grenzen. Putin habe die Friedensordnung in Europa unwiederbringlich zertrümmert. „Einen Weg zurück zu der Zeit vor dem 24. Februar gibt es nicht. Auf Putins Zusagen allein können wir uns nie wieder verlassen.“ Deshalb müsse man der Ukraine helfen, den russischen Einmarsch abzuwehren und sich gegen zukünftige Angriffe zu schützen. „Erst wenn alle in Europa wieder einsehen, dass bei einem Krieg am Ende kein Land Sieger, sondern alle nur Verlierer sind, gibt es wieder echten Frieden.“