Fridays For Future Köln Demonstration im Rahmen des globalen Klimastreiktages am 23. September 2022 auf dem Kölner Heumarkt. | Foto: Bopp

Köln | Gegen das Versammlungsgesetz NRW (VersG NRW) sind vor dem Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen heute eine Verfassungsbeschwerde und ein Eilantrag eingegangen. Das Gericht bestätigte den Eingang und vergab bereits Aktenzeichen.

Es sind zwei Beschwerden und in beiden Fällen wurde auch ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Beschwerdeführer sind die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und das Bündnis „Versammlungsgesetz NRW stoppen“. Das neue Versammlungsgesetz NRW ist seit einem Jahr gültig. Immer wieder demonstrierten in NRW, so auch in Köln am 30. Oktober 2021, Menschen gegen die Einführung des neuen Versammlungsgesetzes. Eingeführt wurde das neue Versammlungsgesetz noch unter der schwarz-gelben Landesregierung von CDU und FDP. Auch als die Grünen in die Landesregierung eintraten änderte sich nichts, obwohl das Versammlungsgesetz Teil des gründen Landtagswahlprogrammes ist. So schreiben die Grünen in ihrem Landtagswahlprogramm unter dem Punkt „Versammlungsfreiheit schützen“: „Wir wollen ein Versammlungsrecht, das Versammlungen in NRW ermöglicht und schützt. Es soll für jede*n unbürokratisch möglich sein, Versammlungen anzumelden und rechtssicher durchzuführen. Auch das Recht auf hör- und sichtbare Gegendemonstrationen schützen wir. Der Schutz der persönlichen Daten ist bei Versammlungen von besonders großer Bedeutung. Eine Befugnis zur Anfertigung von Videoaufnahmen, die über das Versammlungsgesetz des Bundes hinausgeht, lehnen wir ab. Jegliche Form der Datenerhebung hat offen zu erfolgen. Wir orientieren uns an vielen anderen Ländern und wandeln – wo angemessen – Straftatbestände des Bundesgesetzes in Ordnungswidrigkeiten um, etwa beim Vermummungsverbot. Die von der Landesregierung betriebene Kriminalisierung der Klimagerechtigkeitsbewegung sowie antifaschistischer Demonstrationen lehnen wir ab.“

Die GFF nimmt in den Fokus die Regelungen zum Störungs-, Vermummungs- und Militanzverbot. Diese sind der Gesellschaft zu unbestimmt formuliert. Damit wissen Demonstrierende nicht mehr wann sie sich strafbar machen. Daneben weitet NRW die Befugnis zur staatlichen Videoüberwachung von Versammlungen enorm aus, so die GFF. Auch das könne einschüchtern und von der Teilnahme an Protesten abschrecken. Das bundesweit einmalige Pauschalverbot aller Versammlungen auf Bundesautobahnen nimmt zudem einen Teil des öffentlichen Raumes prinzipiell von der Versammlungsfreiheit aus. Autobahnen werden damit stärker geschützt als der NRW-Landtag und NS-Gedenkstätten. Die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer im Verfahren VerfGH 3/23.VB-1 beanstanden neben dem Versammlungsverbot auf Autobahnen auch das Störungsverbot, die Vorschrift über Aufnahmen und Aufzeichnungen von Bild und Ton, das Vermummungs- und Schutzausrüstungsverbot und das Gewalt- und Einschüchterungsverbot sowie daran anknüpfende Straf- beziehungsweise Ordnungswidrigkeitentatbestände. Sie sehen sich in ihrem Grundrecht der Versammlungsfreiheit und auf informationelle Selbstbestimmung verletzt.

Die Beschwerdeführer im Verfahren VerfGH 117/22.VB-2 sehen sich durch das Versammlungsverbot auf Autobahnen in ihrem Grundrecht der Versammlungsfreiheit verletzt.

So begründet die GFF

„Das Versammlungsgesetz NRW ist ein offener Bruch mit der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung zur Versammlungsfreiheit. Die Versammlungsfreiheit ist ein elementares Grundrecht für die demokratische Zivilgesellschaft – der Staat muss sie schützen und darf friedlichen Protest nicht erschweren“, sagt Joschka Selinger, Jurist und Verfahrenskoordinator bei der GFF. Kein anderes Bundesland hat ein derart restriktives Versammlungsgesetz. Mit der Verfassungsbeschwerde will die GFF ähnlichen Tendenzen bei der Gestaltung künftiger Landesversammlungsgesetze vorbeugen und so eine schrittweise Aushöhlung der Versammlungsfreiheit verhindern.

„Wir wehren uns gegen die Überwachung und Beschränkung unserer Demonstrationen. Nordrhein-Westfalen hat eine vielfältige Zivilgesellschaft, die sich nicht kleinkriegen lässt“, betont Iris Bernert-Leushacke, Sprecherin des Bündnisses „Versammlungsgesetz NRW stoppen“, die regelmäßig an Aktionen gegen Nazi-Demonstrationen teilnimmt.

ag