Köln | Das Verwaltungsgericht Köln hat im Güterichterverfahren zum Thema Brüsseler Platz ein über vierseitiges Dokument mit Richtlinien und Regeln dokumentiert, das das Zusammenleben zwischen Anwohnern, Gastronomie und Einzelhandel und den Partygästen regeln soll und Pflichten auch für die Stadt Köln definiert. Diese Formulierungen wurden von den Beteiligten im Güterichterverfahren selbst gewählt. Die Stadt Köln kann dort seit Jahren nicht die geltende Gesetzgebung zur Nachtruhe umsetzen. Die Gültigkeit der Nachtruhe ab 22 Uhr bestätigt das Gericht. Allerdings lesen sich einige Formulierungen auf den ersten Blick sehr theoretisch. Report-k.de dokumentiert die Lesefassung des Güterichterverfahrens aus diesem Grund im Wortlaut.

Manche Passagen des Güterichterverfahrens lesen sich sehr theoretisch und weltfremd, viele auch wachsweich. Ein Beispiel, so sollen der Kiosk oder ein nahegelegener Supermarkt ab 23:30 Uhr keine Alkoholika mehr zum sofortigen Verzehr verkaufen dürfen. Aber bis 23:29 Uhr kann man dann noch eine Kiste Kölsch aus dem Markt zum Platz tragen. Oder ab 22 Uhr soll ein massiver Einsatz der städtischen Ordnungshüter dafür sorgen, den Platz bis 24 Uhr zu leeren, aber in der Außengastronomie liegt das Limit bei 1 Uhr, auch wenn diese um 24 Uhr ihren Betrieb einstellen muss. Aber lesen Sie selbst:

Die Lesefassung des Güterichterverfahrens in Auszügen (im Wortlaut(kursiv gesetzt)

Leben und Wohnen am Brüsseler Platz in Köln setzt einen von allen akzeptierten und beachteten modus vivendi voraus. Auf die Klage eines Anwohners haben sich dieser und die beklagte Stadt Köln vor dem Verwaltungsgericht Köln auf ein richtungsweisendes Güterichterverfahren eingelassen (Az. 77 MK 2/13). Darin haben sich der Kläger und Vertreter der Anwohner am Brüsseler Platz, der Kirchengemeinde, der Gastronomen, eines Einzelhandelsgeschäftes, von Querbeet und anderen Bürgerinitiativen, eine Kiosk-Betreiberin sowie die Stadt Köln, Vertreter der Polizei und der AWB auf einen solchen modus vivendi verständigt. Der Kläger und die Vertreter der Anwohner begrüßen das damit verbundene klare Bekenntnis der Stadt Köln zum Erhalt des Brüsseler Viertels in seiner traditionellen Struktur mit kleinen, nicht störenden Gewerbebetrieben.

Der Kläger und die Vertreter der Anwohner werden deshalb besonderes Vertrauen in das Engagement der Stadt Köln zur Wiederherstellung und Erhaltung der Nachtruhe legen. Umgekehrt wertschätzt die Stadt Köln das ernsthafte Bemühen des Klägers und der Vertreter der Anwohner am Brüsseler Platz zu einem konstruktiven Miteinander und achtet insbesondere die Bekundung der Anwohner, mit Blick auf den modus vivendi eigene Positionen zu relativieren.

Modus vivendi zum Thema Lärm

1. Die Stadt Köln übernimmt es, an allen Freitagen, Samstagen und Tagen, auf die ein gesetzlicher Feiertag in NRW folgt, in der Zeit von April bis Oktober eines jeden Jahres durch Einsatz von einer ausreichenden Anzahl von Mitarbeitern des Ordnungsamtes jeweils ab 22 Uhr darauf hinzuwirken, dass die Besucher des Brüsseler Platzes den Platz spätestens bis 24 Uhr tatsächlich verlassen haben. Auf besondere Situationen wird die Stadt Köln flexibel reagieren.

2. Die Stadt Köln wird gegen Personen ordnungsrechtlich vorgehen, die sich auf dem Brüsseler Platz aufhalten und Lärm verursachen und damit gegen § 117 OWiG, § 9 LandesimmissionsschutzG oder § 12 der Kölner Straßenordnung verstoßen.

3. Die Stadt Köln wird kontrollieren, dass auch die Außengastronomie auf dem Brüsseler Platz um 24 Uhr geschlossen ist und sich dort keine Personen mehr aufhalten. Die Betreiber der Außengastronomie werden ihre Praxis beibehalten, in der Zeit von 24.00 Uhr bis 01.00 Uhr auch selbst die Personen wegzuschicken, die sich noch im Bereich der Außengastronomie aufhalten. Die Stadt Köln wird prüfen, in wieweit nicht erlaubte Außengastronomien tatsächlich betrieben werden.

4. Die Stadt Köln prüft, ob und inwieweit durch bauplanungsrechtliche Maßnahmen am Brüsseler Platz sichergestellt werden kann, dass eine weitere Zunahme von Gastronomiebetrieben möglichst verhindert wird.

5. Die Stadt Köln trägt durch zulässige Maßnahmen, wie etwa die Einholung verbindlicher Selbstverpflichtungen oder durch entsprechende Ordnungsverfügungen dafür Sorge, dass der Kiosk „Le Kiosk“ und der Rewe-Markt sowie andere Kioske im Umkreis von bis zu 200 m – ausgehend von den Außenmauern der Kirche St. Michael – an allen Freitagen sowie an allen Werktagen – außer Samstagen –, auf die ein gesetzlicher Feiertag in NRW folgt, in dem Zeitraum vom 1. April bis 31. Oktober ab 23.30 Uhr alkoholische Getränke weder verkaufen noch zum alsbaldigen Verzehr über die Straße abgeben. Bezogen auf die Kioske trägt die Stadt Köln diese Sorge auch an allen Samstagen im vorgenannten Zeitraum. Die Stadt Köln überwacht die Einhaltung dieser Maßnahmen durch jedenfalls Stichprobenkontrollen. Die Stadt Köln wird evaluieren, inwieweit die getroffenen Maßnahmen wirksam und ausreichend sind.

6. Die Stadt Köln wird die AWB beauftragen, unter Beteiligung der Anwohner einen konkreten Pilot-Plan zur Reinigung des Brüsseler Platzes an den unter Ziffer 1 genannten Tagen bzw. an dem jeweiligen Folgetag zu entwickeln (wie Ziffer 1 zum Thema Schmutz). Die Stadt Köln wird in diesem Zusammenhang etwaig notwendige Genehmigungen erteilen.

7. Die Stadt Köln und Pfarrer Brocke als Verantwortlicher für die Kirche St. Michael werden prüfen, inwieweit durch eine Veränderung der Beleuchtung, ggf. Abschalten der Leuchten ab 23 Uhr, bewirkt werden kann, dass der Brüsseler Platz für Besucher weniger einladend ist.

8. Die Gastronomen am Brüsseler Platz sowie auch die Betreiberin des Kiosk „Le Kiosk“ werden weiterhin Flaschensammeleinrichtungen und big bags einsetzen, damit Flaschen möglichst effektiv und geräuscharm gesammelt werden können und bis 24.00 Uhr eingesammelt sind. Die Stadt Köln wird gemeinsam mit den Gastronomen und Kiosk-Betreibern sowie dem Rewe-Markt ein rechtlich umsetzbares Konzept zur Lösung der Problematik „Flaschensammler“ entwickeln (wie Ziffer 7 zum Thema Schmutz).

9. Die Stadt Köln wird weiterhin Veranstaltungen auf dem Brüsseler Platz nur bis 22.00 Uhr genehmigen.

Modus vivendi zum zum Thema Schmutz

1. Die Stadt Köln wird die AWB beauftragen, unter Beteiligung der Anwohner einen konkreten Pilot-Plan zur Reinigung des Brüsseler Platzes an den unter Ziffer 1 genannten Tagen bzw. an dem jeweiligen Folgetag zu entwickeln (wie Ziffer 1 zum Thema Schmutz). Die Stadt Köln wird in diesem Zusammenhang etwaig notwendige Genehmigungen erteilen. (wie Ziffer 6
zum Thema Lärm).

2. Die Stadt Köln sagt zu (unter dem Vorbehalt der bisherigen Finanzierung durch die Bezirksvertretung und die Gastronomen am Brüsseler Platz), jedenfalls so lange eine zusätzliche Toilette aufzustellen, bis das Konzept „Urilift“ am Brüsseler Platz verwirklicht sein sollte.

3. Die Stadt Köln wird gegen Wildpinkler ordnungsrechtlich vorgehen und das Ordnungsamt wird Wildpinkler gezielt ansprechen, die vorhandenen Toiletten zu benutzen.

4. Die Stadt Köln prüft, durch welche Maßnahmen eine Nutzung des Kinderspielplatzes als Toilette unterbunden werden kann.

5. Querbeet sagt zu, weiterhin die Beetpflege zu übernehmen. Die Stadt Köln wird sie hierbei unterstützen. Die Stadt Köln wird prüfen, wie die übrigen, nicht von Querbeet oder einer anderen Organisation gepflegten Grünflächen instandgesetzt und unterhalten werden können. Die Stadt Köln wird insbesondere auch die derzeit brachliegenden Grünflächen so bepflanzen bzw. gestalten, dass sie sich nicht zu einem Aufenthalt dort eignen.

6. Die Gastronomen am Brüsseler Platz werden weiterhin gemeinsam eine Kraft anstellen, die nachts oder in den frühen Morgenstunden Beete reinigt und die Wege fegt, die von den AWB nicht gereinigt werden können.

7. Die Gastronomen am Brüsseler Platz sowie auch die Betreiberin des Kiosk „Le Kiosk“ werden weiterhin Flaschensammeleinrichtungen und big bags einsetzen, damit Flaschen möglichst effektiv und geräuscharm gesammelt werden können und bis 24.00 Uhr eingesammelt sind. Die Stadt Köln wird gemeinsam mit den Gastronomen und Kiosk-Betreibern sowie dem Rewe-Markt ein rechtlich umsetzbares Konzept zur Lösung der Problematik „Flaschensammler“ entwickeln (wie Ziffer 8 zum Thema Lärm).

Modus vivendi zum Thema Kommunikation

1. Alle Beteiligten bemühen sich um einen fairen und sachlichen Umgangston. Dazu gehört auch, dass wechselseitig keine Beschimpfungen der Anwohner und Platzbesucher erfolgen.

2. Alle Beteiligten bemühen sich um Deeskalation.

3. Die Stadt Köln erklärt sich bereit, die Besucher des Brüsseler Platzes insbesondere in der Anfangsphase an den unter Ziffer 1 zum Thema Lärm genannten Tagen mit Handzetteln darauf hinzuweisen, dass
– die Nachtruhe ab 22.00 Uhr einzuhalten ist.
– der Platz spätestens um 24 Uhr verlassen worden sein muss.
– die Flaschen an den Kiosk zurückgebracht oder in den Flaschencontainer oder die big bags entsorgt werden müssen.
dass insbesondere Lärmen und Wildpinkeln – wie stets – untersagt ist und geahndet wird.

4. Die Stadt Köln wird sich in ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit um einen einheitlichen Auftritt bezüglich der Maßnahmen, die zur Beruhigung des Brüsseler Platzes getroffen werden, bemühen. Die Stadt Köln wird Köln Tourismus einbinden und um eine entsprechende Sprachregelung bitten.

5. Die Stadt Köln wird konkrete Ansprechpartner beim Ordnungsamt und bei den AWB für Beschwerden hinsichtlich der Lärmsituation oder der Reinigung benennen.

6. Die Stadt Köln wird weiterhin Veranstaltungen auf dem Brüsseler Platz nur bis 22.00 Uhr genehmigen (wie Ziffer 9 zum Thema Lärm).

7. Die Stadt Köln erklärt sich bereit, eine frühzeitige Bürgerbeteiligung durchzuführen, sofern sie bauplanungsrechtliche Maßnahmen am Brüsseler Platz ergreifen will.

8. Die Gastronomen am Brüsseler Platz werden weiterhin einen Anwohnerstammtisch und einen Sommerbrunch anbieten. Ziel soll es sein, eine offene Gesprächsrunde zu schaffen. Dabei sollen auch die „stillen Anwohner“ Gelegenheit haben, sich zu informieren und auszutauschen. Auf Einladung wird der Bezirksbeamte der Polizei an diesen Veranstaltungen teilnehmen.

9. Pfarrer Brocke wird sich für den Erhalt der Kirche St. Michael als kirchliches Gebäude einsetzen und in der Kirche weiter Kulturveranstaltungen anbieten. Die Kirche soll als Kommunikator für ein gedeihliches Zusammenleben wahrgenommen werden.

10. Die Polizei wird am bisherigen Vorgehen festhalten und zu den relevanten Zeiten den Brüsseler Platz und das unmittelbare Umfeld verstärkt bestreifen. Die Polizei wird zudem dafür Sorge tragen, dass den Anwohnern der für das Quartier zuständige Bezirksbeamte besser bekannt wird. Der Bezirksbeamte der Polizei wird auch auf der Info-Seite der Stadt Köln im Internet genannt.

11. Spätestens zum 31. Juli 2014 werden sich die Beteiligten dieses Güterichterverfahrens in einem gemeinsamen Termin über die getroffenen Maßnahmen austauschen. An diesen ersten Austausch sollen sich zumindest jährliche weitere Besprechungstermine anschließen.

Autor: ag