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report-K präsentiert ausgewählte Beiträge aus dem Newsletter des Kölner Presseclubs, den Sie hier abonnieren können. Für die redaktionellen Inhalte ist der Kölner Presseclub verantwortlichDer Autor Michael Hirz gehört dem Vorstand des Kölner Presseclubs an. Zuvor war der Journalist und Moderator u. a. als Leiter der Fernseh-Abteilung Kultur im WDR und als Programmgeschäftsführer des Fernsehsenders Phoenix tätig.

Auch eine weitgehend entchristlichte Gesellschaft wie die unsere sollte gelegentlich mal die Kirche im Dorf lassen.  Ja, wir haben gerade jede Menge Krisen, von der Energieversorgung bis zum Klima, und täglich scheinen neue dazuzukommen. Aber sind das immer gleich endzeitliche Katastrophen? Der Unterschied zwischen Krise und Katastrophe ist schließlich der, dass wir auf Krisen mit Handeln reagieren können, eine Katastrophe aber macht hilflos. Das Ergebnis ist Resignation und im Extremfall Verzweiflung. Beides führt aber nicht zu einer Lösung, sondern wird zum Teil des Problems.

Deshalb ist es keine gute Idee, im Zusammenhang mit der Erderwärmung von einer Klimakatastrophe zu sprechen. Gerade hat der Weltklimarat IPCC einen Bericht vorgelegt, der zwar den Ernst der Lage beschreibt, der jedoch gleichzeitig aufzeigt, mit welchen Maßnahmen die Menschheit dem Klimawandel entgegenwirken kann. Dazu gehört natürlich, zügig aus der Verbrennung von Kohle, Erdöl und Gas auszusteigen. Das bringt die deutschen Grünen in Erklärnot: Die Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke am letzten Wochenende bedeutet, dass 15 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich freigesetzt werden – pro Jahr. Wohlgemerkt: Es geht nicht um eine Neuauflage der Atom-Debatte, das Thema ist durch. Es geht um eine befristete Laufzeitverlängerung von technisch einwandfreien Reaktoren.

Überhaupt zeigt der grüne Lack der Partei Kratzer. Aktuell rangiert die Partei laut Forsa bei 17 Prozent. Das ist weit entfernt von früheren Höhenflügen und dem Traum von einer grünen Volkspartei. Für Forsa-Chef Manfred Güllner haben sich die einstigen Shootingstars Robert Habeck und Annalena Baerbock entzaubert, die Grünen werden wieder stärker als Verbots- und Gängelungspartei gesehen, die aus ideologischen Gründen ein ganzes Volk umerziehen will: Ob Gendern oder Verkehrspolitik, ob Heizungstausch oder Einwanderungspolitik – der Widerstand gegen grüne Positionen wächst. Aus der grünen Wohlfühl-Partei mit ihrem Versprechen einer kuscheligen Zukunft ist eine Zumutungspartei geworden. Das weltliche Heilsversprechen ist eben nicht umsonst zu haben. Da der Zeitgeist ein scheuer Geselle ist, könnte es sein, dass er sich schon intensiv nach einem neuen Zuhause umsieht – und Grün zu einer blassen Farbe wird.

Doch wo könnte dieses neue Zuhause liegen? Die SPD, die bundesweit keine 20 Prozent mehr schafft und im einstigen Kernland Nordrhein-Westfalen nur noch eine Erinnerungsgröße ist? Kaum. Bei Lindners Liberalen? Die kämpfen darum, nicht in die politische Todeszone von weniger als fünf Prozent abzurutschen. Die Linke? Gibt sich alle Mühe, von einer Partei zur Sekte zu mutieren. Bleibt die Union. Sie erreicht zwar knapp 30 Prozent, aber angesichts des Unmuts über die Ampel-Koalition kann das nicht beeindrucken. Für Manfred Güllner hat das Akzeptanzproblem der CDU einen Namen: Friedrich Merz. Die versprochene Erneuerung der Partei werde vom Wähler nicht gesehen und die Vertrauenswerte des CDU-Chefs lägen „bei allen Wahlberechtigten und bei Anhängern der CDU deutlich unter denen, die Merkel kurz vor der letzten Bundestagswahl erhalten hatte – und zudem noch deutlich unter denen des derzeit nicht sonderlich populären Kanzlers.“ Es scheint so, als ob der passionierte Hobby-Flieger Merz in diesem Leben nicht mehr zu einem Höhenflug in der Beliebtheit ansetzen könnte.

Die dauerhafte Schwäche ihres Vorsitzenden lenkt den Blick auf die zweite Reihe der CDU, und da sticht neben Daniel Günther vor allem Hendrik Wüst, der NRW-Ministerpräsident, heraus. Der hat zwar, wie Güllner sagt, vor allem davon profitiert, dass die SPD im Land sich quasi aufgelöst hat. Aber seine CDU käme, wären jetzt Landtagswahlen, auf beachtliche 38 Prozent und seine persönlichen Popularitätswerte sind hoch. Doch ein inhaltliches Profil lässt der smarte Münsterländer noch nicht erkennen, er meidet die Auseinandersetzung und wirkt deshalb wie eine Projektionsfläche für alle. Eine Bewährungsprobe wartet auch mit der nächsten Kommunalwahl auf Wüst. Wird er die Basis der Partei geschlossen und motiviert aufstellen? In einer Metropole wie Köln überhaupt mit einer eigenen Kandidatin oder eigenen Kandidaten antreten? Auch darf man gespannt sein, wie belastungsfähig seine schwarz-grüne Koalition ist.