Elena Kolbasnikova und Markus Beisicht am 24. Februar 2024 auf dem Kölner Rudolfplatz.

Köln | In Russland wird bis Sonntag gewählt. Die Europäische Union und die Nato haben Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahl. Gestern berichteten die „ARD Tagesthemen“ zur Wahl in Russland mit einem Beitrag aus Köln. Im Beitrag zu sehen: die in Köln bekannte Pro Putin Aktivistin Elena Kolbasnikova. Die organisiert, zusammen mit dem früheren „ProNRW“-Politiker Markus Beisicht und dessen „Aufbruch Leverkusen“, pro-russische Demonstrationen. Kolbasnikova wurde wegen russischer Kriegspropaganda angeklagt und vom Amtsgericht Köln verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Ihr Anwalt dort: Markus Beisicht. Eine Analyse.

Der Schulterschluss mit Rechten

Der Jahrestag des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine jährte sich zum zweiten Mal am 24. Februar 2024. In Köln kam es zu vier Kundgebungen. Tausende zeigten ihre Solidarität mit der Ukraine auf dem Roncalliplatz, die Friedensbewegung protestierte für ein Ende des Krieges auf dem Alter Markt und auf dem Rudolfplatz standen Elena Kolbasnikova und Markus Beisicht mit einem Häuflein Getreuer – es mögen rund 20 Personen gewesen sein – einer größeren Zahl an Gegendemonstrantinnen gegenüber. Es war nicht das erste Mal, dass Beisicht und Kolbasnikova gemeinsam öffentlich auftraten. Der Aufbruch Leverkusen und der Verein „Die Brücke zwischen Deutschland und Russland“, der in Beisichts Kanzlei gegründet wurde, wird im aktuellen Verfassungsschutzbericht NRW so eingeordnet: Der Verein „Die Brücke zwischen Deutschland und Russland“ agitiere in Köln und Leverkusen im Sinne der russischen Regierung. Der Verein „Aufbruch Leverkusen“ missachte, so der Verfassungsschutzbericht NRW, die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte und dessen Wortwahl und Argumentationsmuster zur Menschenwürde seien nicht mit dem Grundgesetz vereinbart. So wird die nachrichtendienstliche Beobachtung begründet.

Die „Tagesthemen“ zeigen Elena Kolbasnikova als Russin in Deutschland

In seiner Zahlenzentrale gibt das Medienmagazin „DWDL“ an, dass gestern 1,84 Millionen Menschen die „Tagesthemen“ sahen und bezieht sich dabei auf die Quelle AGF Videoforschung. So viel zur Einordnung der Sendung, in der gestern Elena Kolbasnikova in einem Beitrag über russische Wählerinnen und Wähler in Deutschland gezeigt wurde.

„Tagesthemen“ Moderator Ingo Zamparoni kündigte das Thema mit den Worten „was der Kreml eine Wahl nennt an“ an. Zamparoni ordnet Russland als das flächengrößte Land ein und das „eh klar sein dürfte, dass Wladimir Putin an der Macht bleiben werde“. Zamparoni sagt voraus, dass die in Deutschland lebenden Russinnen und Russen nicht in Scharen wählen gehen würden. Es folgt unter anderem die Erklärung, dass Briefwahl nicht möglich sei und man nur in der Botschaft in Berlin oder im Generalkonsulat in Bonn vor Ort als russischer Bürger wählen könne. Dann moderiert Zamparoni den folgenden Beitrag an: „wie denken die hier lebenden Russinnen und Russen über die Wahl in ihrem Land? Susanna Zdrzalek und Lilia Becker haben ein nicht repräsentatives Meinungsbild eingeholt und festgestellt, dass es gar nicht so einfach ist, hierzu ins Gespräch zu kommen.“

Es beginnt der Beitrag. Der zeigt das Standbild einer nett lächelnden, adretten, gut geschminkten und blond gefärbten Frau unter einem transparenten Regenschirm in Köln am Rhein. Aus dem Off ist deren Stimme mit russisch gefärbtem Akzent zu vernehmen: „Ich bin Elena Kolbasnikova.“ Dann zeigt die Kamera die Frau, wie sie spricht und sagt: „Ich bin russische Aktivistin. Ich wohne seit Jahr 96 in Köln.“ Kolbasnikova trägt eine olivgrüne Fleece Jacke. Die Kamera zoomt auf den Ärmel auf dem die russische Fahne aufgenäht ist. Auf der Jacke befindet sich der Aufdruck „Народный фронт“. Es ist der Schriftzug für die „Allrussische Volksfront“. So schreibt die Bundeszentrale für politische Bildung schon im Jahr 2015: „Die ‚Allrussische Volksfront‘ (russ.: ‚ONF‘) hat sich während Putins dritter Amtszeit zur wichtigsten präsidentenfreundlichen Organisation entwickelt. Ihre Taktik ist für hybride Regime wie das in Russland typisch: Zur Steigerung der politischen Legitimität geht die Volksfront im Allgemeinen mit oppositioneller Kritik konform, während sie sich gleichzeitig auf Putins unstrittige Führungsrolle in der Gesellschaft stützt.“ Jetzt strebt Putin die fünfte Amtszeit an.

Nette Frau von nebenan

Kolbasnikova flaniert mit dem transparenten Regenschirm am Kölner Rheinufer. Dazu kommt aus dem Off die Stimme einer der Reporterinnen: „Sie ist eine der Wenigen mit russischem Pass in Deutschland, die sich öffentlich positionieren. Pro Putin. Die Kölnerin Elena Kolbasnikova organisiert seit 2022 Autokorsos in Deutschland, um den russischen Präsidenten zu unterstützen. Wegen ihrer Äußerungen zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist sie bereits zu einer Geldstrafe verurteilt worden.“ Die Reporterin fragt: „Was gefällt ihr an Putins Politik?“ Die Kamera zeigt eine lächelnde und sympathische Elena Kolbasnikova, die ihren Regenschirm festhält und dabei ihren Ehering präsentiert und die sagt: „Ich empfehle jedem nach Russland zu kommen, um zu schauen: Es gibt im Geschäften alles. Die Menschen arbeiten alles, alle. Es gibt auch wirklich nur positive Entwicklung überall.“ Wir sehen wie Kolbasnikova weiter im Kölner Regen flaniert und dem Horizont mit Rheinschiffchen und Deutzer Brücke entschwindet. Die Reporterin kommentiert: „So Elena Kolbasnikovas Haltung. Eine Haltung, die auch andere Russinnen und Russen in Deutschland teilen. In Köln-Porz versuchen wir mit ihnen ins Gespräch zu kommen.“ 

Was zeigt die „ARD“ da in den „Tagesthemen“?

Eine blonde Frau mit adrettem Aussehen, die erzählt, dass in Russland die Geschäfte voll sind. Dass in Russland man gut einkaufen könne und die Entwicklung ganz prima ist? Und das im Kontext von Wahlen? Und das kurz nachdem die Bilder von der Beerdigung von Alexej Nawalny in den „Tagesthemen“ gezeigt wurden oder die Verhaftungen derer, die um ihn trauern? Da darf sich eine, wenn auch noch nicht rechtskräftig, verurteilte Agitatorin als nette Shopping Ratgeberin präsentieren? Das Pikante ist dabei die Familiengeschichte von Kolbasnikova, die zwar als Russin präsentiert wird, aber so Russin wurde: Am 27. September 2023 unterzeichnete Wladimir Putin das Dekret, vier Seiten mit der Überschrift „Über die Aufnahme in die Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation“. Es folgen 33 Namen – auf Position 19: „Kolbasnikova, geborene Bezverkhaya, Elena, geboren am 20. März 1975 in der Ukraine“. Sie stammt aus Dnipro, kam 1996 nach Deutschland. Dnipro ist die ukrainische Stadt, die von der Stadt Köln unterstützt wird. Ausgerechnet. Wenn es jetzt schwierig wäre der umtriebigen Kolbasnikova auf die Schliche zu kommen, wäre es verständlich, dass keine Einordnung erfolgt. Aber das Netz und die eigenen „ARD“-Kanäle sind voll von Berichten über Kolbasnikova und ihre Verbindungen zu Rechten und ihrer Putin-Propaganda in Deutschland. Die „Bild“-Zeitung nennt sie gar „Putin-Fangirl“.

Wer ist Elena Kolbasnikova?

Elena Kolbasnikova zeigt sich und agitiert auf gemeinsamen Veranstaltungen nicht nur mit dem rechten Politiker Markus Beisicht zusammen. Auch mit Andre Poggenburg steht sie auf der Bühne oder spricht auf Veranstaltungen des „Compact“ Verlages, wo auch der Identitäre Martin Sellner auftritt. Beisicht ist im politischen Köln alles andere als ein Unbekannter: Der war nicht nur Vorsitzender der rechten Bürgerbewegung „Pro Köln“, sondern auch Landesvorsitzender der rechtsextremen Deutschen Liga für Volk und Heimat, die ein Kopfgeld auf eine Frau aussetzte. Gemeinsam mit Kolbasnikova wünscht Beisicht auf der Facebookseite der Vereinigung „Aufbruch Frieden – Souveränität – Gerechtigkeit“ Putin viel Erfolg. Besonders pikant ist eine auf dieser Facebookseite vor einem Tag veröffentlichte Pressemitteilung zu einer Mahnwache am kommenden Sonntag in Bonn zu den Präsidentschaftswahlen in Russland. Dort heißt es unter anderem: „Politik und Medien in der BRD führen seit Monaten eine geradezu unsägliche Diffamierungskampagne gegen den Präsidenten der Russischen Föderation Wladimir Putin.“ Wie passt das zu dem „Tagesthemen“-Beitrag, wo Kolbasnikova erzählen darf wie schön es in Russland und seinen Geschäften ist? Ganz einfach: In den sozialen Netzwerken werden Medien diffamiert, bietet sich aber eine Option deren Reichweite zu nutzen, dann inszenieren sich Agitatoren als nette und freundliche Menschen von nebenan.  

Am 8. Mai 2022 initiierte Kolbasnikova einen Autokorso mit über 1.000 Menschen durch Köln, der medial und bundesweit für Aufsehen sorgte. Auf einem Video ist ihre Ansprache zu sehen, wo sie sagt: „Russland ist kein Aggressor. Russland hilft zurzeit, Krieg in der Ukraine beenden.“ Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Störung des öffentlichen Friedens. Die Staatsanwaltschaft klagte Kolbasnikova an und das Amtsgericht Köln verurteilte sie zu einer Geldstrafe von 900 Euro. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig, denn Beisicht, der Anwalt von Kolbasnikova, kündigte schon direkt nach dem Urteil an in Berufung zu gehen. Diese Verhandlung ist am 10. April 2024 vor dem Landgericht Köln.

Zu Autokorsos in NRW, wie sie Kolbasnikova veranstaltete, findet sich im NRW-Verfassungsschutzbericht folgende Eintragung: „Seit Beginn des russischen Angriffskrieges traten unter anderem in Nordrhein-Westfalen zudem mehrfach zum Teil gleiche Akteure durch die Organisation prorussischer Autokorsos und anderer Demonstrationen in Erscheinung. Es ist anzunehmen, dass diese Aktivitäten von russischen staatlichen Stellen mit Wohlwollen betrachtet werden. Die Wahl des Veranstaltungsformats Autokorso lehnt sich an frühere Formate zum sogenannten „Tag des Sieges“ an. Sie dürfte nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein, dass derartige Veranstaltungen in besonderem Maße geeignet sind, dynamisch wirkendes Bildmaterial zu liefern. Dies kann in russischen Medien und in den sozialen Netzwerken verbreitet werden. Es soll der Eindruck erzeugt werden, dass sich in Deutschland eine breite Öffentlichkeit gegen westliche Waffenlieferungen und Sanktionen positioniert.“

Profitiert Russland von der Arbeit Kolbanikovas in Deutschland?

Maria Tsvetkova, eine Reuters Journalistin, sagte gegenüber dem „ARD“ Magazin „Kontraste“ Mitte 2023, dass Russland eindeutig profitiere von dem was Kolbasnikova in Deutschland tue. Dies stehe im Einklang mit der russischen Propaganda und unterstütze die russische Position. In dem „Kontraste“ Bericht wurde Kolbasnikova, auch nach der Reuters Recherche, gefragt zur Finanzierung von Flugtickets für Kolbasnikova und ihren Mann Max Schlund durch das „Russische Haus“. Der Reporter von „Kontraste“ fragte sie im Umfeld des Kölner Gerichtsverfahrens. Auf die Frage des Reporters antwortete Kolbasnikova, ob er daran glaube, was in Zeitungen stehe. Die Frage nach der Finanzierung der Tickets wies Kolbasnikova zurück und riet dem Reporter besser das „Russische Haus“ zu befragen. Dann wendet sie sich ihrem Mann zu und erklärt ihm in russischer Sprache was der Reporter fragte. „Kontraste“ übersetzte die russische Aussage von Kolbasnikova: „Ihn interessiert das russische Haus, wie es uns das Flugticket für die Reise nach Moskau bezahlt hat. Damals als wir nicht hinfliegen konnten.“ Die Tickets hatte die russische Aktivistin sogar gepostet, aber den Flug verpasst.

Auf Veranstaltung mit Identitären und AfD

Am 4. November 2023 war Kolbasnikova auf der Konferenz „Frieden mit Russland – Raus aus der Nato!“, zu dem unter anderem auch Jürgen Elsässer vom „Compact Magazin“ aufrief. Dort referierte sie von ihrer Reise in den Donbass. Auf der Konferenz auch Martin Sellner, Identitäre Bewegung, Olga Petersen, AfD Landtagsabgeordnete Hamburg oder Oliver Kirchner, Co-Fraktionsvorsitzender AfD Sachsen-Anhalt und Fraktionschef der AfD in Sachsen-Anhalt, der im dortigen Landtag über Remigration sprechen will.

„Anonymous Germany“ stellt Anzeige

Anfang Februar 2024 nahm Kolbasnikova in Tula an einem russischen Treffen von Kriegsaktivistinnen und -aktivisten teil, an dem auch Putin teilnahm. Das Paar bedankte sich auf seinem Telegram Kanal bei der „Gesamtrussischen Volksfront“ für das Treffen. Seit Herbst 2023 hat Kolbasnikova die russische Staatsbürgerschaft, per Dekret verliehen von Putin. Max Schlund, ist russischer Ex-Soldat, er änderte in Deutschland seinen Namen und unterstützt Kolbasnikova bei ihren Aktivitäten. Das Aktivisten-Kollektiv „Anonymous Germany“ erstattete, wie „t-online“ berichtete, Anzeige gegen Kolbasnikova und Max Schlund wegen deren Teilnahme an dem Treffen in Tula und damit der Unterstützung des russischen Angriffskrieges.

Für Kolbasnikova dürfte der „Tagesthemen“-Beitrag ein voller Erfolg sein, da etwa der Facebook-Kanal „Aufbruch Frieden-Souveränität-Gerechtigkeit“ gerade einmal etwas mehr als 400 Follower hat. Offen bleibt die Frage, warum die „Tagesthemen“ Elena Kolbasnikova eine solche Plattform geboten haben?