Prof. Marcus Trier ist der Direktor des Römisch-Germanischen Museums in Köln. Foto: Eppinger

Köln Seit 2000 ist Prof. Marcus Trier Mitarbeiter des Römisch-Germanischen Museums in Köln, das er seit 2010 als Direktor leitet. Das Haus feiert in diesem Jahr seine 50-jähriges Bestehen. Im Gespräch blicken wir mit dem Museumschef auf die vergangenen fünf Jahrzehnte zurück und sprechen über die Zukunft des renommierten Hauses. 

Was macht das Römisch-Germanische Museum in Köln so besonders?

Prof. Marcus Trier: Das Römisch-Germanische Museum – kurz das RGM – ist gleichzeitig das archäologische Museum der Stadt Köln und das Amt für archäologische Denkmalpflege. So bekommt die Stadtarchäologie ihr eigenes Schaufenster und kann ihre Ausgrabungsfunde der Öffentlichkeit angemessen museal präsentieren. Das ist eine besondere Kombination, um die uns Kolleginnen und Kollegen in vielen anderen deutschen Städten beneiden. Dazu kommt, dass Köln die einzige deutsche Millionenstadt ist, die eine 2000-jährige urbane Kontinuität vorweisen kann. Und die Menschen in Köln haben eine sehr hohe Affinität zu ihrer eigenen Geschichte. Man spricht in Köln von „unseren Römern” und da ist es egal, ob man hier seit vielen Generationen lebt oder neu in die Stadt gezogen ist. Künftig wird es mit dem MiQua zudem eine tolle Ergänzung geben. Dort kann man dann eine archäologische Ausstellung direkt am originalen Fundort erleben. Damit haben wir in Köln ein weiteres Alleinstellungsmerkmal.

Welche Rolle wird das RGM an der künftigen Via Culturalis spielen?

Trier: Unser Museum ist eine der großen Perlen dieser einzigartigen Kette und damit ein ganz zentraler Baustein der Via Culturalis. Diese beginnt mit dem Dom und wichtigen antiken Denkmälern wie dem Nordtor, der römischen Hafenstraße oder dem Kanalstück in der Budengasse. Wir plädieren dafür, dass dieser Kulturpfad über St. Maria im Kapitol bis zum Mühlenbach im Süden weitergeführt wird, wo gerade ein großes Stück der römischen Stadtmauer restauriert wird.

Von Anfang an hat das Römisch-Germanische Museum auf ein sehr fortschrittliches Konzept gesetzt.

Trier: Das Haus wurde als „Schaufenster in die Römerzeit” konzipiert, als Warenhaus der Antike, in dem man in einem frei bestimmbaren Rundgang Geschichte erleben konnte und in dem Wissen ohne erhobenen Zeigefinger vermittelt werden sollte. Deshalb verzichtete man auch darauf, alles hinter Glas und Barrieren zu packen. Es ging um einen Ort, an dem man sich bilden, aber auch wohlfühlen sollte. Es gab Rückzugsmöglichkeiten und ein umfangreiches gastronomisches Angebot. Dazu kamen technische Innovationen wie die Videokästen. So war man bei der Eröffnung 1974 auf dem „State of the Art“. In der Fachwelt wurde das von einigen durchaus kritisch gesehen. Aber die Menschen waren begeistert und strömten massenweise ins Museum, das zeitweise sogar wegen Überfüllung geschlossen werden musste.

Am 3. März 1974 wurde das Römisch-Germanische Museum am Roncalliplatz eröffnet. Foto: Eppinger

Wie kann man so einen erfolgreichen Ansatz auch für die Zukunft bewahren?

Trier: Interessen und Sozialverhalten der Menschen haben sich über die Jahrzehnte natürlich verändert. Auch Museen müssen sich erneuern und anpassen. Ganz zentral bleibt aber, dass das Original, der archäologische Fund, auch künftig im Mittelpunkt steht. Das Original nutzt sich nicht ab. Wir wollen an Bewährtem festhalten und dieses durch Neues ergänzen. Dazu gehört es auch, unsere Funde durch analoge und digitale Medien zu inszenieren, den Objekten ihre eigene Geschichte zu entlocken. Ein schönes Beispiel ist die „Kölsche Venus“, die auf der Hohe Straße gefunden wurde. Sie ist ein Bruchstück einer Skulptur, das alleine nicht besonders auffällt. Ursprünglich diente sie dem Schmuck einer römischen Villa, wurde aus Italien importiert. Das Schicksal sorgte für ihre Zerstörung und dafür, dass sie als Pflasterstein einer römischen Straße geendet ist. Das gilt auch für Amphorenfragmente, die weit mehr sind als bloße Scherben. Die Amphoren waren die Einwegverpackungen der Antike und mit ihnen wurden zum Beispiel die beliebten Fischsoßen einer prominenten Familie aus Pompeji per Schiff nach Köln transportiert. Der Ausbruch des Vesuv machte das zunichte. Erst diese Geschichte macht ein Ausstellungsstück spannend und erweckt eine alte Scherbe zum Leben.

Das konnte man als Besucher auch immer bei den Sonderausstellungen so erleben.

Trier: Bei unseren erfolgreichen Sonderausstellungen der letzten Jahre haben wir stets versucht, die Funde in ihrem narrativen Kontext zu zeigen, beispielsweise bei der großen der Schau „ZeitTunneL 2000 Köln im Spiegel der U-Bahn-Archäologie“. Gleiches gilt für die Präsentation „Zerbrechlichen Luxus“ zur römischen Glaskunst oder bei „14AD – Römische Herrschaft am Rhein“, die an das Epochenjahr 14 nach Christus, den Tod des Augustus, erinnert hat. Das waren Probeläufe für eine künftige Ausstellung im generalsanierten Haus. Alle unsere Ausstellungen waren höchst erfolgreich, haben teils mehr als 100.000 Gäste gezählt. Viele kamen immer wieder. Eine ältere Kölnerin sagte mir beispielsweise, dass sie fast keine der rund 40 Sonderführungen verpasst habe. Das ist natürlich toll!

Und das nicht nur in Köln selbst.

Trier: Das Römisch-Germanische Museum hat international große Strahlkraft. Das liegt zum einen an unseren Herzkammern, dem Dionysos-Mosaik und dem Poblicius-Grabmal – beide haben Weltrang. Dazu kommt die umfangreichste Sammlung römischer Gläser mit dem berühmten Diatretglas. Und quasi alles wurde, bis auf die Diergardt-Sammlung, auch in Köln gefunden.

Was fühlen Sie als Direktor, wenn sie am geschlossenen RGM mit seinem Bauzaun vorbeigehen?

Trier: Ich hätte natürlich unser 50-jähriges Bestehen gerne im Stammhaus gefeiert. Aber ich bin Realist und weiß, dass die Generalsanierung unumgänglich ist, um das Museum in die Zukunft führen zu können. Jetzt bin ich froh, dass es den entsprechenden Ratsbeschluss gibt und wir in finanziell schwierigen Zeiten mit dem Projekt vorankommen.

Aktuell hat das RGM sein Interim im Belgischen Haus. Foto: Eppinger

Was erwartet die Besucher nach der Wiedereröffnung des RGM?

Trier: Im Erdgeschoss wird durch die Integration des ehemaligen Durchgangs in das Gebäude ein neuer kommunikativer Raum mit einer großen Attraktivität entstehen. Geplant ist dort auch ein gastronomisches Angebot. Von außen wird das „Schaufenster in die Römerzeit“ mit Blick auf das Mosaik und das Grabmal auch weiterhin 24 Stunden/sieben Tage die Woche zugänglich sein. Die Museumspädagogik wird verdoppelt und es gibt im Erdgeschoss einen multifunktionalen Saal für Sonderausstellungen und Veranstaltungen. Im Obergeschoss können die Besucher bei einem freien Rundgang 1000 Jahre Stadtgeschichte von der Antike bis ins frühe Mittelalter erleben, die in Themenblöcken präsentiert wird und bei dem die einzelnen Objekte in ihrem narrativen Kontext stehen werden. Im Untergeschoss fällt der Blick mit dem Dionysos-Mosaik auf die Geschichte des Ortes. Dazu kommen Kabinette, die Funde aus der Zeit vor den Römern und die Diergardt-Sammlung zeigen.

Bis dahin bleibt das RGM im Interim des Belgischen Hauses.

Trier: Auch hier sind wir mit dem Museum sehr erfolgreich, wie fast 55.000 Besucher im Vorjahr gezeigt haben. Wir haben mit dem Belgischen Haus eine sehr hochwertige Immobilie bekommen, in der wir alle unsere Aufgaben von der Stadtarchäologie mit der Unteren Denkmalbehörde bis hin zum außerschulischen Lernort und dem Museum verbinden können. So können wir auch unsere wichtigen Aufgaben in der Forschung erfüllen und Studenten in die Praxis einführen. Dazu kommt der schöne Festsaal für Veranstaltungen, wie wissenschaftliche Kolloquien.