Istanbul | aktualisiert | Der seit mehr als einem Jahr in der Türkei inhaftierte „Welt“-Journalist Deniz Yücel kommt offenbar frei. Das berichtet die Zeitung am Freitagmittag auf ihrer Internetseite unter Berufung auf Yücels Anwalt. Der „Welt“-Korrespondent war vor einem Jahr wegen Terrorvorwürfen festgenommen worden. In einem ersten Statement zeigte sich Frank Überall, der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), erfreut über die Nachrichten der Freilassung von Deniz Yücel und stellte fest: „Journalismus ist kein Verbrechen“.

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Später wurde Untersuchungshaft gegen ihn verhängt. Erst am Donnerstag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einem Treffen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim deutlich gemacht, dass der Fall Yücel eine besondere Dringlichkeit habe. Yildirim hatte wiederum gesagt, dass er davon ausgehe, dass die Gerichte im Rahmen der rechtsstaatlichen Prinzipien eine Entscheidung fällen werden.

Gleichzeitig hatte er die lange Verfahrensdauer damit verteidigt, dass die Gerichte des Landes wegen des Militärputsches in der Türkei und der nachfolgenden zahlreichen Prozesse unter einer enormen Arbeitslast leiden würden.

Gabriel erfreut über Yücels Freilassung

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hat sich erfreut über die angekündigte Freilassung des seit mehr als einem Jahr in der Türkei inhaftierten „Welt“-Journalisten Deniz Yücel geäußert. „Ich freue mich sehr über diese Entscheidung der türkischen Justiz. Und noch mehr freue ich mich für Deniz Yücel und seine Familie“, sagte Gabriel am Freitag.

„Das ist ein guter Tag für uns alle“, fügte er hinzu. Er dankte der türkischen Regierung für ihre Unterstützung bei der Verfahrensbeschleunigung. „Ich habe in den letzten Monaten viele direkte Gespräche mit der türkischen Regierung zur Beschleunigung des Verfahrens geführt. Dazu gehörten auch zwei Treffen mit dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan.“ Die türkische Regierung habe immer Wert darauf gelegt, dass sie keinen politischen Einfluss auf die Gerichtsentscheidung nehmen werde. Die Unabhängigkeit der Gerichtsentscheidung sei immer zentrales Anliegen in allen Gesprächen gewesen.

„Umso mehr freut mich die heutige Entscheidung“, sagte Gabriel. Besonderen Dank sprach er dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dankte er für ihr Vertrauen in die Arbeit des Auswärtigen Amtes.

„Ich bin sehr froh über diesen Ausgang.“ Erste weitere Reaktionen auf die angekündigte Freilassung Yücels fielen ebenfalls positiv aus. Gökay Sofuoglu, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, bezeichnete sie in der „Rheinischen Post“ (Samstagsausgabe) als „sehr glückliche Nachricht“. Seit über einem Jahr habe Yücel unschuldig im Gefängnis gesessen. „Er ist ein freiheitsliebender Mensch, ein Journalist und kein Terrorist.“ Es sei gut, dass das jetzt auch die Türkei kapiert habe, fügte Sofuoglu hinzu. Er freue sich auf die Recherchen und Berichte Yücels, wenn der „Welt“-Korrespondent wieder zurück sei. Die Vize-Fraktionschefin der Linken, Sevim Dagdelen, zeigte sich ebenfalls erfreut über die Nachricht. „Ich freue mich darüber, dass Deniz Yücel nach einem Jahr Geiselhaft endlich wieder frei ist“, sagte sie der „Bild“. Yücel sei eine politische Geisel Erdogans gewesen. „Man kann jetzt gespannt sein, welche Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgüter die Türkei dafür von Kanzlerin Merkel erhalten wird.“

Maas: Yücels Freilassung „großartige und überfällige Nachricht“

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat die Freilassung des Journalisten Deniz Yücel aus türkischer Untersuchungshaft als „großartige und überfällige Nachricht“ begrüßt. „Jeder Tag, den Deniz Yücel im Gefängnis verbracht hat, war einer zu viel“, sagte Maas der „Welt“ (Samstagsausgabe). „Wir freuen uns sehr für Deniz Yücel, seine Familie und seine Freunde.“

Maas kündigte an, die Bundesregierung werde „weiter alles dafür tun, dass alle in der Türkei zu Unrecht inhaftierten Deutschen so schnell wie möglich freigelassen werden“. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete am Freitag, die Istanbuler Staatsanwaltschaft habe eine Anklageschrift vorgelegt, in der 18 Jahre Haft für den Journalisten gefordert würden. Das Gericht habe die Anklageschrift angenommen und Yücel dann aus der Untersuchungshaft entlassen.

Mützenich begrüßt Yücels Freilassung als „überfälligen Schritt“

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende und Außenpolitiker Rolf Mützenich hat die anstehende Freilassung des Journalisten Deniz Yücel aus türkischer Haft als „überfälligen Schritt“ begrüßt. „Weder die Vorwürfe noch die Haftbedingungen waren nachvollziehbar und vertretbar“, sagte Mützenich der „Welt“ (Samstagsausgabe). Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete am Freitag, die Istanbuler Staatsanwaltschaft habe eine Anklageschrift vorgelegt, in der 18 Jahre Haft für den Journalisten gefordert würden.

Das Gericht habe die Anklageschrift angenommen; dann habe es die Freilassung Yücels aus der Untersuchungshaft angeordnet. „Der Fall hat den deutsch-türkischen Beziehungen schwer geschadet. Es kann daher jetzt keinen Übergang zur normalen Geschäftstätigkeit geben“, sagte Mützenich.

Dafür gäben auch die rechtsstaatlichen und menschenrechtlichen Verhältnissen in der Türkei keinen Anlass. „Die Bundesregierung, vor allem Außenminister Gabriel, haben alle Möglichkeiten zur Freilassung von Deniz Yücel genutzt. Umso mehr müssen wir uns für weitere deutsche Staatsbürger und andere, zu Unrecht inhaftierte Menschen einsetzen.“

Unterdessen bezeichnete der türkischstämmige Schriftsteller Dogan Akhanli, der 2017 auf Betreiben der Türkei in Spanien festgenommen und mehrere Monate dort festgehalten worden war, die angekündigte Freilassung Yücels als Bestätigung für die Willkür der türkischen Regierung. Er freue sich sehr über die Freilassung Yücels, sagte der Autor dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Online- und Samstagsausgabe). Sie sei aber „lediglich ein Symbol, der Druck der deutschen Regierung war wohl in den vergangenen Tagen zu groß geworden“.

Akhanli nannte es „mehr als paradox“, dass „da ein Journalist, der nur seine Arbeit macht, ein Jahr ohne Anklage in Haft sitzt, und irgendwann wird er einfach freigelassen“.

Autor: dts