Köln | Es gibt Vorwürfe gegen einen Sicherheistsdienst der in einer Flüchtlingsunterkunft in Köln Humboldt-Gremberg tätig ist. Es gibt Vorwürfe die den Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes unterstellen sexuell übergriffig gegen Frauen geworden zu sein. Die Polizei hat eine Ermittlungsgruppe eingeleitet. Zartbitter äußerte sich und die Stadt Köln veröffentlicht eine mehrseitige Stellungnahme, die wir am Ende des Artikels im Wortlaut dokumentieren.

Um 14 Uhr zogen gestern etwa 50 Menschen von der Straße „Am Grauen Stein“ zum Rolshover Kirchweg. Währenddessen verteilten bislang Unbekannte zwei „offene Briefe“. Hierin werden im Namen der Bewohnerinnen unter anderem schwere Vorwürfe gegen Angehörige des Sicherheitsdienstes erhoben. Danach soll es mehrfach zu sexuellen Übergriffen gekommen sein. Die Polizei hat jetzt eine Ermittlungsgruppe eingerichtet.

Die Polizei suchte die Unterkunft auf und sprach mit rund 50 Flüchtlingen. Gestern hatte sich eine Frau gemeldet. Heute stellen die Beamten der Polizei fest: „In ihren Aussagen machte bisher keine der Befragten Angaben darüber, Opfer oder Zeuge der sexuellen Übergriffe geworden zu sein.“ Man bittet Zeugen oder Betroffene darum den Kontakt zur Polizei zu suchen.

Zartbitter fordert Umsetzung von Mindeststandards zum Schutz von Frauen und Kindern

Die aktuellen Berichte über sexuelle Übergriffe gegen Frauen in Flüchtlingseinrichtungen seien zu erwarten gewesen erklärte heute Zartbitter Köln schriftlich. Seit Wochen rechne die Fachberatungsstelle gegen sexuelle Gewalt mit der Aufdeckung von Fällen sexueller Belästigung und der Produktion pornografischer Aufnahmen in Erstunterkünften. „Auf die Frage von Journalisten, wie wir die weitere Entwicklung einschätzen, haben wir wiederholt darauf hingewiesen, dass Fälle pornografischer Aufnahmen in Flüchtlingsunterkünften befürchten“, erklärt Ursula Enders, Leiterin von Zartbitter Köln. Nun bewahrheite sich die Einschätzung von Zartbitter: Bewohnerinnen einer Kölner Flüchtlingsunterkunft erheben den Vorwurf der sexuellen Übergriffe und der Verletzung des Rechts am eigenen Bild. Sie wurden nach eigenen Angaben von Security-Mitarbeitern schlafend und beim Stillen fotografiert. Nach Ansicht von Ursula Enders ist es empörend, dass die Bundesregierung bis jetzt noch keine gesetzliche Regelung geschaffen hat, um in Flüchtlingsunterkünften Mindeststandards zum Schutze von Frauen und Kindern umzusetzen.

Die Stellungnahme der Stadt

Die Vorwürfe richten sich gegen die Stadt Köln sowie den von ihr mit der Betreuung des Standorts beauftragten Trägern sowie das vor Ort eingesetzte Sicherheitspersonal.

Die Stellungnahme im Detail und Wortlaut:

Zum Vorwurf sexueller Übergriffe/unerlaubten Filmens/regelwidrigen Verhaltens des Sicherheitspersonals mit Blick auf die sexuelle Selbstbestimmung: Weder bei dem für die Unterbringung Geflüchteter zuständigen Wohnungsamt der Stadt Köln, noch bei der vor Ort eingesetzten Heimleitung des beauftragten Trägers (DRK) lagen bis dato Beschwerden oder Vorwürfe seitens der Bewohner zu sexuellen Übergriffen durch Mitarbeiter des Sicherheitspersonals, unerlaubten Filmaufnahmen oder ähnlichen Sachverhalten vor.

Die Stadt Köln arbeitet seit Jahren für ihre Flüchtlingsunterkünfte mit einem Sicherheitsdienst als Vertragspartner zusammen. Der Auftrag wurde nach öffentlicher Ausschreibung erteilt und beinhaltet umfangreiche Qualitätsanforderungen, unter anderem gehören hierzu:

Eine DIN-Zertifizierung des beauftragten Unternehmens garantiert den nötigen Standard an Qualität mit Blick auf die dort beschäftigen Wachleute. Alle dort beschäftigten Mitarbeiter müssen über eine Mindestausbildung verfügen, zu der auch eine Fachprüfung durch die Industrie- und Handelskammer (IHK) gehört. Darüber hinaus überprüft das Ordnungsamt, ob die Voraussetzungen für eine „Wächtergenehmigung“ gegeben sind. Neben einer erfolgreich absolvierten Sachkundeprü-fung erfordert diese ein einwandfreies Führungszeugnis.

Daneben ist anzumerken, dass das Wach- und Sicherheitsunternehmen darüber hinaus eine eigene vom Bundesverband der Sicherheitswirtschaft anerkannte Sicherheits- und Werkschutzschule betreibt, in der die eigenen Mitarbeiter aus- und fortgebildet werden. Der beauftragte Dienstleister bietet auch Schulungen zu Themen wie Antirassismus-Training oder Deeskalationsstrategien an und macht die Teilnahme daran zur Einstellungsvoraussetzung für neue Mitarbeiter.

Die Mitarbeiter erhalten den entsprechenden Tariflohn, der über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt.

Im Zuge des mit der Stadt vereinbarten Überwachungs- und Unterstützungssystems für die vor Ort tätigen Sicherheitsmitarbeiter machen „mobile Bereichsleiter“ regelmäßige Kontrollfahrten zu den rund 70 Wohnheimen sowie den nicht stationär besetzten Einrichtungen. Das System der Kontrollfahrten dient zum einen der Kontrolle der Mitarbeiter, zum anderen zur personellen Unterstützung der Kräfte vor Ort, um in Konfliktsituationen gegebenenfalls zum Schutz einzelner oder aller Bewohner reagieren zu können.

Die Betreuung der städtischen Flüchtlingswohnheime erfolgt in Zusammenarbeit mit einem dichten Netzwerk aus städtischen Mitarbeitern, freien Trägern und Verbänden sowie Sozialarbeitern, Heimleitern und Hausmeistern.

Nach Ablauf des laufenden Vertrages wird die Stadt Köln aufgrund des gestiegenen Umfangs eine neue Ausschreibung für mehrere Sicherheitsunternehmen starten. Das Ausschreibungsverfahren ist bereits eingeleitet.

Die Kosten für den Sicherheitsdienst in einem Regelwohnheim liegen bei monatlich rund 7.900 Euro, für eine Turnhalle bei monatlich rund 113.000 Euro. Aufgrund der zunehmenden Zahl an Turnhallen und anderen Notaufnahmen ist das Kostenvolumen für die Sicherheitsdienstleistung stark gestiegen.

Die Stadt Köln hat in Zusammenarbeit mit dem Vertragspartner laufend qualitative Weiterentwicklung betrieben und umgesetzt. Anlässlich des seit 2014 zu verzeichnenden Zuwachses an Flüchtlingswohnheimen und der zeitgleich in Öffentlichkeit und Fachpolitik aufgenommenen Qualitätsdiskussion über Sicherheitsdienste in Flüchtlingswohnheimen hat die Stadt Köln bereits im Jahr 2014 grundlegende organisatorische und konzeptionelle Veränderungen umgesetzt.

In den Einrichtungen gibt es eine gute Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern der Betreuungsträger, der Stadt und des Sicherheitsunternehmens unter Einbeziehung der Unterstützerorganisationen und einer Vielzahl ehrenamtlich engagierter Bürgerinnen und Bürger. Die Leistungen des Sicherheitsdienstes sind mit denen der anderen Akteure verzahnt; er trägt einen Anteil am Gesamtprodukt vor Ort. Die Mitarbeiter unterliegen ständiger Kontrolle durch die eigene Organisation, durch die Betreuungsträger und durch die Stadt Köln. Vorfälle wie die in dem Offenen Brief beschriebenen sind bislang keinem der Beteiligten weder für die Westerwaldstraße noch für einen anderen Standort bekannt geworden.

2. Zum Vorwurf mangelnder Privatsphäre bzw. einer Überbelegung der Halle:

Die mit 200 Schlafplätzen ausgestattete Turnhalle ist derzeit mit 196 Personen belegt. Es handelt sich hierbei ausschließlich um Familien. Diese stammen aus Syrien, Afghanistan, Irak und Iran. Die Halle ist mit Feldbetten ausgestattet. Für die persönliche Habe gibt es für jede Familie Spinde. Raumteiler oder Sichtschutzvorrichtungen sind aus brandschutztechnischen Gründen nicht vorhanden/einsetzbar. Auch müssen Fluchtwege zwingend offen gehalten werden. Die Notunterkunft verfügt über zwei separate Umkleideräume für Frauen und eine für Männer.

3. Zum Vorwurf nicht ausreichend vorhandener Sanitäranlagen (je 6 für Frauen und Männer), fehlenden Sichtschutzes in den Duschen:

Für Damen und Herren gibt es jeweils 10 Toiletten, davon zwei Mal jeweils 8 in Sanitärcontainern. Für Herren gibt es zusätzlich Urinale. Es gibt 4 Duschen für Herren, 8 Duschen für Damen innerhalb des Gebäudes. Eine Duschabtrennung ist in Turnhallen für die Nutzung durch Schüler/Sportler grundsätzlich nicht vorgesehen. Die Bereiche sind aber strikt nach Geschlechtern getrennt. Eine Nachrüstung mit Duschvorhängen durch die Stadt Köln erfolgt grundsätzlich, soweit dies nach den bestehenden baulichen Gegebenheiten möglich ist. Vor Ort besteht keine Möglichkeit, Duschvorhänge anzubringen.

4. Zum Vorwurf Flüchtlinge würden hungern, die Essensverpflegung sei unzureichend:

Wie in allen Notunterkünften der Stadt Köln wird die Gemeinschaftsverpflegung in der Turnhalle Westerwaldstraße durch einen beauftragten Caterer sichergestellt. Das DRK als Betreuungsträger ist für die Versorgung und Ausgabe der Mahlzeiten zuständig. Neben einem reichhaltigen Frühstück (Wurst, Käse, Eier, Marmelade, Honig, Brot, etc.) gibt es eine warme Mittagsmahlzeit sowie Kaltverpflegung zum ebenfalls reichhaltigen Abendessen (Wurst, Käse, Eier, Marmelade, Obst, Salate, Quark etc.)

5. Zum Vorwurf mangelnder gesundheitlicher Versorgung:

Im Falle einer Erkrankung vereinbaren die Mitarbeiter des DRK Termine bei Ärzten oder rufen im Notfall den Rettungswagen. Die Mitarbeiter wählen die Ärzte dabei auch nach vorhandenen Sprachkenntnissen der Mediziner, so dass eine gute Verständigung gewährleistet ist. Für solche Arztbesuche werden bei Bedarf auch Taxischeine ausgehändigt.

Am Standort Westerwaldstraße besteht eine bewährte Zusammenarbeit mit einem ortsansässigen Kinderarzt. Hier können die Flüchtlinge in dringenden Fällen auch ohne Termin hingehen. Das DRK erinnert auch an die Einhaltung der Termine und bietet Unterstützung bei Anträgen auf Kostenerstattung beim Sozialamt, etc.

6. Zum Vorwurf mangelnder Hygiene:

Hygieneartikel (Toilettenpapier, Rasierer, Zahnbürsten, Pasta, etc.) werden zu festen Zeiten vom Hausmeister ausgehändigt und in dringenden Fällen auch von Mitarbeitern des DRK ausgegeben. Zweimal in der Woche kann schmutzige Wäsche bei einem beauftragten Dienstleister abgegeben werden. In der Regel dauert es dann eine Woche bis die Wäsche zurück in der Unterkunft ist.

7. Zum Vorwurf der nächtlichen Beleuchtung in der Turnhalle:

In allen Turnhallen, die zur Unterbringung von Geflüchteten genutzt werden, wird in der Nacht die Beleuchtung auf das erforderliche Mindestmaß reduziert, das für eine Evakuierung im Brandfall erforderlich ist. Die Orientierung auf den Rettungswegen muss jeder-zeit gewährleistet sein. Ein Abschalten der kompletten Elektroversorgung am vergangenen Montag ist hier nicht bekannt.

8. Zum Vorwurf, es finde keine Beratung der Geflüchteten statt:

Zwei DRK-Sozialarbeiterinnen sind mindestens 8 Stunden täglich vor Ort und dienen als Ansprechpartnerinnen für Fragen aller Art, dies auch mehrsprachig. In der Praxis kommen die Bewohner regelmäßig in das Turnhallten-DRK-Büro. Darüber hinaus gibt es feste wöchentliche Sprechstunden des Sozialen Dienstes der Stadt Köln vor Ort.

9. Zum Vorwurf, Kinder würden die Schule nicht besuchen:

Das DRK meldet Kinder grundsätzlich beim Kommunalen Integrationszentrum der Stadt Köln an. Von dort wird für alle Köln zugewiesenen Kinder das Schulaufnahmeverfahren organisiert. Gegebenenfalls werden dafür von dort auch Dolmetscher organisiert.

10. Zum Vorwurf eines „Besuchsverbots“:

Besuche in der Unterkunft sind nach vorheriger Anmeldung beim leitenden Sozialarbeiter bzw. Sicherheitsunternehmen möglich. Bewohner sind frei, die Unterkunft jederzeit zu verlassen und zu betreten. Aus rechtlichen Gründen (Residenzpflicht) dürfen sie je-doch maximal drei Tage abwesend sein und müssen diese Abwesenheit den DRK-Mitarbeitern mitteilen.

11. Zum Vorwurf, in der Westerwaldstraße würden keine Asylanträge aufgenommen:

Eine mobile Registrierung der Geflüchteten hat in dieser Halle noch nicht stattgefunden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist für die Vergabe von Terminen im Asylverfahren zuständig. Auf die Dauer der einzelnen Asylverfahren hat die Stadt Köln keinen Einfluss.

12. Zum Umgang mit Beschwerden:

Es gibt bei der Stadt Köln ein eingespieltes Beschwerdemanagement. Sowohl die Mitar-beiter des Wohnungsamtes der Stadt Köln wie auch das vor Ort eingesetzte Personal von Stadt und Träger nehmen sich etwaigen Beschwerden, Konflikten oder Fragen schnell und unbürokratisch an und bemühen sich nach Möglichkeit um eine schnelle und adäquate Lösung.

Autor: ag